Pharmakonzerne Angriff auf die Medikamentenpreise

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Dinner mit Start-ups

Abendtermin in San Francisco, ein Dinner mit Start-ups steht auf dem Programm. An zwei Tischreihen drängen sich Merck-Vorstände und Gründer. Oschmann hat die Krawatte abgelegt, mit rosa Hemd und Einstecktuch fällt der 59-Jährige in der Menge trotzdem auf. Vielen muss er erst erklären, wer er überhaupt ist. Amerikaner denken bei Merck oft nur an den gleichnamigen US-Konkurrenten, auch wenn die Darmstädter in den USA rund 10.000 Mitarbeiter haben. Der Konzern erwirtschaftet hier ein Viertel des Umsatzes von 13 Milliarden Euro.

Verglichen mit anderen deutschen Konkurrenten, ist das wenig. Bei Fresenius Medical Care (FMC) etwa, dem Weltmarktführer für Dialyse, stammen rund 70 Prozent der Umsätze aus den USA. Zuletzt geriet der Aktienkurs unter Druck, weil unklar ist, ob eine Wohltätigkeitsorganisation amerikanischen Patienten weiterhin Zuschüsse für die Dialyse zahlen darf. Sollten diese wegfallen, müssten einige Nierenkranke Abstriche bei der Versorgung machen, und FMC erhielte entsprechend weniger Geld. Der Konzern kämpft deswegen nun vor Gericht.

Der Fall zeigt, wie abhängig deutsche Pharmakonzerne von der US-Politik sind. Das gilt auch für Bayer und Boehringer Ingelheim. Bei beiden Konzernen ist das US-Geschäft noch bedeutender als bei Merck, beide haben die Preise für ihre Mittel in den vergangenen Jahren kräftig erhöht.

Für Merck-Chef Oschmann ist es ein schwacher Trost, dass Trumps Angriff die Wettbewerber vermutlich noch härter treffen wird als ihn. Denn ausgerechnet mit Avelumab gerät er in Trumps Fokus. Krebsmedikamente sind besonders teuer, neue Therapien kosten im Jahr schon mal über 100.000 Dollar. Zu Recht, findet Oschmann. Die Forschung ist teuer, die Krebsimmuntherapie gilt als medizinischer Fortschritt. Das müsse auch bezahlt werden, meint der Merck-Chef.

Wie viel er für Avelumab nun tatsächlich verlangen kann, lässt sich kaum abschätzen. Preise deckeln wird Trump wohl nicht, den staatlichen Versicherungen aber will er mehr Verhandlungsmacht einräumen. Das würde sich auf die Profite der Pharmakonzerne durchschlagen, die ihre Preise nicht mehr so frei bestimmen könnten.

Schon verpflichten sich die ersten Pharmakonzerne selbst zum Maßhalten. Abbvie, Allergan und die Dänen Novo Nordisk haben öffentlich versprochen, dass sie ihre Preise in diesem Jahr um höchstens zehn Prozent steigern. Deutsche Konzerne halten sich mit solchen Ankündigungen noch zurück.

Oschmann steigt in den Bus, es war ein langer Tag. Auf der Rückfahrt zu seinem Hotel spricht er lieber über Start-ups als über Politik. Schon am nächsten Morgen sitzt er mit einer Runde von Journalisten zusammen, und wieder kommt die Frage auf: Sind Medikamente zu teuer, was bedeutet Trumps Attacke?

Mittlerweile habe er Übung, die Fragen zu beantworten, sagt er und lacht. Dann blickt Oschmann seinen Gesprächspartnern direkt in die Augen. „Wir müssen abwarten.“ Es überrasche ihn, dass sich 99 Prozent der Diskussion um Medikamente drehe. Dabei sei das gar nicht das einzige Problem. Nur 17 Prozent der gesamten Gesundheitsausgaben entfallen auf verschreibungspflichtige Arzneien, so das Ergebnis einer Studie der US-Gesundheitsbehörden. Oschmann zitiert sie gerne. Das Argument überzeugt ihn. Für Trump dürfte es kaum reichen.

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