Rheinmetall Für Deutschland nur die Nebenrolle im Panzergeschäft

Der Düsseldorfer Panzerkonzern und Autozulieferer Rheinmetall will sich unter seinem neuen Chef Armin Papperger deutlich stärker internationalisieren. Deutschland bleibt wichtig bei Hightech-Produkten. Doch für Wachstum und Gewinne sorgen künftig China, Südafrika und bald auch eine Rüstungsproduktion in Lateinamerika.

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Armin Papperger, Chef des Düsseldorfer Rüstungs- und Automobiltechnik-Konzern Rheinmetall, will das Unternehmen in Zukunft deutlich stärker internationalisieren. Quelle: dpa

Wahrscheinlich hat sich Rheinmetall-Chef Armin Papperger über die Jahre daran gewöhnt, ein wenig im Schatten zu stehen. War das Röchling-Auditorium Konferenzzentrum in der Zentrale des Düsseldorfer Panzer- und Autoteilekonzerns bei den Pressekonferenzen des bisherigen Konzernchef Klaus Eberhardt immer gleichmäßig gut ausgeleuchtet, so lag das Podium heute ein wenig im Dunklen als die neue Konzernspitze um Papperger die Bilanz für 2012 vorstellte und keiner der Vorstände störte sich daran.

Denn die Zahlen sind durchaus sehenswert. Sowohl beim Rüstungsgeschäft als auch den Autoteilen konnte sich der im MDAX notierte Konzern dem allgemeinen Abwärtstrend in Europa entziehen und sowohl Umsatz, den Cashflow genannten freien Mittelzufluss sowie den Auftragsbestand steigern. Lediglich beim Gewinn gab es kein Rekordjahr.

Diese deutschen Konzerne bewaffnen die Welt
Platz 10: Renk Die Augsburger Firma mit ihren rund 1900 Mitarbeitern liefert Getriebe für Schiffe, Lastwagen und Panzer, darunter das Prestigeprojekt von Rheinmetall und Krauss-Maffei-Wegmann, den Schützenpanzer „Puma“ (Bild). Im Rüstungsgeschäft fiel bei Renk ein Jahresumsatz von 158 Mio. Euro an. Quelle: dpa
Platz 9: Heckler & Koch Eines der verschwiegensten Unternehmen in Deutschland ist Heckler & Koch aus Oberndorf am Neckar. Der Mittelständler mit seinen insgesamt 650 Mitarbeitern ist bekannt für seine präzisen Handfeuerwaffen, von Dienstpistolen für Polizisten weltweit (im Bild: Walther P99) über die Gewehre G3 und G36 bis zur Maschinenpistole MP5. Heckler & Koch, der das meiste exportiert, kommt auf einen Rüstungsumsatz von 180 Mio. Euro. Quelle: dpa
Platz 8: Tognum Das Unternehmen aus Friedrichshafen am Bodensee mit rund 8700 Mitarbeitern stellt neben Antrieben für zivile Zwecke auch Dieselmotoren für Panzer, Lastwagen und Schiffe her - etwa für die Fregatte Sachsen (im Bild). Hervorgegangen ist die börsennotierte Firma 2006 aus der Ex-Daimler-Tochter MTU Friedrichshafen. Der Defense-Bereich trägt etwa ein Zehntel zum Gesamtumsatz bei, wobei die Rüstungseinnahmen bei 180 Mio. Euro liegen. Quelle: dpa
Platz 7: Atlas Elektronik Die Bremer Firma mit ihren rund 1900 Mitarbeitern ist auf Marinetechnik spezialisiert und liefert hauptsächlich Torpedos (im Bild: „Heavyweight Torpedo“), Seeminenräumgeräte und Navigationstechnik sowie elektronische Systeme, darunter Sonargeräte für U-Boote. Der Schwerpunkt liegt dabei auf dem Rüstungsgeschäft. Damit erzielt Atlas Elektronik einen Jahresumsatz von 366 Mio. Euro. Quelle: dpa
Platz 6: MTU Aero Engines MTU Aero Engines aus München (7600 Mitarbeiter) baut Flugzeugtriebwerke, unter anderem für den Kampfjet Eurofighter (das Bild zeigt ein Flugzeugtriebwerk TP400-D6). Daneben gehört MTU mit General Electric, Pratt & Whitney und anderem zum Verbund Engine Alliance, der Triebwerke für die Airbus A380 herstellt. Der Rüstungsumsatz liegt bei 640 Mio. Euro. Quelle: dpa
Platz 5: Diehl Die Lenkwaffe Iris-T des Nürnberger Diehl-Konzerns gilt derzeit weltweit als präziseste Rakete für Kampfflugzeuge. Sie hängt an beinahe allen Militärjets der neuesten Generation - ob Eurofighter, Tornado, der schwedischen Saab Gripen oder den amerikanischen Jets F-16 und F-18. Der Diehl-Konzern, der neben Raketen auch Munition, Panzerketten und Schutzsysteme herstellt, kommt auf einen Rüstungsumsatz von 1,16 Milliarden Euro. Insgesamt beschäftigt Diehl mehr als 12.000 Menschen. Quelle: ap
Platz 4: Thyssen-Krupp Marine Systems (TKMS) TKMS ist 2005 aus der Fusion der Thyssen-Krupp-Werften und der Howaldtswerke-Deutsche Werft AG (HDW) entstanden. Die Reihen U 212 und 214 sind die Vorzeigeprodukte von HDW. Dank des Elektroantriebs, der den Strom von einer Brennstoffzelle erhält, sind die Boote so leise und damit vom Feind so schlecht auszumachen wie kaum ein anderes Modell. Neben U-Booten baut TKMS auch Fregatten und Minenräumschiffe. Der Konzern kommt mit seinen knapp 8000 Mitarbeitern auf einen Rüstungsumsatz von 1,34 Milliarden Euro. Quelle: dpa

