Photovoltaikindustrie ohne Solarworld Neuanfang im Reich der Sonnenfinsternis

Die Pleite von Solarworld ist ein herber Schlag für die deutsche Solarindustrie. Für Firmen wie SMA Solar, Sonnen oder Solarwatt markiert die Insolvenz aber auch eine Zeitenwende – hin zu einem Leben ohne Subventionen.

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Die deutsche Solarbranche muss sich aus der Abhängigkeit von Subventionen befreien. Quelle: dpa

Düsseldorf Die Insolvenz von Solarworld trifft die deutsche Photovoltaikindustrie schwer. Tausende Mitarbeiter bangen um ihre Jobs, Kunden um Geld und Zulieferer ebenso wie Forschungsinstitute um Aufträge. Kurzum: Die ohnehin angeschlagene Branche, in der seit 2010 mehr als hunderttausend Arbeitsplätze verloren gingen, wird noch einmal heftig durchgeschüttelt. Doch der Untergang von Deutschlands größtem Hersteller von Photovoltaikpaneelen stellt für die Branche auch die Chance für einen Neuanfang dar. Die letzten Überlebenden der heimischen Solarindustrie propagieren nun eine Zeitenwende.

„Bis jetzt wurde in Deutschland mit vielen Subventionen der Aufbau von Hardware, von Solaranalgen erschaffen. Wir haben dabei eine Industrie aufgebaut, die zu hundert Prozent von Subventionen abhängig war“, sagte Philipp Schröder dem Handelsblatt. Der Geschäftsführer von Sonnen, Deutschlands größtem Hersteller von Batteriespeichern, in denen sich Sonnenstrom puffern lässt, hält die Förderpolitik der Bundesregierung zwar prinzipiell für richtig, da so aus dem Nichts eine neue Industrie entstanden ist. Gleichwohl müsse die Branche aber jetzt eine Transformation vollziehen und Geschäftsmodelle etablieren, die auch ohne Subventionen funktionieren.

„Die Insolvenz von Solarworld ist bitter, markiert aber genau diese Wende. Das ist der Abschluss einer Korrektur – weg von Subventionen hin zu Servicelösungen und der cleveren Steuerung von Energieflüssen“, erklärt Schröder. Mit Sonnen attackiert der einstige Deutschland-Statthalter des US-Autobauers Tesla gerade die heimische Energieversorgergilde um Eon und Innogy.

Schröder will innerhalb der nächsten Jahre 27 Millionen Haushalte in Deutschland mit Batteriespeichern ausstatten und in einem Netzwerk mit Grünstromanlagen bündeln. Wenn im Strommarkt Überkapazitäten bestehen, will er die Energie puffern und Geld damit verdienen, den Strom dann weiterzuverkaufen, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind kaum weht. Der Clou dabei: Wer Teil dieses Sonnen-Netzwerks wird, zahlt monatlich eine Flatrate von 19,90 Euro für seinen Strom – egal, wie viel er tatsächlich verbraucht. Ein Geschäftsmodell, das sich ohne Förderungen rechnen soll.

SMA Solar, Deutschlands größter verbliebender Photovoltaikkonzern, grenzt sich ebenfalls klar von Solarworld ab. Vorstandschef Pierre-Pascal Urbon betont auf Handelsblatt-Anfrage, dass sein Konzern kein „leicht zu kopierendes Massenprodukt“ wie Solarmodule herstelle, sondern Wechselrichter, die Sonnenstrom vom Hausdach in netztauglichen Strom für die Steckdose umwandeln. Die Wechselrichter-Branche sie dabei „technologiegetrieben“, so Urbon.

„In den kommenden Jahren wird es darauf ankommen, dass man die Photovoltaik intelligent mit den Sektoren Heizung, Klima und Lüftung sowie Speicher und Elektromobilität verknüpft“, erklärt der SMA-Chef. Urbon will die Ökofirma mit Sitz in Niestetal bei Kassel von einem Hardwarehersteller zu einem datengetriebenen Energiedienstleister umbauen.

Noch in diesem Jahr will SMA eine Anwendung auf den Markt bringen, die es ermöglicht, die Energieflüsse in Echtzeit darzustellen. Dann soll ein Produkt folgen, mit dem sich die Energieflüsse automatisch steuern lassen und Strom-, Wärme- und Mobilitätssektor intelligent miteinander vernetzt werden. Die Digitalisierung biete dabei „innovativen Unternehmen wie SMA viele neue Chancen“, so Urbon.

Auf intelligente Energiesysteme statt austauschbarer Massenware schwört auch Detlef Neuhaus. Der Chef des Dresdener Solarmodulherstellers Solarwatt weigert sich schon länger, die Firmenstrategie danach auszurichten, in welchem Land es die höchsten Subventionen für Solarstrom gibt. „Solarwatt hat schon vor einigen Jahren einen Strategiewechsel weg vom ruinösen Massenmodulmarkt und rein förderungsgetriebenen Verkauf hin zu Photovoltaik-Systemen für Eigenheime und Gewerbe vollzogen“, erklärt Neuhaus. Die Insolvenz von Solarworld sei zwar eine „traurige Nachricht“, aber das heiße nicht, dass die „deutsche Solarindustrie am Ende ist“, so Neuhaus.

Auch Carsten Körnig, Geschäftsführer des Bundesverbands Solarwirtschaft, ist überzeugt, dass die Energiewende ohne Solarworld weitergeht. „Deutschland verfügt weiterhin über erfolgreiche Unternehmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette, vom Rohstoff Silizium über den Maschinen- und Anlagenbau über die Systemtechnik bis hin zu den Batteriespeichern“, erklärt Körnig.

Wenn der heimischen Solarindustrie die Transformation hin zu Geschäftsmodellen gelingt, bei denen Energieflüsse smart gesteuert werden, glaubt Sonnen-Geschäftsführer Philipp Schröder gar, dass „wieder Tausende Jobs entstehen“ könnten. Im Gegensatz zu früher werden diese Arbeitsplätze auch „nachhaltiger“ sein, hofft Schröder. Denn diese kommen dann ja „zum großen Teil ohne Subventionen aus“.

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