Produktion wird zu teuer Bye, Bye China

Seite 2/6

Autos bauen statt Klamotten nähen

Taiwaner, Südkoreaner und Japaner sind schon da - im westlichen China, der neuen Boomregion des Landes. Doch auch ein paar deutsche, mutige Konzerne wagen den Weg in den Wilden Westen.
von Philipp Mattheis, Florian Willershausen

Jetzt will Peking lieber Autos bauen statt Klamotten nähen. Forschende Unternehmen werden gefördert, der Binnenkonsum soll gestärkt, einfache Lohnfertigung zugunsten einer Produktion mit höherer Wertschöpfung verdrängt werden. Rasant schmilzt Chinas Kostenvorteil vor allem in Massensegmenten wie dem Elektronik- oder Textilsektor dahin. Unter den Folgen leiden zuerst die Lieferanten in China selbst.

Auf dem Schreibtisch in Dian Ming Leis Büro liegt Blekviva: Die original verpackte Gardine wird bald in Ikea-Märkten weltweit erhältlich sein. Der chinesische Lohnfertiger Penndi produziert die Waren in Jiangsu nahe Shanghai. Der schwedische Einrichtungsgigant steht hier für 80 Prozent des Geschäfts. Aber das läuft schlecht, der Umsatz hat sich 2012 auf 27 Millionen Euro fast halbiert. Denn Ikea setzt verstärkt auf Waren aus billigeren Lieferländern in Südostasien oder Pakistan, bezieht zugleich aber auch Gardinen aus Bulgarien, weil sie schneller im Möbelhaus liegen. Beides ist nicht gut für Lei.

Welche Länder sich für welche Branchen als Alternativen zu China anbieten

Mehr Maschinen

Es klingt wie ein schlechter Scherz: Ein Chinese klagt über „Billigkonkurrenz aus Fernost“, an die er Ikea-Aufträge verliert. Aber Lei meint es ernst: „Die Lohnkosten sind in China in den vergangenen Jahren massiv gestiegen“, in seiner Fabrik allein 2012 um 15 Prozent. Für ihn ist der Einstiegslohn von rund 320 Euro pro Monat viel, weil Ikea die Preise drückt. „Drei Prozent mussten wir letztes Jahr billiger werden“, sagt Lei. Zudem zwang ihn Ikea, die Zahl der Überstunden zu reduzieren. In der Folge arbeiten seine Angestellten weniger, verdienen mehr, müssen aber gleichzeitig billiger produzieren.

Um dem Druck standzuhalten, hat Lei seine Belegschaft um fast die Hälfte auf 268 Arbeiter reduziert. Zum Einsatz kommen jetzt immer mehr Maschinen. „Die Automatisierung ist unsere einzige Chance, billiger zu werden und die Qualität zu verbessern.“ Wohin der Preisdruck noch führt? Lei zuckt mit den Achseln. „Es ist wie mit einem nassen Handtuch“, sagt er. „Wringt man es aus, kommt am Anfang viel Wasser, später weniger. Aber einen Tropfen kann man immer noch herauspressen.“

Welche Länder sich für welche Branchen als Alternative zu China anbieten: Myanmar, Pakistan, Tunesien, Ukraine, Vietnam (zum Vergrößern bitte anklicken).

Autoteile kommen wieder öfter aus Europa

Schmelzen die Kostenvorteile der Asiaten weiter weg, lohnt sich der monatelange Transport in Containern nicht. Schon Textilproduzenten wie Gardeur-Chef Kränzle brauchen die Ware schnell im Regal. Für die just-in-time-vernarrte Autoindustrie gilt das erst recht. „Der Trend geht zu kürzeren Lieferketten“, beobachtet Hans-Georg Scheibe, Geschäftsführer der Münchner Beratung ROI Management Consulting: „Komponenten für sein Werk in China will ein Autohersteller in China beschaffen.“

Teile für die Produktion in Europa kämen künftig stärker aus Europa, etwa der Slowakei oder Bulgarien. „Bei solchen hochwertigen Waren kommt es nicht auf jeden Cent an, sondern auf Qualität und Geschwindigkeit“, sagt Scheibe. Wenn man dies berücksichtige, sei Ostasien nicht mehr günstiger als Europa.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%