Renault in der Diesel-Krise Das rätselhafte Schweigen des Carlos Ghosn

Der Verdacht auf Manipulation von Abgaswerten schüttelt Renault durch. Auch die Verteidigung durch Umweltministerin Royal beruhigt die Anleger nicht. Viele Beobachter fragen sich: Wo ist Konzernchef Carlos Ghosn?

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Der Renault-Chef hüllt sich zur Diesel-Krise in Schweigen. Quelle: AFP

Paris Einen Tag nach den Enthüllungen über die Durchsuchung mehrerer Büros sowie der Konzernzentrale von Renault verliert die Aktie des Herstellers weiter an Boden. Am Freitagmorgen gab sie 3,4 Prozent ab und gehörte damit zu den schwächsten Werten des Leitindex CAC 40. Beamte der französischen Behörde für Betrugsbekämpfung hatten eine Razzia bei Renault durchgeführt, um Klarheit über die Ursachen überhöhter Emissionen von Dieselmotoren der Marke zu schaffen. Die Auswertung der beschlagnahmten Unterlagen und Computer dauert noch an.

Die Intervention von Umweltministerin Ségolène Royal zugunsten des Autoherstellers hat also wenig Effekt gehabt. Royal trat am Donnerstagnachmittag überraschend vor die Presse und nahm Renault in Schutz: „Renault hat nicht getäuscht.“ Warum Royal sich vor den Hersteller stellt, obwohl die Untersuchung noch läuft, bleibt offen. Ihr Kollege, Wirtschaftsminister Emmanuel Macron, äußerte sich vorsichtiger. Er sagte lediglich, die Situation von Renault und Volkswagen sei nicht vergleichbar, doch müssten alle Hersteller noch volle Klarheit schaffen.

Renault ist daher noch nicht aus dem Schneider. Royals Verteidigung des Herstellers ist besonders überraschend: Ihr eigenes Ministerium beharrt darauf, dass etwas nicht stimmt mit den Dieselautos von Renault. Ein Kommuniqué des Umweltministeriums über die bislang gelaufenen Tests zum Vergleich von Laborwerten mit echten Emissionen unter Straßenverhältnissen hält fest, dass die Modelle „mehrerer ausländischer Hersteller und eines französischen die Normen für Kohlendioxid und Stickoxide überschreiten.“ Bei der französischen Marke handelt es sich um Renault – die wurde nämlich eingeladen, nächste Woche vor der unabhängigen Kommission zur Ermittlung des Schadstoffausstoßes Rede und Antwort zu stehen.

Renault-Nissan-Chef Carlos Ghosn, der gewöhnlich schnell mit einer Reaktion zur Stelle ist, glänzt seit Tagen durch Abwesenheit. Er ist völlig abgetaucht und meldet sich in dieser schweren Krise des Unternehmens nicht zu Wort. Muss er erst den Sachverhalt abklären? Fürchtet er, etwas Falsches zu sagen und sich später korrigieren zu müssen? Ghosns Schweigen gibt Rätsel auf.

Renault setzt eine primitivere und billigere Technik ein als etwa Volkswagen und Peugeot, um Stickoxide zu verringern. Die beiden genannten Firmen spritzen flüssigen Harnstoff in die heißen Abgase ein. Dadurch zerlegt sich ein großer Teil der Stickoxide (NOX) in Wasser und harmlosen Stickstoff. Renault verzichtet auf diese pro Auto rund 400-500 Euro teure Lösung und führt stattdessen NOX wieder in den Verbrennungsprozess zurück. Das ist aber weniger wirksam. Unter den Bedingungen der bisher geltenden Prüfstand-Tests kann Renault deshalb die Normen einhalten, nicht aber in der Realität des Straßenverkehrs.

Der Hersteller hat bereits angekündigt, er werde nachbessern. Wie, mit welcher Technik und welchen Kosten, das sagt er allerdings nicht. Selbst wenn sich herausstellen sollte, dass Renault anders als Volkswagen nicht bewusst betrogen hat, bleibt ein technisches und finanzielles Risiko für den Konzern. Am kommenden Montag will Renault auf einer Pressekonferenz seine Absatzzahlen des abgelaufenen Jahres erläutern. Spätestens dann wird Ghosn erklären müssen, wie er auf die Diesel-Krise reagieren will.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%