Fehler bei der Einschätzung der Komplexität der Projekte in der Nordsee räumt nun auch der Siemens-Vorstand ein. Vielleicht hätte man statt vier Windparks zunächst besser einen oder zwei Parks gemacht, heißt es. Die so gewonnenen Erfahrungen hätte man dann für spätere Projekte nutzen können. Den betroffenen Arbeitnehmern nützt die späte Einsicht wenig. Der erste hochrangige Kopf rollte bereits. Der zuständige Manager Udo Niehage wird abgelöst. Neuer Leiter der Stromübertragungssparte mit einem Jahresumsatz von mehr als sechs Milliarden Euro wird ab 1. Mai Karlheinz-Springer. Er stammt aus der Kraftwerkssparte. Niehage geht in der Berliner Verbindungsbüro und wird den Dialog zur Energiewende mit Politik und Verbänden weiterführen.
Löscher – ein Fan der Energiewende
Siemens-Chef Löscher war einer der ersten Vertreter der Industrie, der die Energiewende befürwortete. „Die Energiewende wird ein Erfolg“, ließ er auf ganzseitige Anzeigen in allen großen deutschen Tageszeitungen drucken. Das Projekt werde – auch bei unübersehbaren Problemen in der Umsetzung – gelingen. „Wenn wir die passenden Antworten geben. Heute.“
Man hat den Eindruck, dass Löscher bis heute einige Antworten zu fehlen scheinen. Etwa auf das Problem, das Niehage den Job kostete. Wie soll der Strom, der auf hoher See gewonnen wird, seinen Weg ans Festland finden und wie soll er von dort in die ganze Republik verteilt werden? Der Ausbau der Netze kommt nur schleppend voran. Herman Albers, Präsident des Bundesverbandes Windenergie (BWE) nennt den Netzausbau gar die „Achillesferse der Energiewende“. Netzbetreiber wie Tennet, die die Windparks von RWE, E.On und Siemens mit dem Festland verbinden sollen, kommen nicht hinterher. Lex Hartmann, Mitglied der Geschäftsführung beim Netzbetreiber Tennet TSO, sagte kürzlich dem Handelsblatt, die Übertragungsnetzbetreiber fühlen sich mit der Energiewende finanziell überfordert. „Die Errichtung von Anschlussleitungen für Offshore-Windparks lässt sich nicht in der bisherigen Form aufrecht erhalten. Es gibt einen Tsunami von Anfragen, die wir unmöglich alle gleichzeitig abarbeiten können.“
Wo bleibt das Netz?
Netzbetreiber wie Amprion und Tennet sind gesetzlich dazu verpflichtet, die Offshore-Anlagen in ihrem Netzbereich ans Festnetz anzuschließen, doch die Vergütung für die Netzbetreiber ist gering und die nötigen Investitionen hoch. Hartmann: „Tennet in Deutschland hat einen Wert von einer Milliarde Euro. Wir haben aktuell Investitionsentscheidungen über 5,5 Milliarden getroffen. Es werden voraussichtlich mindestens weitere 15 Milliarden Euro auf uns zu kommen. Dieser riesige Kapitalbedarf ist kaum mehr zu bewältigen.“ Tennet, Amprion und Transet arbeiten zudem an Höchstspannungsnetzen, dem so genannten „Ultranet“. Wenn 2017 und 2019 die Meiler Philippsburg und Gundremmingen vom Netz gehen, soll das südwestdeutsche Stromnetz mit Windstrom aus dem „Ultranet“ gespeist werden. Die Kosten dafür gehen in die Milliarden.
Windkraft bleibt tragende Säule
Viele Probleme und klar ist, dass auch einer Konzernriese wie Siemens die Probleme der Energiewende nicht im Alleingang lösen kann. Er besitzt aber das nötige Kapital, um die holprige Anfangsphase relativ unbeschadet zu überstehen und natürlich hofft Löscher bei allem Sand im Getriebe letztendlich auf das große Geld. Die Windkraft ist eine tragende Säule beim Atomausstieg, bisher stammen 7,6 Prozent des deutscher Energiemix aus Windkraftanlagen – der größte Anteil der erneuerbaren Energien. Und er soll weiter wachsen. Bis 2020 will die Bundesregierung Anlagen mit einer Leistung von insgesamt zehn Gigawatt in der Nord- und Ostsee installieren lassen. Die Energiebranche will, das teilte der Branchenverband BDEW auf der Hannover Messe mit, 23 große Offshore-Anlagen bauen – bisher hat das deutsche Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie 29 Offshore-Windparks genehmigt, 25 davon speisen schon Strom ein.