Pharmabranche Roche und Novartis gehen künftig getrennte Wege

Das Pharmaunternehmen setzt darauf, Lieferketten zu digitalisieren. Quelle: Reuters

Der Schweizer Pharmariese Novartis trennt sich von seinem milliardenschweren Roche-Aktienpaket. Es sei der richtige Zeitpunkt für den Verkauf gekommen.

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Die Schweizer Pharmakonzerne Novartis und Roche lösen nach zwei Jahrzehnten ihre ungewöhnliche Verflechtung auf. Roche will für rund 19 Milliarden Franken dem Rivalen knapp ein Drittel der stimmberechtigten Roche-Inhaberaktien abkaufen, wie die beiden Unternehmen am Donnerstag mitteilten. Novartis zieht damit einen Schlussstrich unter das vom früheren Konzernlenker Daniel Vasella eingefädelte Vorhaben, in Basel einen Pharmariesen zu schmieden: Ein Zusammenschluss der beiden Arzneimittelhersteller dürfte endgültig vom Tisch sein.

Für Novartis hat sich die von 2001 bis 2003 erworbene Beteiligung gelohnt: Der Konzern strich in Summe mehr als sechs Milliarden Dollar an Dividenden ein und realisiert nun einen Buchgewinn von 14 Milliarden Dollar. Roche wird einen ungeliebten Großaktionär los und erlangt die „volle strategische Flexibilität“ zurück.

Spekulationen, dass Novartis seinen Roche-Anteil zum Verkauf stellen könnte, waren immer wieder aufgeflammt. Vasella, der Novartis 2013 verließ, hatte das Paket in der Hoffnung schnüren lassen, einen Schulterschluss der beiden Unternehmen zu erzwingen. Dazu kam es dann nie. Denn die Erben des Roche-Gründers Fritz Hoffmann-La Roche, die den Pharma- und Diagnostikriesen mit einer hauchdünnen Mehrheit von 50,01 Prozent der Stimmrechte kontrollieren, stellten sich hinter den Unabhängigkeitskurs des Roche-Managements.

Roche zahlt Novartis 356,93 Franken je Inhaberaktie. Der Konzern will die erworbenen Titel dann vernichten. Finanziert werden soll die Transaktion mit Fremdmitteln. Mit knapp einem Drittel der Inhaberaktien ist Novartis der zweitgrößte stimmberechtigte Eigentümer. Einfluss auf das Geschäft des Konkurrenten nahm der Konzern indes nie, auch einen Vertreter im Verwaltungsrat gab es nicht. Die Inhaberaktien repräsentieren nur gut sechs Prozent des gesamten Roche-Kapitals, das Gros entfällt auf die nicht stimmberechtigten Genussscheine.

Roche-Erben festigen beherrschende Stellung

Durch die geplante Vernichtung der zurückgekauften Aktien festigen die Erben der Roche-Gründerfamilien ihren Einfluss: Durch diese Transaktion steigt der Stimmrechtsanteil des Familien-Pools auf rund 67,5 Prozent. Am Aktienrückkauf selbst beteiligt sich der Familien-Pool nicht. Genehmigt werden soll die Transaktion bei einer außerordentlichen Generalversammlung am 26. November.

Die Initiative zu dem Deal ging von Novartis aus, sagte ein Sprecher des Konzerns. Angesichts der rekordhohen Börsenbewertung von Roche sei der Zeitpunkt für einen Ausstieg attraktiv. Wohin der Verkaufserlös fließen soll, blieb vorerst offen. „M&A gehört dazu, steht aber nicht ganz oben auf der Liste“, sagte der Sprecher. Novartis will die Mittel in erster Linie in organisches Wachstum und steigende Dividenden stecken. Der seit 2018 an der Konzernspitze stehende Vasant Narasimhan will Novartis ganz auf innovative Therapien ausrichten. Das Augenheilgeschäft Alcon spaltete er ab und brachte es 2019 an die Börse. Vergangene Woche stellte Narasimhan die Generika-Sparte Sandoz auf den Prüfstand.

Roche sieht seine Flexibilität durch den Milliardendeal nicht eingeschränkt. „Nach der Transaktion ist die Stärke der Bilanz weiter gegeben“, sagte ein Roche-Sprecher. „Wir können unsere M&A-Strategie wie bisher weiterführen, das ist nicht eingeschränkt.“ Roche setzt bei Akquisitionen auf ergänzende Zukäufe zur Stärkung von Pipeline und Technologien, Großübernahmen will der Konzern nicht tätigen. Die ausgeweitete Verschuldung dürfte dank der hohen Cashflow-Generierung schnell wieder zurückgeführt werden.

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Die Reaktion der Anleger war geteilt. Während die Roche-Genusscheine um 0,8 Prozent stiegen, notierten die Novartis-Aktien praktisch auf dem Vortagsniveau. Als Folge der Transaktion dürfte sich der Gewinn je Roche-Titel um sieben Prozent erhöhen und hartnäckige Spekulationen, der Konzern könnte einen größeren Zukauf tätigen, würden gedämpft, erklärten die Jefferies-Analysten. Bei Novartis dagegen dürfte die Debatte um Akquisitionen angeheizt werden. Zudem verliere der Konzern rund eine halbe Milliarde Dollar Dividendeneinnahmen.

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