Pharmaindustrie Lebenswichtige Medikamente auf unbestimmte Zeit vergriffen

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CDU-Mann: "Nationale Arzneimittelreserve"

Die größten Pharmahändler
Marktführer in Deutschland ist der Mannheimer Pharmahändler Phoenix. Das 1994 gegründete Unternehmen, das in vielen Ländern Europas aktiv ist, gehört der schwäbischen Unternehmerfamilie Merckle. Phoenix erzielte zuletzt mit rund 29.000 Beschäftigten einen Jahresumsatz von weltweit 21,2 Milliarden Euro, rund ein Drittel davon in Deutschland. Nach Expertenschätzungen kommt Phoenix hierzulande im Pharmagroßhandel auf einen Marktanteil von etwa 25 bis 28 Prozent. Zuletzt hatte das Unternehmen allerdings etwas an Boden verloren.Bild: Phoenix Quelle: Presse
Nach dem Marktführer Phoenix folgen vier Unternehmen, die im deutschen Arzneihandel auf Marktanteile zwischen 12 und 17 Prozent kommen. Die deutsche Apothekergenossenschaft Noweda aus Essen ist nach eigenen Angaben derzeit die Nummer zwei. Die Geschichte des Unternehmens reicht bis ins Jahr 1939 zurück. Mit rund 1900 Beschäftigten erzielte Noweda zuletzt einen Jahresumsatz von 4,3 Milliarden Euro. Im Bild: Wilfried Hollmann, Vorsitzender des Vorstands.Bild: Noweda Quelle: Presse
Der Stuttgarter Apotheker-Zulieferer Celesio erwirtschaftete 2012 mit 38.000 Beschäftigten weltweit einen Jahresumsatz von gut 22 Milliarden Euro, davon vier Milliarden Euro im deutschen Pharmagroßhandel. Experten zufolge kommt das Unternehmen hierzulande auf einen Marktanteil von rund 16 Prozent. Das 1835 gegründete Unternehmen gehört mehrheitlich der Duisburger Familienholding Haniel, die 50,01 Prozent der Anteile hält. Der Mischkonzern hatte 1973 die Mehrheit am Celesio-Vorgänger Gehe übernommen, der 2003 in Celesio umbenannt wurde. Der US-Branchenführer McKesson will Celesio für 6,1 Milliarden Euro übernehmen. Quelle: dapd
Hinter dem Namen Alliance Healthcare Deutschland verbirgt sich der traditionsreiche Frankfurter Pharmahändler Anzag (Andreae-Noris Zahn AG), der 2012 von der britischen Drogeriekette Alliance Boots übernommen wurde. 2013 firmierte Anzag um in Alliance Healthcare Deutschland. Das Unternehmen erwirtschaftete zuletzt mit mehr als 2700 Beschäftigten einen Jahresumsatz von rund vier Milliarden Euro.Bild: Alliance Healthcare Deutschland Quelle: Presse
Der Pharmahändler Sanacorp kam im Jahr 2011 mit rund 3000 Beschäftigten auf einen Jahresumsatz von etwa 3,7 Milliarden Euro. Das Unternehmen ist inzwischen eine Tochterfirma der in Italien ansässigen Sanastera Holding. Die Geschichte der Sanacorp reicht bis ins Jahr 1924 zurück, als in Esslingen eine erste Apothekergenossenschaft gegründet wurde. Aus der Fusion mehrerer dieser Genossenschaften ging schließlich 1992 die Sanacorp hervor.Bild: Sanacorp Quelle: Presse

Mehrfach haben sich 2013 Vertreter von Pharmaindustrie, Ärzten, Apotheken und Großhändlern getroffen, um Maßnahmen gegen die Lieferausfälle zu beraten. „Das Thema Rabattverträge war dabei tabu“, verrät ein Beteiligter. Schließlich sorgen die umstrittenen Kontrakte für Einsparungen von bis zu zwei Milliarden Euro im Jahr.

An anderen Vorschlägen mangelt es nicht. So schlägt CDU-Mann Hennrich eine „nationale Arzneimittelreserve“ vor: „Bisher muss der Großhandel für zwei Wochen lieferfähig sein. Der Zeitraum sollte auf sechs Wochen ausgedehnt werden.“

Die Klinik-Organisation DKG sieht vor allem die Pharmaunternehmen in der Pflicht, für eine „ausreichende Vorhaltung“ lebenswichtiger Präparate zu sorgen. Doch dagegen wehren sich die Lobbyverbände der Hersteller: In Zeiten von ständig sinkenden Preisen, Rabattverträgen und staatlichen Eingriffen könnten ihnen nicht immer neue kostenträchtige Pflichten auferlegt werden.

Das Einzige, worauf sich alle Beteiligten bisher einigen konnten, ist eine Liste nicht lieferbarer Präparate. Seit April 2013 ist auf der Web-Site der Arznei-Prüfbehörde BfArM öffentlich einsehbar, wo der Nachschub stockt oder zum Erliegen gekommen ist. Die Meldungen der Hersteller sind freiwillig, obwohl die DKG für eine Meldepflicht plädiert hatte. Mitte Februar fanden sich denn auch nur ganze 15 Präparate auf der Liste, die den Ärzten als Frühwarnsystem dienen soll.

Eine freiwillige Liste über knappe Wirkstoffe löse die Probleme jedoch nicht, findet CDU-Mann Hennrich: „Im Gegenteil, wenn ein Hersteller ein Produkt dort listet, kommt es zum Hamstereffekt, weil sich alle noch eindecken wollen.“ Eine weitere Liste mit besonders versorgungskritischen Medikamenten soll bald folgen.

Mehr dürfte erst mal nicht passieren. Das Bundesgesundheitsministerium wartet ab; Neuminister Hermann Gröhe (CDU) möchte sich nicht äußern. Lieferengpässe seien noch keine Versorgungsengpässe, argumentieren seine Beamten.

Die Wirklichkeit in Kliniken und Apotheken ändert das nicht. So klagt der Leipziger Krankenhausapotheker Frontini: „Wir haben hier mindestens einmal pro Woche mit einem Lieferausfall zu kämpfen.“

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