Viel wichtiger jedoch: mit seiner heute erstmals in großem Stil vorgestellten „Strategieprogramm Rheinmetall 2015“ tritt Papperger sichtbar aus dem Schatten des hochgewachsenen, schneidigen Eberhardts und ins Rampenlicht. Und er tut dies  quasi mit Turbolader und das nicht nur, weil der Neuling auf dem Chefsessel quasi im Nebensatz im Autobau den klassischen aufgeladenen Verbrennungsmotoren eine lange Zukunft bescheinigt – und dem Diesel eher ein Randdasein.

Der leicht gemütlich gedrungene Manager erteilte quasi nebenbei einer Aufspaltung des Konzerns in einen reinen Rüstungskonzern und einen börsennotierten Autobereich eine klare Abfuhr. Das war unter Alt-Chef Eberhardt noch der Kern der Zukunftsstrategie, selbst nachdem der Börsengang im ersten Anlauf gescheitert war. "Das steht nun nicht mehr an", stellte Pappberger klar. Stattdessen will er beide Töchter nach dem gleichen Muster umbauen und auf Gewinn trimmen.

Kern von "Rheinmetall 2015" ist - trotz des für ein Großunternehmen inzwischen fast ungewohnt deutschen Namens - neben der üblichen Kostensenkung mehr Internationalisierung. Denn sowohl bei Waffen als auch bei Auto spielt die Musik längst anderswo. Bei den Autoteilen ist es China, bei den Rheinmetalldomänen Panzern oder Munition ist es mangels europäischer Aufträge der mittlere Osten - und in beiden Geschäftsfeldern Lateinamerika.

Klare Vision

Die größten Rüstungsschmieden der Welt
Rüstung Quelle: dapd
Krauss-Maffei Wegmann Quelle: dapd
Diehl Stiftung Quelle: dpa/dpaweb
ThyssenKrupp Quelle: dpa
 Rheinmetall Quelle: dpa/dpaweb
Thales Quelle: REUTERS
Finmeccanica Quelle: REUTERS

Das haben die Düsseldorfer bereits seit Mitte des vergangenen Jahrzehnts kommen sehen und entsprechend im Ausland Werke aufgebaut oder Gemeinschaftsunternehmen mit Partnern gegründet. Zwar gilt Rheinmetall besonders im Panzergeschäft noch als deutsches Unternehmen. De facto machen die Düsseldorfer jedoch nicht mal die Hälfte ihres Geschäfts in Deutschland.

