Proteste bei Thyssen-Krupp Rote Fahnen und ein schwarzer Sarg

Thyssen-Krupp plant einen Umbau seines Stahlgeschäfts. Das löst bei der Belegschaft große Ängste aus: 7500 Stahlkocher gingen heute in Duisburg gegen die Pläne von Konzernchef Heinrich Hiesinger auf die Straße.

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Stahlarbeiter tragen in Duisburg einen symbolischen Sarg auf eine Bühne. Wegen der Ankündigung eines Sparprogramms befürchten Stahlkocher Einschnitte und die Schließung des Werks Hüttenheim. Quelle: dpa

Duisburg Mehr Symbolik geht kaum: Vier schwarz gekleidete Gestalten schleppen unter martialischen Glockenschlägen einen schwarzen Sarg auf die Bühne. „Hüttenheim braucht Zukunft“ ist auf diesem zu lesen, als er von seinen Trägern aufgerichtet wird – unter lautstarkem Beifall der rund 7500 versammelten Stahlarbeiter, die rote Fahnen schwenkend und mit Trillerpfeifen an diesem Mittwochmittag für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze demonstrieren. Denn sie fürchten, dass der Standort im Süden Duisburgs nach den jüngsten Plänen des Konzerns zu Grabe getragen wird.

Anfang April hat der Stahlvorstand von Thyssen-Krupp Eckwerte für ein neues Restrukturierungsprogramm bekannt gegeben, mit dem er seine Stahltochter wettbewerbsfähiger und vor allem effizienter machen will: Rund 500 Millionen Euro will Stahlchef Andreas Goss in den kommenden drei Jahren einsparen. Als erste Sofortmaßnahme sollen zwei Anlagen in Duisburg-Hüttenheim und in Bochum zur Herstellung von Grobblech stillgelegt werden. Betroffen wären davon rund 350 Arbeitsplätze.

Doch IG Metall und Belegschaft fürchten weit größere Einschnitte: „Das ist nur eine erster Schritt, dem weitere folgen werden“, sagte der frühere IG Metall-Chef Detlef Wetzel, der bei Thyssen-Krupp Steel Europe im Aufsichtsrat sitzt. Bis zu 4000 Stellen seien nach den vorgelegten Plänen in Gefahr und zwar über alle Standorte verteilt. Das sei nichts anderes als „Salamitaktik“ des Stahlvorstandes, beklagte Wetzel. „Erst kommt die Restrukturierung mit dem Verlust von 4000 Jobs und dann noch eine Fusion mit Tata obendrauf.“

Bislang hat die Konzernspitze noch keine Angaben über die Höhe eines möglichen Stellenanbaus gemacht. Konzernkreise rechnen insgesamt mit 650 bis 700 Stellen. Bschlossen sei aber noch nichts, hieß es. An diesem Donnerstag wird der Aufsichtsrat der Stahlsparte über das geplante Sparprogramm beraten. Details und Beschlüsse über das bislang Bekannte hinaus werden allerdings nicht erwartet.

Doch den Stahlwerkern passt die ganze Richtung nicht: Ob jetzt IG Metall, DGB-Chef Reiner Hoffmann oder die Belegschaftsvertreter bei Thyssen-Krupp – sie lehnen nicht nur das Sparprogramm ab. Ihnen sind vor allem die Gespräche der Konzernspitze mit dem Konkurrenten Tata über eine mögliche Fusion der europäischen Stahltöchter ein Dorn im Auge.

Sie fürchten in einem solchen Fall noch viel härtere Einschnitte und dass der Konzernsitz der neuen Gesellschaft in die steuerbegünstigen Niederlande verlegt wird, wo Tata ein hochmodernes Stahlwerk in Ijmuden betreibt. Thyssen-Krupp und der indisch-britische Wettbewerber verhandeln seit über einem Jahr verhandeln über einen Zusammenschluss.


Unterstützung von der Landesregierung

Thyssen-Krupp-Konzernchef Heinrich Hiesinger wirbt für eine solche Lösung, weil sie seiner Ansicht nach die einzige Antwort auf die Probleme in den weltweiten Stahlmärkten ist, die von Überkapazitäten und Preisverfall geprägt sind. Er würde sich am liebsten über kurz oder lang ganz aus dem Stahlgeschäft verabschieden, das hohe Investitionen benötigt, gleichzeitig aber unkalkulierbaren konjunkturellen Schwankungen unterworfen ist. Hinter Weltmarktführer Arcelor-Mittal würde eine Kombination aus Thyssen-Krupp und Tata zur Nummer zwei in Europa aufsteigen und – so Hiesingers Kalkül – deutlich günstiger als bisher Stahl produzieren.

Die Stahlwerke sehen das naturgemäß anders und fürchten um ihre Jobs. Für sie ist auch die Argumentation Hiesingers nicht schlüssig. Dieser rede den Stahlbereich systematisch schlecht, um eine Fusion mit Tata vorzubereiten, sagte Wetzel. Er warf dem Konzern vor, ihm gehe es vor allem darum, einen Teil der hohen Schulden auf eine neue Gesellschaft aus den beiden Stahltöchtern abzuwälzen. „Es ist absurd, eine solche Fusion auf Biegen und Brechen durchzusetzen, um allein die Finanzmärkte zufrieden zu stellen“, sagte er.

Auch Stahl-Betriebsratschef Günter Back machte aus seiner Haltung keinen Hehl: „Wir lehnen eine Fusion mit Tata ab und wollen Klarheit über die Restrukturierungspläne“, sagte er. Er warf der Konzernspitze vor, bei den Beschäftigten nur für Verunsicherung zu sorgen und forderte sie auf, die Betriebsvereinbarung einzuhalten, die betriebsbedingte Kündigungen bis zum Jahr 2020 ausschließt. Alles andere wäre ein Vertragsbruch.

Unterstützung erhielt die Arbeitnehmerseite vom nordrhein-westfälischen Wirtschaftsminister Garrelt Duin. Dieser legte sich recht deutlich fest, als er ebenfalls eine Fusion mit Tata ablehnte. „Das wollen wir nicht“, sagte er unter dem Beifall der Hüttenwerker. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass Entscheidungen nicht mehr in Duisburg oder Essen sondern in London, den Niederlanden oder Mumbai getroffen werden.“ Wer das wolle, müsse mit dem Widerstand der Landesregierung rechnen.

Solche markanten Äußerungen sind zwar auch dem Wahlkampf geschuldet, schließlich wird in zehn Tagen in NRW eine neue Landesregierung gewählt. Sie hätten aber auch durchaus praktische Konsequenzen: Schließlich sitzt Ministerpräsidentin Hannelore Kraft im mächtigen Kuratorium der Krupp-Stiftung – immer noch der größte Anteilseigner des Stahl-und Technologiekonzerns.

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