Radpanzer und Sturmgewehre Die Polizei rüstet auf

Hamburg hat seit Montag einen gepanzerten Transporter für die Polizei. Andere Bundesländer wollen angesichts der Terrorgefahr nachziehen. Für die Waffenindustrie eröffnet das einen ganz neuen Markt.

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Die Hamburger Polizei rüstet für 4,5 Millionen Euro auf. Quelle: dpa

Hamburg Massiv steht das dunkelblaue Fahrzeug mit dem Kennzeichen „HH 7449“ auf dem Gelände der Hamburger Polizeiakademie. Knapp zehn Tonnen schwer, gepanzert gegen Beschuss aus Sturmgewehren, bis zu 100 Stundenkilometer schwer: Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) stellte am Montag als erster Polizeiminister den Radpanzer „Survivor I“ vor – im Paket mit neuen Sturmgewehren, Helmen und Schutzwesten.

Die deutsche Polizei rüstet auf. Das bedeutet Aufträge für Unternehmen, die bislang vor allem Streitkräfte ausrüsten. Allein in Hamburg, nach Bevölkerungszahl viertkleinstes Bundesland, fließen 4,5 Millionen Euro in die militärähnliche Ausstattung, zu einem großen Teil zusätzlich zu den regulären Ausrüstungs-Ausgaben der Polizei. Denn die neue Ausrüstung löst keine alten Fahrzeuge ab – bislang war Kriegsgefährt in der Polizei schlicht nicht nötig. Auch Berlin und Sachsen haben bereits angekündigt, einen Survivor-Wagen anschaffen zu wollen.

Mit der „neuen, etwas robusteren Ausrüstung“ könne die Polizei bei Terror- oder Amok-Lagen „alles Notwendige ohne die Bundewehr tun“, sagte Grote. Dass Hamburg die Ausrüstung früher als andere Bundesländer vorstellt, hat einen Grund: Im Dezember findet in der Stadt der OSZE-Gipfel statt, im Juli kommt unter anderem der künftige US-Präsident Donald Trump zum G20-Gipfel. Zwar soll die neue Ausrüstung laut Grote nicht gegen die Demonstranten eingesetzt werden, für die bereits Haftplätze frei gemacht werden, doch könnten die Gipfel auch Terroristen anziehen.

Die Polizei müsse auf ein Szenario wie bei den Anschlägen von Paris vor einem Jahr vorbereitet sein, betonte Polizeipräsident Ralf Martin Meyer. „Wir wissen nicht, was auf uns zukommt und in welcher Dimension es auf uns zukommt“, sagte er. Konkret werden 70 Streifenwagen mit Schutzwesten und Helmen der höchsten Schutzklasse sowie mit Maschinenpistolen ausgerüstet. Damit sollen die Polizisten schnell bei Anschlägen und Amokläufen eingreifen können.

Erstmals werden auch die Sondereinsatzkommandos mit Sturmgewehren ausgerüstet, die bislang nur den Spezialeinheiten vorbehalten waren. Die mobilen Einsatzkommandos bekommen 50 zusätzliche Ausrüstungssets aus Helmen und Westen. Sie sollen auch das neue gepanzerte Allradfahrzeug benutzen, um unter Beschuss an den Einsatzort fahren zu können – für einen Gegenangriff, Geiselbefreiung oder um Verletzte zu bergen.

Meyer sagte, die Polizei präsentiere die neue Ausrüstung bewusst offensiv: „Das ist ein Signal.“ Im Alltag bleibe die Hamburger Polizei dagegen zivil, werde etwa den Demonstranten bei den Gipfeltreffen in normaler Uniform statt in Kampfmontur entgegentreten.

Von dem neuen Sicherheitsbedürfnis profitieren Hersteller von Waffentechnik. „Man kann sich vorstellen, dass wenn 16 Bundesländer, der Bund und die Polizeibehörden anderer europäischen Länder neue Ausrüstung bestellen, die Produzenten wenig falsch machen können“, formulierte das Polizeipräsident Meyer. „Im Moment gibt es eine riesige Nachfrage.“


Lieferengpässe wegen hoher Nachfrage

Allein Hamburg habe 330 Helme und Westen bestellt. Das führe zu längeren Lieferzeiten. Westen und Waffen kommen erst nach und nach in Hamburg an. „Wir hätten es gern noch etwas früher gehabt“, sagte Meyer. Er sei jedoch froh, den Termin vor dem OSZE-Gipfel eingehalten zu haben. Auch Innensenator Grote sieht Engpässe. Größere Länderpolizeien mit entsprechend größeren Aufträgen würden teils schneller beliefert als die Hamburger Behörden, sagte er dem Handelsblatt am Rand der Veranstaltung.

Auch beim Fahrzeug „Survior I“ zeigt sich das. Das aktuelle Gefährt ist lediglich ein Leihfahrzeug des Herstellers, des Tiroler Familienunternehmens Achleitner. Der endgültige Wagen muss erst noch gebaut werden – und rollt daher erst im kommenden Sommer nach Hamburg. Unter anderem wird es länger sein, um mehr Polizisten transportieren zu können.

In der Ausschreibung setzte sich das österreichische Unternehmen Achleitner gegen den Düsseldorfer Mitbewerber Rheinmetall durch. Beide stellen die gemeinsam entwickelten Survivor-Fahrzeuge auf Basis eines MAN-Transporters her. Rheinmetall hatte die spezielle Polizei-Edition des Fahrzeugs im Sommer auf einer Fachmesse vorgestellt. Die Hersteller versprechen, das Fahrzeug sei durch die Nutzung von MAN-Standardkomponenten kostengünstig und leicht reparierbar. Es ist in verschiedenen Ausrüstungen lieferbar – bis hin zu ABC-Schutz.

In Deutschland haben die beiden Hersteller auch die Deutsche Polizeigewerkschaft auf ihrer Seite. Auf Betreiben der Polizistenvertreter stand ein Survivor-Fahrzeug kürzlich bei einem Tag der Offenen Tür der Berliner Polizei. Schließlich versprechen sich die Einsatzkräfte von besserer Ausrüstung mehr Schutz. Innensenator Grote sagte zudem, es sei eine Frage des Selbstverständnisses der Polizei, auch in Extremlagen ohne die Unterstützung der Bundeswehr auskommen zu können.

Für die Hersteller ergeben sich so neue Absatzmöglichkeiten. Bislang liefern sie schwere Polizeifahrzeuge und auch polizeilich nutzbare Militärfahrzeuge eher ins Ausland – und geraten dafür immer wieder in die Kritik. Ein Sprecher von Achleitner wollte sich zum Survivor nicht äußern und verwies auf die Hamburger Polizei.

Auch die Schusswaffen-Experten Heckler & Koch sowie Haenel aus Suhl profitieren: Sie liefern die Maschinenpistole MP 5 beziehungsweise das Sturmgewehr Kaliber 5,56x45 Millimeter. Beide Hersteller beliefern auch die Bundeswehr. Die Schutzwesten kommen von BSST, die Schutzhelme von Ulbrichts Protection. Das österreichische Unternehmen bezeichnet seine neuen Polizeihelme als beste Lösung weltweit.

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