Quartalszahlen Siemens schreibt erstmals seit fast zwölf Jahren rote Zahlen

Siemens hatte die Abschreibung auf Siemens Energy bereits Ende Juni bekannt gegeben nach wiederholten Gewinnwarnungen des Turbinenherstellers. Quelle: dpa

Lieferketten-Probleme, der Rückzug aus Russland und die Abschreibung der Tochter Siemens Energie lassen den Technologiekonzern rote Zahlen schreiben.

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Siemens kann sich von seiner ehemaligen Energietechnik-Tochter nicht lösen. Eine Abschreibung von 2,7 Milliarden Euro auf die restliche Beteiligung an Siemens Energy beschert dem Münchner Technologiekonzern den ersten Quartalsverlust seit dem Sommer 2010: Unter dem Strich stand im dritten Quartal ein Minus von 1,53 Milliarden Euro, ein Jahr zuvor hatte Siemens noch einen Gewinn in vergleichbarer Höhe erwirtschaftet. Wie erwartet muss der Konzern Abstriche an seiner Gewinnprognose für das laufende Jahr machen, weil sich der Wertverlust nicht anderweitig wettmachen lässt. Der Rückzug aus Russland belastet Siemens weiter: Gut 1,1 Milliarden Euro hat Finanzvorstand Ralf Thomas dafür zurückgestellt, operativ leidet vor allem die Zug-Sparte Mobility darunter. Zugleich machen sich die Lieferketten-Probleme immer mehr bemerkbar.

„Für die kommenden zwölf bis 18 Monate arbeiten unsere Teams an verschiedenen Szenarien, um die Herausforderungen flexibel zu managen“, sagte Vorstandschef Roland Busch am Donnerstag. In den nächsten Monaten gehe es vor allem darum, den Auftrags-Berg von inzwischen 99 Milliarden Euro abzuarbeiten, ergänzte Finanzvorstand Ralf Thomas. Im Kerngeschäft mit Industrie-Automatisierung (DI) und Infrastruktur-Technik (SI) schnellten die Aufträge nochmals um mehr als ein Viertel nach oben. Der Mangel an Bauteilen, aber auch krankheitsbedingte Produktionsausfälle drückten zuletzt auf die Margen. Für den Fall, dass Gas in Deutschland knapp würde, sei Siemens gewappnet, sagte Vorstandschef Busch. Die Inflation soll über Preiserhöhungen an die Kunden weitergegeben werden. Zudem werde Siemens sparen: „In den nächsten Monaten werden die Geschäfte bei den Ausgaben besonders diszipliniert sein, um die Margen zu halten.“

Von April bis Juni kamen neue Aufträge über 22 (Vorjahr: 20,5) Milliarden Euro herein, das war auf vergleichbarer Basis ein Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Der Umsatz kletterte um vier Prozent auf 17,9 Milliarden Euro. Der operative Gewinn aus dem Industriegeschäft schnellte um 27 Prozent auf 2,9 Milliarden Euro, lag damit aber leicht unter den Erwartungen der Analysten. Dabei halfen Siemens die 739 Millionen Euro, die der Verkauf der Straßenverkehrstechnik-Sparte Yunex Traffic an die italienische Atlantia brachte. Sonst wäre die Zug-Sparte Mobility in die roten Zahlen gerutscht.

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von Angela Maier

Russland-Geschäft ist fast abgewickelt

Auf das Russland-Geschäft schrieb Siemens im dritten Quartal weitere 558 Millionen Euro ab. Nun sei noch das Leasing-Geschäft übrig, für das man an einer „sinnvollen Lösung“ arbeite, sagte Thomas. Das könne noch einmal eine dreistellige Millionensumme kosten. Der Rückzug aus Russland ließ sich in der Bilanz noch durch den unerwartet lukrativen Verlauf von Unternehmensteilen wie Yunex und der Brieflogistik-Sparte wettmachen, der Siemens im laufenden Jahr 2,2 Milliarden Euro einbringt, 700 Millionen mehr als eingeplant.

Doch der massive Wertverlust der Siemens-Energy-Aktien und die operativen Verluste des abgespaltenen Energietechnik-Konzerns zwingen Siemens zur Korrektur seiner Prognose für das laufende Geschäftsjahr: Statt einer Steigerung des Gewinns je Aktie auf 8,70 bis 9,10 (8,32) Euro je Aktie erwartet Thomas nun einen Rückgang um bis zu ein Drittel auf 5,33 bis 5,73 Euro. Die Differenz entspricht genau der Abschreibung auf Siemens Energy, die bereits Ende Juni angekündigt worden war.

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Der Finanzvorstand dämpfte zugleich die Hoffnung auf einen schnelleren Rückzug bei der Ex-Tochter: Es wäre „unglücklich und unklug“, vor der geplanten Kapitalerhöhung von Siemens Energy Aktien auf den Markt zu werfen und damit den Kurs zu belasten. Siemens Energy will die gut vier Milliarden Euro teure Komplett-Übernahme der notorisch defizitären Windkraft-Tochter Siemens Gamesa zum Teil mit frischem Eigenkapital finanzieren. Wenn sich die Siemens AG an der Kapitalerhöhung nicht beteiligt, schmilzt die Beteiligung ohnehin ab. Mittelfristiges Ziel sind 25 Prozent. Die Konzerne sind vor allem über milliardenschwere Projekte von Siemens Energy verbunden, die die Finanzsparte von Siemens finanziert hat.

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