
Düsseldorf Blickt man auf die Finanzmärkte, dann scheint Italien, Portugal und womöglich Spanien dasselbe Schicksal wie Griechenland zu drohen. Diesen Verdacht nähren die steigenden Zinsen für Staatsanleihen der verschuldeten Länder. Doch die Firmenbilanzen belegen: Die großen Konzerne in den Krisenländern trotzen der schwachen Wirtschaft in ihrer Heimat.
Die 60 deutschen Firmen im für Europa aussagekräftigsten Börsenindex Stoxx 600, der 600 Konzerne umfasst, dürften im laufenden Jahr unter dem Strich 81 Milliarden Euro verdienen. Das sind neun Milliarden Euro mehr als 2010 – und so viel wie noch nie. Im Durchschnitt verdient jeder Konzern damit 1,3 Milliarden Euro.
Darauf deuten die bisherigen Quartals- und Halbjahresergebnisse, die Prognosen der Firmenvorstände und die der Analysten hin, wie sie bei Datenspezialisten wie Factset und Bloomberg zusammenlaufen. Gewinnkönig ist VW. Die Wolfsburger werden nach jetzigem Stand 11,6 Milliarden Euro einstreichen.
Doch auch die spanischen, italienischen, irischen und portugiesischen Konzerne haben sich erfolgreich aus der Rezession 2009 befreit – und erwirtschaften in diesem Jahr hohe Gewinne, oftmals sogar Milliarden- und Rekordgewinne. Während Spaniens Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr allenfalls noch um ein Dreiviertelprozent zulegen wird und das Land nur knapp an einer Rezession vorbeikommt, strotzen die Konzerne vor Kraft. Alle 32 der im Stoxx 600 notierten spanischen Firmen sind 2011 profitabel. Das gab es noch nie. Im Durchschnitt verdient jeder Konzern 1,5 Milliarden Euro – und damit noch mehr als die deutschen Firmen. Die höchsten Gewinne werden die Banco Santander mit 7,7 Milliarden Euro und Europas renditestärkste Telekomgesellschaft Telefónica mit 7,2 Milliarden Euro bilanzieren.
„Die Schuldenkrise kommt bei den Unternehmen in den Krisenländern bislang nicht an“, sagt der Chefvolkswirt der Hamburger Privatbank M.M. Warburg, Carsten Klude. Grund dafür ist die enorme Exportstärke der Firmen und ihre geringe Abhängigkeit vom Heimatmarkt.
Die großen spanischen Unternehmen erwirtschaften knapp zwei Drittel ihrer Umsätze im Ausland – so hoch ist auch die Quote in Deutschland. Während hierzulande die Firmen vor allem vom Boom in Asien profitieren, sind die spanischen Firmen in den florierenden Ländern Südamerikas stark. In Lateinamerika hat Telefónica die größten Marktanteile.
Die spanische Firmenwelt sticht aber auch mit einem ganz besonderen Vorteil heraus: Anders als in Deutschland und allen anderen Staaten der Euro-Zone sind die Gewinne viel verlässlicher und damit besser kalkulierbar. Ursache sind die vielen für Konjunkturschwankungen unempfindlichen Konzerne, die nicht nur im Boom, sondern auch in der Krise stabile Erträge erwirtschaften: beispielsweise die Versorger Repsol, Iberdrola, Gas Natural und Endesa. Sie werden im laufenden Jahr jeweils mehr als eine Milliarde Euro verdienen. Insgesamt waren die Nettogewinne der spanischen Firmen im Rezessionsjahr 2009 im Schnitt nur um 3,9 Prozent gegenüber 2008 gesunken. Die der Deutschen waren um 20 Prozent eingebrochen.
Vor Kraft strotzende Unternehmen
Auch die 29 italienischen Konzerne im Stoxx 600 sind alle profitabel. Während die konjunkturellen Frühindikatoren Italien am Rande einer Rezession zeigen, werden nach den bisherigen Halbjahresergebnissen und Prognosen für die restlichen Wochen des Geschäftsjahrs 2011 gleich acht Konzerne mehr als eine Milliarde Euro verdienen, darunter der Autobauer Fiat und Telecom Italia. Die Energiekonzerne Enel und Eni dürften einen Nettogewinn von zusammen zwölf Milliarden Euro einfahren.
Ähnlich robust ist das Bild in Portugal. Während die Finanzmärkte das kleine Land aufgrund seiner hohen Staatsverschuldung schon als nächsten Ausfallkandidaten identifiziert haben und dies mit auf über 15 Prozent gestiegenen Zinsen für Staatsanleihen signalisieren, strotzen die Firmen vor Kraft.
Der teilstaatliche Stromversorger EDP, an dessen Anteilen Deutschlands Eon interessiert ist, dürfte im laufenden Jahr mehr als eine Milliarde Euro verdienen – und damit den Rekordgewinn von 1,08 Milliarden Euro aus dem Vorjahr übertreffen. Das weltweit drittgrößte Windenergie-Unternehmen betreibt Windparks in Südwesteuropa und Amerika und gilt angesichts seiner starken Stellung bei den alternativen Energien als Perle unter den Energieversorgern.
In Irland schaffen es die Unternehmen besser als anderswo, in wirtschaftlich schwachen Jahren die Umsätze rasch herunterzufahren. So verhindern die Firmen in Krisenzeiten wie 2009 größere Verluste. In dem nach Ausbruch der Bankenkrise 2008 als erstes von den Finanzmärkten abgeschnittenen Land dominieren exportstarke Unternehmen wie die Fluggesellschaft Ryanair, der Baustoffriese CRH und der Nahrungsmittelhersteller Kerry. Sie erwirtschaften kaum zehn Prozent ihrer Umsätze auf dem Heimatmarkt, wo die Wirtschaft nur stagniert. Die Kerry Group ist mit ihrer weltweit bekannten Butter und anderen Produkten in 140 Ländern präsent.
„Konzerne wie Ryanair haben im Prinzip nur ihre Zentrale in Irland und profitieren von der robusten Weltwirtschaft“, sagt Chefvolkswirt Klude. Nachdem die irischen Firmen bereits im vergangenen Jahr ihre Nettogewinne um 39 Prozent gesteigert haben, dürften sie im laufenden Jahr noch einmal um ein Fünftel zulegen. Solch eine Dynamik erreichen europaweit nur die Deutschen.
Einen negativen Ausreißer unter den Krisenländern gibt es aber. Nur sieben der 600 größten europäischen Unternehmen sind griechisch. Den drei Finanzinstituten Piräus Bank, National Bank und Alpha Bank ist gemeinsam, dass sie auch in diesem Jahr tiefrote Zahlen bilanzieren. Die vier übrigen Firmen – der Glücksspielanbieter Opap, der Getränkeabfüller Hellenic Bottling, die teilverstaatlichte Telekomgesellschaft OTE und der staatliche Versorger Public Power – sind zwar nach Ablauf der ersten drei Quartale profitabel. Doch eine große Zukunft versprechen diese Branchen der geschlagenen griechischen Volkswirtschaft kaum.