Rekordjahr 2018 Fast eine Million E-Bikes verkauft – die Profiteure des Booms

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Infrastruktur der Städte hinkt E-Bike-Boom hinterher

Beim weiteren Wachstum der E-Bike-Branche kämpft Fleischer deswegen an anderen Fronten und teils Hand in Hand mit ganz anderen Parteien. Zum einen sei es wichtig, die Nutzung von Pedelecs, die bis zu einer Geschwindigkeit von 25 Stundenkilometern Motorkraft geben, mit wenig gesetzlichen Regularien zu belegen.

Führerschein, Helmpflicht oder gar eine Versicherungspflicht wären im deutschen Markt, der der stärkste in der EU ist, ein Wachstumsdämpfer. Fleischer geht dagegen ebenso an, wie gegen die Möglichkeit, mittels wenig Aufwand, das E-Bike so zu tunen, dass der Motor auch bei Geschwindigkeiten bis 40 Stundenkilometer weiter unterstützt - eine Geschwindigkeit, die den S-Pedelec vorbehalten ist, die unter anderem versicherungspflichtig sind und nicht auf Radwegen fahren dürfen.

Von 2019 an sollen Sperren verhindern, dass Besitzer ihre Pedelecs damit schneller machen. Das ist zwar auch heute schon verboten und führt wegen des Wegfalls der Betriebserlaubnis im Falle eines Unfalles mindestens zu einer Mitschuld – aber das hindert spezialisierte Onlineshops nicht daran, die nötige Hardware zu verkaufen. „Wir sind da gerne der Spaßverderber, damit die gesamte Branche noch lange Spaß hat“, sagt Fleischer.

Wenn man denn noch Spaß hat auf dem Rad. Denn dort, wo immer mehr Menschen aufs E-Bike umsteigen, sei es zur Erholung oder zur Fahrt zur Arbeit, wird es enger. „Die Infrastruktur in den Städten hinkt hinterher“, sagt Fleischer. Da erhält er Unterstützung vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad Club (ADFC). Der Verband sieht auch dank der E-Bikes eine stärkere Nutzung des Zweirads als städtisches Verkehrsmittel oder auf dem Land bei längeren Entfernungen. Dem müsse sich eben auch die Infrastruktur anpassen – nicht alleine die zum Fahren, sondern auch die zum Abstellen der Räder. Gerade die für die kostspieligen und unter Kriminellen beliebten E-Bikes.

Und während die Deutschen beim Kauf von E-Bikes in Europa an erster Stelle stehen, ist die Fahrrad-Infrastruktur laut Krone „40 Jahre zurück“. Es ist eine klare Forderung, die der ADFC deswegen an die Politik richtet: „Wir brauchen Hunderttausende Kilometer von drei bis vier Meter breiten, top-asphaltierten Express-Radwegen quer durch unsere Städte – und raus in die Regionen –, damit der Umstieg auf das effizientere und umweltfreundlichere Verkehrsmittel gelingt. Die Niederlande machen vor, wie es geht.“

Aber auch der Gesetzgeber sei gefordert. Kommunen müssten leichter Fahrradstraßen einrichten dürfen. Bislang müssen sie nachweisen, dass die Straße auch vorher schon für Fahrräder wichtig war. „Aber wenn die Straßen nicht für Fahrräder ausgelegt sind, fahren die Menschen dort nicht lang“, sagt Krone. In vielen Straßen in den Städten sollten laut ADFC die Geschwindigkeit grundsätzlich auf Tempo 30 gehen und nur in Ausnahmen die heute gültigen 50 km/h erlaubt sein. Und der Überholabstand von 1,50 Meter müsse verpflichtend in die StVO aufgenommen werden.

Ob Fleischer jeder dieser Forderungen so zustimmen würde, ist offen. Aber klar ist allen Beteiligten: Sollte das Wachstum der E-Bikes so weitergehen und immer mehr Menschen das Rad statt des Autos wählen, wie es in Dänemark oder den Niederlanden üblich ist, dann wird es leerer auf den Straßen, aber voller auf den Radwegen. Und das könnte das Wachstum rasch ausbremsen.

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