Die Warnung ist deutlich: Die Bundesregierung ruft alle Deutschen „dringend“ dazu auf, die Ukraine sofort zu verlassen. „Eine militärische Auseinandersetzung ist jederzeit möglich“, erklärt das Auswärtige Amt am Samstag in seinen Sicherheitshinweisen für das Land. Auf der Internetseite des Auswärtigen Amts heißt es weiter: „Reisen Sie rechtzeitig aus. Sollte es zu einem russischen Angriff auf die Ukraine kommen, sind die Möglichkeiten zur Unterstützung deutscher Staatsangehöriger sehr begrenzt“.
Hintergrund ist die sich zuspitzende Lage im Ukraine-Konflikt: US-Präsident Joe Biden ist „überzeugt“, dass Russland bald angreifen will. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz warnte auf der Münchner Sicherheitskonferenz: „In Europa droht wieder ein Krieg.“
Angesichts der Bedrohungslage wurde das Personal in der deutschen Botschaft bereits im Vorfeld reduziert. Auch die Familienangehörigen der Botschaftsmitarbeiter sollen das Land verlassen. Ähnliches gilt für andere deutsche Institutionen, die in der Ukraine aktiv sind, wie die KfW und die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ).
Aber wie ist die Situation bei deutschen Unternehmen, die in dem Land mit Tochterunterunternehmen oder Niederlassungen vertreten sind? Der Chemieriese BASF hat seine deutschen Mitarbeiter mittlerweile abgezogen. Auch viele andere Konzerne geben Entwarnung – zumindest was die Sicherheit ihrer deutschen Beschäftigten betrifft.
Das Team in der Ukraine bestehe ausschließlich aus lokalen Mitarbeitern, heißt es etwa beim Düsseldorfer Handelskonzern Metro, der 26 Märkte in dem Land betreibt. Die Lage werde genau verfolgt. Für die aktuell rund 3400 Mitarbeiter vor Ort würden Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit „vorbereitet und umgesetzt“, teilt ein Unternehmenssprecher mit. Generell sieht sich das Unternehmen, das auch in Russland aktiv ist, in dem Konflikt erheblichen Risiken ausgesetzt. „Eine militärische Eskalation könnte Auswirkungen auf die gesamtwirtschaftliche Situation in der Ukraine haben, die sich direkt oder indirekt auf das Geschäft und die Infrastruktur von Metro auswirken könnten“, sagt ein Sprecher und fügt hinzu: „Wir hoffen weiterhin auf eine friedliche Beilegung der Krise im Interesse unserer Kunden und Mitarbeiter in der Ukraine.“
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Ganz ähnlich klingt ein Sprecher des Baustoffkonzerns Knauf, der seit 2006 eine Gipsplattenfabrik im Donbass betreibt. Knauf beschäftigt aktuell zwar keine deutschen Staatsangehörigen in der Ukraine. Das Geschäft in der Ukraine sei aber wichtig für Knauf. „Wir hoffen“, teilt der Unternehmenssprecher mit, „dass noch eine diplomatische Lösung gefunden wird, um eine militärische Auseinandersetzung zu vermeiden“.
Negative Auswirkungen für Energiepreise und Lieferketten
Das hofft man auch beim Autozulieferer Schaeffler, der in der Ukraine nach eigenen Angaben „eine einstellige Anzahl an Mitarbeitenden“ beschäftigt. Auch sie seien aber nicht aus Deutschland entsendet worden. „Daher stellt sich die Frage der Zurückbeorderung nicht“, heißt es bei Schaeffler. Wie jedes Unternehmen mit geschäftlichen Beziehungen in Russland und der Ukraine würden derzeit die möglichen Auswirkungen des Konflikts auf das Geschäft geprüft. „Sollte sich die Situation weiter zuspitzen, rechnen wir vor allem mit negativen Auswirkungen auf die Energiepreise und unsere Lieferkette durch mögliche wirtschaftliche Sanktionen“.
Auch der Pharmakonzern Bayer, der Zuckerspezialist Pfeifer & Langen, der Autozulieferer Leoni und der Persil-Hersteller Henkel sind in der Ukraine aktiv. Letzterer bereits seit 20 Jahren. Henkel erzielt dort mit 500 Mitarbeitern rund ein Prozent seines Konzernumsatzes. Insgesamt gibt es nach Schätzungen der Deutsch-Ukrainischen Industrie- und Handelskammer in dem Land rund 2000 Unternehmen mit deutscher Beteiligung. Sie hätten rund 50.000 Arbeitsplätze geschaffen.
Angesichts der Krise hat zuletzt auch die EU-Kommission den Mitgliedsländern bei einer möglichen Evakuierung ihrer Staatsbürger Hilfe angeboten. „Es gibt derzeit rund 20.000 EU-Bürger, die in der Ukraine leben, und ebenso eine beträchtliche Bevölkerungsgruppe, die ihre Wurzeln in der EU hat, die Unterstützung benötigen dürften“, sagte der Vizepräsident der EU-Kommission, Margaritis Schinas der „Welt“.
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