Doch das ist Papperger noch zu viel. Bei ihm mögen die Pläne etwas hölzerner und weniger kommandeurshaft als bei Eberhardt sowie vom Blatt abgelesen klingen, etwa durch Formulierungen wie "Payback beim R+D Prozess", also dass sich Forschung auszahlen muss. Doch die Vision ist klar. Künftig spielt Deutschland eher eine Nebenrolle neben den Ländern, wo es bei Autos und Panzern nebst Munition noch Wachstum gibt. Bereits im vergangenen Jahr stammte nicht mal die Hälfte der Rüstungsaufträge dem Wert nach aus Europa und davon wiederum nur knapp die Hälfte aus Deutschland. Noch 2011 waren fast 60 Prozent der Order europäisch.

Aus diesen Börsengängen ist nichts geworden
Die im Mai oder Juni erwartete Wiederaufnahme von Börsengängen in China dürfte sich einem Zeitungsbericht zufolge noch bis Juli verzögern. Die Behörden machten sich Sorgen über den Zustand der Wirtschaft und würden deshalb erst im dritten Quartal wieder IPOs zulassen, hieß es in dem amtlichen "China Securities Journal". Die Börsenaufsicht hatte die Genehmigung von Börsengängen im Oktober eingestellt, um das Angebot zu drosseln, den Aktienmarkt zu stabilisieren und die Qualität der IPOs zu verbessern. Viele Branchenkenner hatten erwartet, dass die Behörde im Mai oder Juni eine Wiederaufnahme ankündigen wird. Im vergangenen Jahr bot sich an den westlichen Märkten ein ganz ähnliches Bild - wenn auch nicht ausschließlich krisenbedingt. Quelle: dpa
Das Logo der Rheinmetall AG Quelle: dpa
Die Zentrale des Versicherungskonzerns Talanx Quelle: dpa/dpaweb
Luxury clocks and watches are displayed inside a Graff Diamonds store at Peninsula Hotel in Hong Kong Quelle: REUTERS
Spanish Formula One driver Fernando Alonso of Ferrari steers his car Quelle: dpa
workers fixing a huge advertising banner of German company Evonik Quelle: REUTERS
Energiesparlampen werden am 26.08.2009 bei Osram in Augsburg (Schwaben) in Verkaufsverpackungen abgepackt. Quelle: dpa

Sein Vorgehen nennt Papperger - im Stil der Fluglinien - Hubstrategie. Aber im Gegensatz zur Fliegerei plant er kein Drehkreuz, an dem umgeladen wird, sondern einen Produktionsschwerpunkt aus dem heraus exportiert wird. Deutschland ist nur noch einer davon, wichtig vor allem wegen der Nähe zum Referenzkunden Bundeswehr, den Universitäten mit ihrer hochwertigen Forschung und den Zentralen der großen Autohersteller.

Beim Export hingegen geht es um die anderen Hubs vor Südafrika und Australien. Hier ist Rheinmetall bisher vor allem präsent, weil ein lokaler Anbieter leichter Aufträge vor Ort bekommt. Aber ebenso geht es natürlich auch darum, den immer strengeren und nicht immer genau berechenbaren Exportkontrollen für Kriegsgerät hierzulande zu entkommen.

Auch wenn Rheinmetall das nicht herausstreicht, ein Blick in Pappergers Unterlagen zeigt die Zielrichtung. Von Russland aus führen die Pfeile in Richtung Zentralasien und Kaukasus, von Australien nach Indonesien sowie "Ostasien", wie Papperger auf Nachfrage betont, und von Südafrika in Richtung Golfregion, Zentralafrika und Südamerika.

Und das ist erst der Anfang. Denn auch in Lateinamerika will Papperger bald eine eigene Fertigung aufbauen. Zwar will er das noch nicht als Ankündigung für einen Deal verstanden sehen. Aber er denkt an Werke in Brasilien und vielleicht auch Chile. Und weil diese Staaten den sensiblen Sicherheitssektor zunehmend in Eigenregie betreiben wollen, kann er sich auch Joint Ventures oder wohl auch Minderheitsbeteiligungen vorstellen.

Nur in einem Bereich wirkte Papperger heute etwas unsicher. Bei der Frage zu den Umständen einer Korruptionsermittlung in Indien gegen Ende der Konferenz, wirkte er ein wenig überrascht wenn nicht unsicher, obwohl er eigentlich gute Argumente hatte. Schließlich hat die Staatsanwaltschaft Düsseldorf bescheinigt, der Konzern habe keinen Fehler gemacht.

Das hätte sein Vorgänger möglicherweise etwas besser rübergebracht. Bei den entscheidenden Punkten hat Papperger seine Rolle gefunden und eingenommen.

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