
Wenn das Teil hinüber ist, kommt weißer Dampf aus dem Auspuff. Wer sein Auto dann nicht schnell stoppt, riskiert eine teure Motorreparatur. Zylinderkopfdichtungen sind nicht gerade High Tech. Aber ohne die dünne Metall-Kunststoff-Schicht würde kein Verbrennungsmotor funktionieren.
Weltmarktführer für solche Dichtungen ist der baden-württembergische Autozulieferer ElringKlinger. Produziert wird an 41 Standorten weltweit, abgerechnet in fünf Währungen: in Euro und Schweizer Franken, US-Dollar und brasilianischen Real – und neuerdings in Renminbi, der Währung der Volksrepublik China.
China und EU handeln jeden Tag für mehr als eine Milliarde Euro
China und Europa sind voneinander abhängig. Das Reich der Mitte wird in diesem Jahr zum größten Exportmarkt der Europäer aufsteigen und damit die USA überholen. Umgekehrt ist die Europäische Union der größte Abnehmer chinesischer Ausfuhren. Beide Seiten handeln jeden Tag mit Waren im Wert von mehr als einer Milliarde Euro.
Nach einem Zuwachs von 37 Prozent 2010 stiegen die europäischen Ausfuhren nach China im vergangenen Jahr von Januar bis November um 21 Prozent auf 124 Milliarden Euro. Deutschland hat mit deutlichem Abstand und knapp der Hälfte der EU-Ausfuhren nach China den größten Anteil daran, gefolgt von Frankreich und Großbritannien. 60 Prozent der EU-Ausfuhren waren Maschinen und Fahrzeuge.
Während die 27 EU-Länder im Jahr 2010 rund 19,8 Millionen Autos produzierten, waren es in China nicht viel weniger: rund 18,3 Fahrzeuge.
Die Importe aus China kletterten nach einem Anstieg von 31 Prozent 2010 im vergangenen Jahr bis November um weitere fünf Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum auf 244 Milliarden Euro. Seit Jahren gibt es ein großes europäisches Defizit im Handel mit China, das 2010 noch bei 168 Milliarden Euro lag. Aus diesem Überschuss sammelt China die Euros in seinen weltgrößten Devisenreserven im Wert von insgesamt 3,18 Billionen US-Dollar an. Rund ein Viertel sollen Euros sein.
Während die Leistungsbilanz der 27 EU-Länder im vergangenen Jahr bei minus 24 Milliarden Euro lag, konnte China einen deutlich positiven Saldo von 258 Milliarden Euro verbuchen. Auch das BIP der Chinesen war 2011 mit 12.900 Milliarden Euro mehr als doppelt so hoch wie das BIP der EU (5100 Milliarden Euro).
Die Wirtschaftskooperation zwischen Europa und China ist rasant gewachsen. Doch beklagen europäische Unternehmen in China schlechten Marktzugang, ungleiche Wettbewerbsbedingungen, mangelnde Transparenz und Rechtsunsicherheiten.
Schlechter Schutz des geistigen Eigentums ist unverändert ein großes Problem. Sieben von zehn in China tätigen europäischen Unternehmen wurden nach eigenen Angaben schon Opfer von Urheberrechtsverletzungen mit teils erheblichen Verlusten. Mehr als die Hälfte aller Raubkopien, die der Zoll in Europa sicherstellt, stammt aus China.
Die 27 EU-Staaten zählen mit 7,1 Milliarden Euro 2010 zu den fünf wichtigsten Investoren in China - neben Taiwan, Hongkong, USA und Japan. Rund 20 Prozent der ausländischen Direktinvestitionen in China stammen aus Europa. China investiert aber nur sehr zögerlich in Europa. Zwar stiegen die chinesischen Investitionen 2010 von 0,3 auf 0,9 Milliarden Euro, doch stammen nur 1,7 Prozent aller ausländischen Investitionen in Europa aus China.
Damit gehört ElringKlinger zu den Pionieren einer Entwicklung, die ganz am Anfang steht: der Verlagerung internationalen Geschäfts – raus aus Euro und US-Dollar in den Renminbi. „Nachdem Peking die Währungsrestriktionen weiter gelockert hat, wäre es für viele Unternehmen lukrativ, einen Teil ihrer Geschäfte auf Renminbi umzustellen“, sagt Thomas Wu, China-Experte der Düsseldorfer Beratung Global Board Room Advisors. „Das wäre auch ein wirksamer Schutz gegen die Folgen der Euro-Krise und der Dollar-Risiken.“
Derzeit stehen viele Unternehmen vor der Frage, wo sie ihre flüssigen Mittel kurzfristig anlegen sollen und wie sie ihr Geschäft langfristig schützen, wenn der Euro wegen der ungelösten Staatsschuldenkrise der südeuropäischen Länder weiter an Wert verliert und der Dollar wegen der ebenfalls anhaltenden Defizitprobleme der USA als Alternativwährung ausfällt.
Währung Nummer Zwei
Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) geht davon aus, dass der Renminbi zur Währung Nummer zwei weltweit wird: nach dem US-Dollar und vor dem Euro. „Wer mit Kunden und Zulieferern in unterschiedlichen Währungen abrechnet, von denen zwei permanent unter Druck stehen, muss seine Umsätze durch Kurssicherungsgeschäfte schützen, und das wird aufgrund der großen Unsicherheit immer teurer“, sagt China-Experte Wu. „Mit dem Renminbi hätten die Unternehmen eine stabilere Kalkulationsgrundlage.“
Neben ElringKlikner fährt auch der Kölner Event- und Ausstellungsorganisator Uniplan gut damit. „Unsere wichtigsten Märkte sind Deutschland und China, sodass wir überwiegend in Euro und Renminbi arbeiten“, sagt Vorstandschef Christian Brühe.