Pharmaindustrie Viagra-Hersteller Pfizer greift an

Mit seinem unerwünschten Angebot für den britischen Rivalen AstraZeneca will der US-Konzern dessen innovative Krebsmedikamente ergattern und einen Batzen Steuern sparen.

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Wer in der Pharmabranche wen übernehmen will
Die Pharmaindustrie steckt im Übernahmefieber. Die Meldungen über Megadeals häufen sich. Ein Überblick über die wichtigsten Pläne in der Pharmabranche. AbbVie und ShireDer US-Pharmakonzern AbbVie hat im Juli die Übernahme des britischen Rivalen Shire für umgerechnet rund 40 Milliarden Euro angekündigt. Damit wird der Medikamentenbestand deutlich ausgebaut. Zudem soll der Zusammenschluss signifikante Steuervorteile bringen. Quelle: REUTERS
Durch den Kauf von Shire, unter anderem Hersteller von Medikamenten gegen ADHS, erweitert AbbVie sein Produktportfolio deutlich. Größter Umsatzbringer des US-Konzerns ist bislang das Rheumamittel Humira. Quelle: REUTERS
Bayer und MerckDer Dax-Konzern baut sein Geschäft mit rezeptfreien Medikamenten aus. Da passte es gut, dass US-Konzern Merck & Co seine entsprechende Sparte zum Verkauf feil geboten hat. Für rund 14 Milliarden Dollar (etwa zehn Milliarden Euro) hat Bayer den Zuschlag für die Sparte bekommen und dabei den britischen Konkurrenten Reckitt Benckiser ausgestochen. Quelle: REUTERS
Die ehemalige Merck-Sparte stellt unter anderem Dr. Scholl's-Fußpflegeprodukte, Sonnencremes der Marke Coppertone und das Allergiemittel Claritin her und kam 2013 auf Umsätze von etwa 1,9 Milliarden Dollar. Quelle: dpa
Novartis und Glaxo-Smithkline und Eli LillyEin großes Tauschgeschäft haben Novartis und Glaxo-Smithkline eingefädelt. Am 22. April gaben die beiden Konzerne bekannt, jeweils eine Sparte voneinander zu übernehmen. Der Schweizer Pharmariese Novartis kauft für 14,5 Milliarden Dollar der britischen Glaxo-Smithkline das Geschäft mit Krebsmedikamenten ab. Im Gegenzug erhält Glaxo für 7,1 Milliarden Dollar die Impfsparte von Novartis. Quelle: AP
Mit im Paket des großen Pharma-Deals: ein Gemeinschaftsunternehmen für rezeptfreie Medikamente. Glaxo hält daran die Mehrheit, Novartis lediglich 36,5 Prozent. Das Joint Venture wird zu einem bedeutenden internationalen Spieler bei nicht verschreibungspflichtigen Mitteln. Im Rahmen des Novartis-Konzernumbaus wird noch eine weitere Firma an der Vereinbarung beteiligt. Der US-Konzern Eli Lilly kauft den Schweizern für 5,4 Milliarden Dollar den Bereich Tiergesundheit ab. Quelle: REUTERS
Mylan und MedaAuch der US-Konzern Mylan ist auf Übernahmekurs. Der Generikahersteller hat Branchenkreisen zufolge den schwedischen Arzneimittelhersteller Meda ins Visier genommen. Rund neun Milliarden Euro soll Mylan die Übernahme wert sein. Doch es gibt ein Problem. Quelle: REUTERS

"Großbritanniens Zukunft liegt nicht darin, eine Steueroase zu sein" donnerte der britische Wirtschaftsminister Vince Cable im Unterhaus und drohte dann an, er werde die Motive des US-Pharmariesen Pfizer überprüfen lassen. Der Viagra-Hersteller will seinen britischen Konkurrenten AstraZeneca schlucken - Kritiker meinen, das habe in erster Linie steuerliche Gründe. Der US-Konzern hat bereits zwei milliardenschwere inoffizielle Angebote für seinen britisch-schwedischen Rivalen gemacht, er will AstraZeneca für rund 106 Milliarden Dollar (63 Milliarden Pfund) kaufen.

Die Transaktion wäre die bisher größte Übernahme in der Pharmabranche und der teuerste Kauf eines ausländischen Konzerns auf den britischen Inseln. Bis 26. Mai hat Pfizer aufgrund des britischen Wettbewerbsrechts nun Zeit, eine offizielle Offerte abzugeben. Ist diese Frist verstrichen, muss der US-Multi sechs Monate stillhalten, bevor er erneut angreifen kann. Für Pfizer ist AstraZeneca attraktiv, weil es neuartige Krebsmedikamente entwickelt hat, die Alternativen zu den traditionellen Behandlungsmethoden der Chemo- und Radiotherapie bieten. Seine Mittel für die Krebs-Immuntherapie gelten als vielversprechend. Mindestens ebenso wichtig aber ist für die Amerikaner jedoch die Aussicht, nach einer Übernahme kräftig Steuern sparen zu können.

Die Auslandstöchter des US-Multis Pfizer haben dem Vernehmen nämlich Barreserven in Höhe von 70 Milliarden Dollar angehäuft, auf die bei einer Repatriierung in die die USA hohe Steuern anfallen würden. Während die Körperschaftssteuer in Pfizers Heimatland USA auf Bundesebene 35 Prozent beträgt  haben die Briten ihre Unternehmenssteuern in den letzten Jahren stufenweise auf mittlerweile nur noch 21 Prozent gesenkt, nächstes Jahr werden es sogar nur noch 20 Prozent sein.

So dürfte es kein Zufall sein, dass der US-Riese den Firmensitz nach einer erfolgreichen Übernahme von AstraZeneca ins Vereinigte Königreich verlegen will, obwohl das Topmanagement auch künftig in New York bleiben soll. Dafür spricht außerdem noch ein weiteres Steuerbonbon: seit diesem Jahr können Unternehmen in Großbritannien die sogenannte "Patent Box" nutzen -  damit werden Gewinne aus Patenten erheblich günstiger versteuert als bisher: die entsprechenden Abgaben werden bis 2017 schrittweise von 23 auf 10 Prozent gesenkt.

Für Pharmakonzerne, die traditionell hohe Ausgaben für Forschung und Entwicklung haben ist das Modell attraktiv. Auch ausländische Unternehmen können davon profitieren, indem sie Patente auf ihre britischen Töchter übertragen und dann Gewinne nach Großbritannien umleiten. US-Multis sind bekanntlich sehr kreativ wenn es darum geht, Steuerschlupflöcher in europäischen Staaten zu nutzen, wie  Starbucks, Apple, Google und Amazon in der Vergangenheit bewiesen haben. Vor allem Irland mit seiner Niedrigsteuer von 12,5 Prozent ist dafür ein beliebter Standort.

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