Rekordjahr 2018 Fast eine Million E-Bikes verkauft – die Profiteure des Booms

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E-Bikes sind im Gegensatz zum normalen Fahrrad komplexer

Jörg Schindelhauer ist Mitgründer der gleichnamigen Fahrradmarke in Berlin. Ausschließlich Fahrräder mit Riemenantrieb in einem unverkennbarem Design mit viel Bezug zur Fixie-Szene sind der Kern des 2009 gegründeten Unternehmens. Zehn Jahre später werden die ersten E-Bikes an Kunden ausgeliefert. „In der urbanen Mobilität ist es nicht mehr wegzudenken“, sagt Ganzjahres-Radpendler Schindelhauer.

Ob als Cargo-Fahrräder für innerstädtische Transporte oder eine Schar Kinder: elektrisch betriebene Lastenräder sind längst Teil des Stadtbilds. „Es gibt viele Nutzungsszenarien für Familien“, sagt Schindelhauer. Zwei Modelle waren von Beginn an darauf ausgelegt, Kindersitze, die Wocheneinkäufe oder auch eine Kiste Bier zu transportieren.

Das sportliche Segment wiederum hat sich die reine Online-Marke Canyon aus Koblenz als erstes vorgeknöpft. „Wir waren sicher spät dran mit unserem ersten E-Bike“, räumt Thorsten Lewandowski, Kommunikationsleiter von Canyon ein. Aber wie bei vielen sportlichen Marken hätte es Zeit gebraucht, bis die Einführung eines nicht ausschließlich von Muskelkraft betriebenen Fahrrades nicht als schädlich für den Markenkern bei der Klientel wahrgenommen wurde. „Die erste Generation E-Bikes hätte nicht zur Marke gepasst“. Heute ist bei Canyon nach der Einführung zweier Mountain-Bikes nicht mal mehr ein Rennrad mit E-Antrieb undenkbar. „Es muss dann aber eine möglichst eigenständige Lösung sein“, sagt Lewandowski.

Elektro-Fahrräder: Was ist was?

Auch bei Rose in Bocholt weiß man, dass Trekking-Bikes nicht das Ende der Möglichkeiten sind. „Es ist anders als bei konventionellen Fahrrädern: Alles ist neu, es gibt keine Vorbilder. In vielen Punkten muss man herumprobieren“, sagt Heckrath-Rose. So zum Beispiel beim Service. Rose kooperiert in sieben Städten in Deutschland mit dem mobilen Anbieter Live-Cycle, der den persönlichen Kontakt zum Kunden herstellt, das Rad ausliefert, montiert und auch Reparaturen übernimmt.

Dass der E-Bike-Boom an sich oder überhaupt so möglich ist, verdankt die Branche auch ausgerechnet den Zulieferern und in Deutschland maßgeblich einem Unternehmen, das man auf Anhieb dort gar nicht vermutet: Bosch. Der Produktbereich eBike Systems ist erst 2009 gestartet, seit 2012 leitet Claus Fleischer den Bereich. „Wir profitierten bei der Gründung natürlich auch von dem Know-how, das im Konzern vorhanden ist“, sagt Fleischer. Mit Sensoren und Antriebstechnologie sei der Automotive-Teil des Konzerns vertraut, Akkutechnologie beherrschen die Kollegen von den Power Tools.

E-Bikes sind im Gegensatz zu einem normalen Fahrrad komplexe Technologie. Schnell mal in der Werkstatt einen Rahmen zusammenlöten und standardisierte Bauteile montieren, reicht nicht. Fahrradproduzenten, die auf E-Bikes setzen, müssen sich mit der Konstruktion für Kabelage, Akku und Antrieb auseinandersetzen. Ein Standardmotor für alle Fälle würde schnell der Kreativität der Szene ein Ende setzen. „Wir haben also daran gearbeitet, die Zielgruppen zu erweitern“, sagt Fleischer. Bosch gab den Herstellern ein Produktportfolio an die Hand, mit dem sich von Chopper bis Lastenrad Fahrräder entwickeln lasse. Noch immer sei die Fahrrandbranche nicht konsolidiert und zahllose mittelständische kleine Betriebe bestimmten das Angebot, so Fleischer.

Dass heute Mountainbiker mühelos die Berge hochfahren, ist auch ein Effekt, den Bosch befördert hat, indem das Unternehmen speziell für dieses Segment Technologie entwickelte, die nicht allein hilft, die Anstrengung zu überwinden, sondern auch ein angenehmes Fahrgefühl zu schaffen. „Uphill flow“ nennt Bosch das und will damit erreichen, dass „Anforderung und Können im Einklang sind“.

Doch beim Antrieb endet heute die Entwicklung der E-Bikes nicht. ABS oder Konnektivität mit den Mobilgeräten und im Internet sind die nächsten Themen, die der Markt aufnehmen soll. „E-Bikes sind ein Premiumprodukt, es ist unsere Aufgabe, Innovationen anzutreiben“, sagt Fleischer. Dazu zählt auch der enge Kontakt zum Fachhandel, denn auch für den ein oder anderen alteingesessen Händler sind motorisierte, gar digitalisierte Antriebe noch Neuland.

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