Prozess Die düstere Vergangenheit von L'Oreal

Seite 3/3

Hilfe von alten Freunden

Gemäßigter urteilte nach der Befreiung Frankreichs die Justiz über den L’Oréal-Gründer: „Er hat vielleicht eine Unvorsichtigkeit begangen“, hieß es 1947 in dem abschließenden Urteil. Schueller habe jedoch nie „die Absicht gehabt, mit dem Feind zu kollaborieren“. Stattdessen habe er jüdische Mitarbeiter seines Unternehmens vor der Verfolgung durch die Nazis geschützt.

Sowohl Schueller als auch sein Schwiegersohn wurden vom Vorwurf der Kollaboration mit den deutschen Besatzern freigesprochen. Während unzähligen Frauen wegen Beziehungen zu Deutschen öffentlich die Köpfe rasiert wurden, schätzungsweise 100.000 Franzosen der Selbstjustiz ihrer Landsleute zum Opfer fielen und unter anderem die Renault-Werke wegen Kollaboration verstaatlicht wurden, kamen Schueller und L’Oréal ungeschoren davon. Geholfen haben beiden dabei ausgerechnet die Aussagen eines Mannes, den die Welt Jahrzehnte später als ersten sozialistischen Präsidenten Frankreichs kennenlernen sollte: François Mitterrand.

Auch Mitterrand gehörte anfangs zur „Cagoule“, in deren Statuten Verrat mit der Todesstrafe belegt wurde, schloss sich später jedoch dem französischen Widerstand an. Geholfen haben dürften Schueller nicht nur die alten Bande, sondern auch, dass er dem notorisch klammen Mitterrand nach dem Krieg die Chefredaktion des Magazins „Votre Beauté“ antrug.

Held des Widerstands

Zu Bettencourt erklärte Mitterrand, dieser habe sein Leben aufs Spiel gesetzt, indem er ihm 1943 zur Flucht nach London verholfen habe. Nach offizieller Darstellung setzte sich Bettencourt als Verbindungsmann für die Résistance in die Schweiz ab. Jahrzehntelang fiel keinem Historiker auf, dass es die von Bettencourt genannte Widerstandsgruppe überhaupt nicht gegeben hatte. Klarheit brachten erst seine nur für Familienangehörige und enge Mitarbeiter gedachten Memoiren, von denen ein Exemplar dem Journalisten Hamel zugespielt wurde. Darin gab Bettencourt die Lüge zu.

Dennoch war Bettencourt als Held des Widerstands ausgezeichnet worden und machte – ebenfalls auf Vermittlung Mitterrands – neben seinem Posten als Direktoriumsmitglied bei L’Oréal Karriere als Politiker. Zwischen 1968 und 1973 war er Minister für Telekommunikation, Industrieminister, Minister für kulturelle Angelegenheiten und Außenminister. Schueller hatte nach dem Krieg mehreren ehemaligen „Cagoule“-Kameraden ranghohe Posten bei L’Oréal verschafft. Er starb 1957, Bettencourt 2007.

Der Erfolg von L’Oréal litt nie unter dieser Geschichte. Zuletzt machte das Unternehmen einen Jahresumsatz von 22 Milliarden Euro. Jane Fonda, Julianne Moore, Heike Makatsch, Claudia Schiffer, Freida Pinto und viele andere sind und waren Botschafterinnen des Konzerns. Das Ethisphere Institute mit Sitz in New York hat L’Oréal gerade erneut in die Liste der „ethischsten Unternehmen der Welt“ aufgenommen.

Nach dem 1941 ermordeten französischen Innenminister Dormoy ist im wenig vornehmen 18. Arrondissement von Paris eine U-Bahn-Station benannt.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%