Prognose angehoben Siemens startet stark ins neue Jahr

Siemens übertrifft die Erwartungen: Umsatz, Gewinn und die Prognose zeigen deutlich nach oben. Joe Kaeser bekommt für seine „Vision 2020“ Rückenwind – und leistet sich direkt einen Zukauf für fast eine Milliarde Dollar.

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Vor allem das Kraftwerkssegment bringt Siemens nach vorne. Quelle: dpa

München Siemens-Chef Joe Kaeser kann recht entspannt in die Hauptversammlung gehen. Für die Aktionäre hat er mehrere gute Nachrichten mitgebracht: Die Ziele 2015 wurden erreicht, das erste Quartal des neuen Geschäftsjahres ist sehr gut gelaufen, und in den USA verstärkt sich der Konzern mit dem Kauf der Software-Firma CD-Adapco.

Besonders gespannt waren Anleger und Analysten diesmal auf die Zahlen für das erste Quartal des Geschäftsjahres 2015/16. Kaeser hat versprochen, dass sich der radikale Konzernumbau in diesem Jahr positiv in den Zahlen niederschlagen soll. In Sachen Wachstum will sich Siemens besser schlagen als die Konkurrenz. Leicht wird das nicht, das Umfeld ist unsicher: Nicht nur in China schwächen sich die Wachstumsraten ab, zudem leidet auch Siemens als Ausrüster der Förderer unter dem niedrigen Ölpreis.

Diese Effekte konnte der Konzern in den vergangenen Monaten zumindest gut kompensieren. Der Umsatz stieg – auch dank Zukäufen und der Wechselkurseffekte – um 8 Prozent auf 18,89 Milliarden Euro. Der Gewinn ging mit einem Plus von 42 Prozent nach oben. „Wir haben ein starkes Quartal geliefert und sind mit der Umsetzung unserer Vision 2020 auf gutem Weg“, sagte Konzernchef Joe Kaeser.

Aufgrund dieser Zahlen hat Siemens auch seine Gewinnprognose angehoben. Je Aktie rechnet das Management im Geschäftsjahr 2015/16 nun mit einem Gewinn zwischen 6 und 6,40 Euro, wie das Dax-Unternehmen bereits am Montagabend mitteilte. Bislang waren 5,90 bis 6,20 Euro geplant.

Siemens schlug sich auch gut im Vergleich mit dem Erzrivalen General Electric. Die Amerikaner sind noch stärker als Siemens im Ölgeschäft aktiv. Im Weihnachtsquartal sanken die Erlöse im Industriegeschäft bei GE um ein Prozent auf 31,4 Milliarden Dollar. Der operative Gewinn sank hier sogar um acht Prozent auf 5,52 Milliarden Dollar. Im Geschäft mit der Förderindustrie und der Petrochemie brachen Umsatz und Gewinn sogar um ein Sechstel ein.

Kaeser will mit der angesprochenen „Vision 2020“ zu den besten Konkurrenten aufschließen. Das Geschäftsjahr 2015 war dabei noch einmal ein Übergangsjahr. Dabei erreichte Siemens die wenig ambitionierten Ziele: Der Umsatz war mit einem organischen Minus von einem Prozent auf 75,6 Milliarden Euro wie versprochen stabil. Das prognostizierte Gewinnplus von mindestens 15 Prozent erreichte Siemens dank des Verkaufs von Unternehmensteilen wie der Beteiligung an Bosch Siemens Hausgeräte spielend. Der Gewinn nach Steuern stieg um ein Drittel auf 7,4 Milliarden Euro.


Fast eine Milliarde Dollar für eine Softwarefirma

Entscheidender ist da die operative Entwicklung. So lief das Kraftwerkssegment wesentlich besser als von Industrieexperten erwartet. Getragen von einem Großauftrag aus Ägypten wuchs der Auftragseingang in der Sparte um fast die Hälfte, der Umsatz kletterte um ein Viertel. Allerdings räumte Siemens einen starken Preisdruck in dem Geschäft ein, der Gewinn legte binnen Jahresfrist nur um fünf Prozent zu.

Der Auftragseingang der Zugtechnik hat sich den Angaben zufolge mehr als verdoppelt, der Gewinn des Segments stieg um ein Viertel. Die hochrentable Medizintechnik, die traditionell moderate Zuwachsraten verzeichnet, legte beim Umsatz um 15 Prozent zu, der Gewinn kletterte sogar um ein Drittel. Ausgerechnet der schwächelnde Markt China bescherte der Medizintechnik, die derzeit vom Mutterkonzern abgespalten wird, kräftige Zuwächse

Ein Zukauf bereitet den Aktionären derzeit eher Sorgen: Der US-Kompressorenhersteller Dresser-Rand, den Siemens vor anderthalb Jahren für 6,7 Milliarden Dollar übernahm, leidet unter der Investitionszurückhaltung in der Förderindustrie. Doch obwohl viele den Kaufpreis für überhöht halten ist Kaeser die Akquisitionslust nicht vergangen.

Am Abend vor der Hauptversammlung ließ er sich vom Aufsichtsrat den Kauf der US-Firma CD-Adapco genehmigen. Für 970 Millionen US-Dollar schluckt Siemens den Simulationssoftware-Anbieter. „Als Teil der Vision 2020 treibt Siemens mit der Übernahme von CD-adapco das Wachstum im digitalen Geschäft voran“, erklärte Vorstandsmitglied Klaus Helmrich am Montagabend in München. Die Übernahme soll in der zweiten Hälfte des Geschäftsjahres abgeschlossen werden. Das in Melville im Bundesstaat New York ansässige Unternehmen entwickelt Computerprogramme für Strömungssimulationen, mit denen zum Beispiel Windkanaltests im Autobau oder die Sturmbelastung von Bohrinseln simuliert werden kann.

Siemens ist schon heute der weltgrößte Anbieter von Industriesoftware. Ziel ist es, die ganze Kette – von der Entwicklung eines Produkts über die gleichzeitige Planung der Fertigung bis zur Produktion – digital zu begleiten. „Das ist ein richtiger Schritt in die richtige Richtung“, sagte Marktanalyst Heino Ruland vom Brokerhaus ICF, „CD-Adapco passt perfekt ins Portfolio.“

Auf der Hauptversammlung will Siemens auch die Weichen für die Zeit nach Gerhard Cromme stellen. Der 72-Jährige ist bis 2018 gewählt. Wer ihm nachfolgt ist noch offen. Doch verlängert die Hauptversammlung vorzeitig die Aufsichtsratsmandate von Nicola Leibinger-Kammüller, Jim Hagemann Snabe und Werner Wenning bis 2021. Dadurch solle „im Hinblick auf die nachhaltige und erfolgreiche Umsetzung der Unternehmensstrategie Vision 2020 Kontinuität“ über 2018 hinaus gesichert werden, so Siemens.

Der Verein der Belegschaftsaktionäre kritisierte „das Herausheben von drei Personen“. Es gebe keinen Grund, einzelne Aufsichtsräte vorzeitig wiederzuwählen. Der britische Pensionsfonds Hermes begrüßte das Vorgehen dagegen. Dies sei ein weiterer Schritt in der Nachfolgeplanung und sichere Stabilität und Kontinuität.

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