Preismoratorium für Arzneimittel „Das Gesetz gefährdet die Versorgung von Patienten“

Quelle: dpa Picture-Alliance

Der Bundestag entscheidet Donnerstag über ein Gesetz, das Arzneihersteller stärker zur Kasse bitten soll. Bei den Preisen will Minister Lauterbach die Hersteller einschränken. Die wehren sich – mit guten Argumenten.

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Schon der Name ärgert Sabine Nikolaus, die deutsche Landeschefin des Pharmakonzerns Boehringer Ingelheim: GKV-Finanzstabilisierungsgesetz. „Es ist nicht so, dass dieses Gesetz irgendwas stabilisiert. Es stopft vielmehr ein Haushaltsloch“, erklärte Nikolaus vor wenigen Wochen auf einer Branchenveranstaltung in Berlin. 

Mit dem Gesetz, das an diesem Donnerstag im Bundestag debattiert wird, will Gesundheitsminister Karl Lauterbach das für 2023 erwartete 17-Milliarden-Euro-Defizit der Krankenkassen ausgleichen. Vorgesehen ist ein weiteres Preismoratorium für Arzneimittel bis Ende 2026. Der Zwangsrabatt, den die Hersteller den Kassen einräumen müssen, soll erhöht werden. Nur noch sechs Monate nach Einführung – statt bisher ein Jahr – sollen Hersteller ihre Preise frei festlegen können. Geplant sind auch Preisobergrenzen und -abschläge. Weitere Sparmaßnahmen betreffen Apotheker und Ärzte.

„Entmutigung für Investitionen“

Das Gesetz sieht etwa vor, dass die Hersteller für Schrittinnovationen - kleine Fortschritte in der Behandlung - keine höheren Preise mehr verlangen dürfen. Boehringer-Chefin Nikolaus hält das für falsch und nennt als Beispiel den Erfolg der HIV-Therapien: „Hier ist es durch Schrittinnovationen gelungen, dass sich HIV über Jahre hinweg von einer tödlichen Erkrankung zu einer chronischen Krankheit mit langen Überlebenschancen entwickelt hat.“

Für Kombinationstherapien mit mehreren Medikamenten, wie sie etwa bei der Behandlung von Krebs üblich sind, sollen Preisabschläge gelten. Nikolaus sieht den Gesetzentwurf als „Entmutigung für Investitionen in Deutschland“.

Nicht nur deutsche Unternehmen wie Boehringer, sondern auch internationale Konzerne laufen Sturm gegen die Pläne von Minister Lauterbach. Die Deutschlandchefs von Novartis, Bristol-Myers Squibb und MSD, der Tochter des US-Konzerns Merck & Co., fordern einmütig, das Gesetz nicht zu verabschieden und stattdessen einen Innovationsgipfel bei der Bundesregierung abzuhalten.

„Das Gesetz in dieser Form muss gestoppt werden“, sagt Neil Archer, Deutschland-Chef des US-Konzerns Bristol Myers Squibb. Archer hält durchaus große Stücke auf den Standort Deutschland. Für Standort spreche etwa die hohe Zahl gut qualifizierter Arbeitskräfte. Auch sei Deutschland, im Gegensatz zu angrenzenden Ländern wie Polen, gut mit innovativen Medikamenten versorgt. „Ich würde es bedauern, wenn sich das ändert. Durch das neue Gesetz kann genau das passieren“, so Archer.

Pharma spart 21 Milliarden Euro ein

Derzeit gefährde das geplante Gesetz die Versorgung von Patienten, sagt Chantal Friebertshäuser, Chefin von MSD: „Schrittinnovationen, die die Überlebenszeit von Patienten steigern, werden bei der Preisfestsetzung nicht mehr honoriert. Wir müssen uns die Frage stellen, ob wir innovative Medikamente noch wie bisher auf den Markt bringen können.“ Im Jahr 2021 habe die Pharmaindustrie durch gesetzlich vorgeschriebene Rabatte und Festbeträge in Höhe von 21 Milliarden Euro für massive Einsparungen im Gesundheitswesen gesorgt, so Friebertshäuser.

Novartis würde zwar gerne in einen neuen Standort in Deutschland investieren, so Geschäftsführer Heinrich Moisa: „Aber wenn ich das intern vorschlage, wird schnell klar, dass das geplante Gesetz Gift ist.“ Moisa verweist darauf, dass der Anteil der Arzneimittelausgaben in den vergangenen zehn Jahren konstant geblieben sei. Das neue Gesetz sehe nun ein weiteres Preismoratorium für die nächsten Jahre vor: „Wir sind damit die einzige Branche, die die höheren Kosten durch die Inflation per Gesetz nicht weitergeben darf.“  Zwar solle die Pharmaindustrie die Hauptlast an dem neuen Gesetz schultern, stehe aber insgesamt gerade mal für zwölf Prozent der Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung.

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Neben den Herstellern kritisieren auch medizinische Fachgesellschaften das geplante Gesetz. Sie fürchten ebenfalls, dass dadurch der Zugang von chronisch kranken Menschen zu neuen Arzneimitteln erschwert werden könnte.   

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