Proteste bei Thyssen-Krupp Rote Fahnen über Duisburg

Stahlarbeiter von Thyssen-Krupp haben für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze demonstriert. Sie wollen von Konzernchef Hiesinger mehr Klarheit über den geplanten Konzernumbau. Doch den Aderlass werden sie wohl nicht stoppen.

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Um ihre Arbeitsplätze zu kämpfen, ist für die Stahlwerker in Europas größtem Stahlstandort längst zur Routine geworden. Quelle: dpa

Duisburg Vielleicht war es das Sommerwetter, das dafür sorgte, dass die Stimmung der Stahlkocher weniger hitzig als erwartet ausfiel: Rund 7000 Mitarbeiter von Thyssen-Krupp hatten sich am Mittwochmittag auf der grünen Wiese vor der Hauptverwaltung der Stahltochter Steel Europe versammelt, um dort für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze und mehr Informationen über den anstehenden Umbau der Sparte zu demonstrieren. Über ihnen ein strahlend blauer Himmel, die Temperaturen hochsommerlich. Manch ein Demonstrant verdrückte sich möglichst schnell in den Schatten der umstehenden Gebäude.

Doch nach dem symbolträchtigen Start der Protestaktion um fünf vor Zwölf hatten die Redner vom Oberbürgermeister der Stadt bis hin zu Betriebsräten und Vertretern der IG Metall sichtlich Mühe, die Menschenmenge einigermaßen in Stimmung zu bringen. Es brauchte schon einige markige Worten, damit die über Jahre erprobten Rituale endlich griffen: Die roten Banner der IG Metall wurden geschwenkt, die Trillerpfeifen schrillten in den Ohren, Applaus brandete auf.

Denn eigentlich geht es um viel für die Stahlwerker von Thyssen-Krupp, die nicht nur aus Duisburg kamen, sondern aus allen Standorten des Konzerns angereist waren. Da sind einmal die derzeit laufenden Verhandlungen von Thyssen-Krupp mit dem Wettbewerber Tata Steel. Sollte es wirklich zu einer Allianz der beiden Stahlsparten kommen, dürfte das nicht ohne Auswirkungen auf Jobs und Standorte haben.

Die sind auch von anderer Seite gefährdet. So erklärte Konzernchef Heinrich Hiesinger Anfang Juni den Betriebsräten, dass die Stahlsparte auch unabhängig von einer möglichen Fusion mit Tata die Kosten weiter senken müsse. Stahlchef Andreas Goss soll nun bis Frühjahr 2017 eine Strategie erarbeiten, wie er in den kommenden fünf Jahren rund eine Milliarde Euro einsparen kann. Damit sollen auch steigende Personalaufwendungen in dem Zeitraum aufgefangen werden. Und da ist noch das frisch aufgelegt Programm „One Steel“, das Abläufe innerhalb der Produktion optimieren und die Kundenbeziehung verbessern soll.

Das alles schafft Verunsicherung in der Belegschaft, die sich in die Gespräche und Verhandlungen nicht ausreichend eingebunden fühlt. So zog sich an diesem Mittag die Forderung nach mehr Transparenz und zusätzlichen Fakten wie ein roter Faden durch die Reden. „Wir haben bislang keine Antworten bekommen“, klagte der stellvertretende Aufsichtsratschef und ehemalige IG Metall-Vorsitzende Detlef Wetzel. „Es liegt am Vorstand, auf die Mitarbeiter zuzugehen.“

Umfassende Informationen und eine gemeinsame Suche nach Lösungen verlangte auch Knut Giesler, Bezirksleiter der IG Metall in NRW: „Wenn es um Arbeitsplätze und Standorte geht, werden wir uns nicht auf die Ersatzbank setzen“, sagte er. „Wir wollen endlich Fakten sehen und nicht dummes Geschwätz.“

Doch um ihre Arbeitsplätze zu kämpfen, ist für die Stahlwerker in Europas größtem Stahlstandort längst zur Routine geworden. In den vergangenen 35 Jahren hat die deutsche Stahlindustrie rund 200.000 Jobs verloren, produziert wird aber immer noch annähernd die gleiche Menge von rund 43 Millionen Tonnen. Dieser Aderlass wird weitergehen: Weltweite Überkapazitäten drücken auf die Stahlpreise, die Konzerne vor allem in Europa kommen mit ihren Umbaumaßnahmen zur Senkung von Kosten und Steigerung der Effizienz kaum hinterher.

Das wissen auch die Stahlkocher, die an diesem Mittwoch für den Erhalt ihrer Jobs demonstrieren. „Es läuft doch immer aufs Gleiche hinaus“, sagt einer, der vor einem Banner mit der Parole „Ob Tata oder TKSE – Stahlarbeiter kämpfen international um jeden Arbeitsplatz“ geschrieben steht. „Da wird hinter verschlossenen Türen verhandelt und wir sind immer die Letzten, die was erfahren.“

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