Plastikmüll Wie die Müllmafia so mächtig werden konnte

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Plastikrecycling ist teuer – und Öl billig

Die Müllmafia, schreibt Interpol in seinem Bericht, „hat die Markttransformation ausgenutzt, um kriminelles Geschäft in den Ländern aufzubauen, die anfällig gegenüber Abfallmissmanagement sind.“

Erst nach Monaten schaffte es die malaysische Regierung, dagegen vorzugehen. Sie setzte den Import zeitweise aus, schloss 170 illegale Fabriken, startete rund 80 Ermittlungsverfahren gegen illegalen Müllhandel – und bekam die Probleme so langsam wieder in den Griff. Auch andere Länder haben mittlerweile strengere Gesetze und Kontrollen eingeführt. „Wir brauchen eine stärkere Verfolgung und stärkere Bestrafung für illegale Abfallverbringung“, fordert deshalb auch BDE-Präsident Kurth.

Nur lösen diese Maßnahmen ein Grundproblem nicht: Plastikrecycling lohnt sich nicht. Altpapier und Altglas sind gefragte Rohstoffe, für die Unternehmen zahlen. Der Recyclingprozess ist einfach, die daraus hergestellten Produkte haben keine qualitativen Abstriche.

Bei Plastikmüll ist das anders. Erstens, weil Plastikmüll selten sortenrein und sauber ist. Schon im Supermarkt sind die Erdbeeren in der PET-Schale oft mit einer HDPE-Folie umwickelt. Recycler aber brauchen beide Stoffe getrennt, um daraus neues PET und neue Folien herstellen zu können. Das Plastik muss also sortiert werden. Auch Schmutz kann die Recyclingqualität beeinträchtigen. Die recycelten Kunststoffe reichen deshalb oft qualitativ nicht an das Plastik aus Rohöl heran.

Vor allem aber sind die Kosten für das Recycling zu hoch. Gewerbeabfälle – zum Beispiel Produktionsreste – sind zwar oft sortenrein. Aber selbst, wenn sie sich gut recyceln lassen, heißt das nicht, dass sich das auch wirtschaftlich lohnt. „Öl ist eben leider oft halb so teuer wie Kunststoffrecyclate“, sagt BDE-Präsident Kurth. Und wenn mehr Menschen Elektroautos kaufen und deshalb die Nachfrage nach Benzin sinkt, könnte das den Preis noch weiter belasten. „Wir rechnen damit, dass der Ölpreis auch dauerhaft eher weiter runtergeht“, sagt Kurth.

von Jacqueline Goebel, Henryk Hielscher

Das Recycling von Plastik hat noch ein zusätzliches Problem: Dabei entstehen giftige Reststoffe, die sich nicht verarbeiten lassen. In Deutschland werden die zum Beispiel zu hohen Kosten unterirdisch in alten Salzstollen gelagert. Aber im Ausland? Oft lässt sich das nicht kontrollieren.

Die Politik will dem nun mit neuen Regeln entgegenwirken. So diskutieren die Regierungen international über eine Überarbeitung des Baseler Übereinkommens, das den internationalen Handel mit Abfällen regelt. Zukünftig sollen Exporteure von gefährlichen Plastikabfällen eine Zustimmung des Importlandes benötigen. Außerdem diskutiere die Kommission darüber, ob auch Zertifikate der behandelnden Anlagen im Ausland nötig sein sollen, sagt BDE-Präsident Kurth.

Und in Deutschland gelten neue Recyclingquoten: Sie schreiben vor, dass in Deutschland 65 Prozent des Verpackungsmülls stofflich recycelt werden muss – also für neue Produkte wiederverwendet werden soll.


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Nur funktioniere das nicht, solange es keine Regeln gebe, die den Produzenten vorschreibe, dass auch sie Recyclate einsetzen müssen, sagt Kurth. Sonst könnten die weiter auf das billigere Öl ausweichen. „Ohne Mindesteinsatzquote wird es nicht gehen.“

Immerhin einen Anfang hat der Bundestag nun gemacht: Gerade hat er Einwegbesteck und Strohhalme aus Plastik verboten. In dem Gesetzespaket ist auch eine weitere Regelung enthalten: Danach muss der Bund bei seinen eigenen Einkäufen und Ausschreibungen nun Produkte mit Recyclaten bevorzugen.

Ob das die Zahlen auf Kurths Folien beeinflussen kann, bleibt abzuwarten.

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