Rheinmetallchef „An Europas Rüstungspolitik könnten sich die Grünen die Zähne ausbeißen“

Deutschlands größter Rüster: Rheinmetallchef Armin Papperger  Quelle: dpa

Rheinmetallchef Armin Papperger kritisiert die EU-Kommission. Die EU-Taxonomie bringe großen Schaden für die deutsche Rüstungsbranche – besonders im Mittelstand. An die neue Bundesregierung stellt er klare Erwartungen.

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Armin Papperger, 58, ist seit 2013 Vorsitzender des Vorstands der Rheinmetall. Im Konzern ist der Diplom- Ingenieur seit 1990. Bevor der Niederbayer 2012 in den Konzernvorstand aufrückte, leitete er verschiedene Tochtergesellschaften des Unternehmensbereichs Defence und trieb die Internationalisierung des Rüstungsgeschäfts durch die Akquisitionen und die Integration von Auslandsgesellschaften voran. 

WirtschaftsWoche: Herr Papperger, die EU will im Rahmen der Taxonomie Wirtschaftsaktivitäten in gut oder schädlich für die Nachhaltigkeit einteilen. Haben Sie das System verstanden?
Armin Papperger: Ich habe verstanden, was die EU will, nämlich Nachhaltigkeit fördern. Aber ich habe nicht verstanden, welchen Sinn und Zweck das Ganze hat. Denn nicht zuletzt bei uns als der Sicherheits- und Verteidigungsbranche zeigt sich die Schwäche der bislang in den damit befassten Arbeitsgruppen und Vernehmlassungen angelegten Systematik. Die Einteilung wirkt nicht nur willkürlich. Sie steht auch gerade bei uns im diametralen Widerspruch zu anderen Teilen und strategischen Zielen der EU-Politik.

Ist mehr Nachhaltigkeit nicht das übergeordnete Ziel der aktuellen EU-Kommission unter der Deutschen Ursula von der Leyen?
Ja. Aber das wird offenbar in Brüssel gerade nicht einheitlich ausgelegt. Auf der einen Seite geben die EU und ihre Mitgliedsstaaten Milliarden für die äußere und innere Sicherheit aus. Sie sehen unsere Branche als systemrelevant an und fördern Innovationen. Doch eine andere Stelle innerhalb der EU hält uns im Rahmen der Sozialen Taxonomie offenbar für sozial schädlich, englisch „socially harmful“. In der Folge würden die selben Unternehmen, die im Zuge von EU-Programmen beauftragt und unterstützt werden, am Finanzmarkt auf einer Art schwarzen Liste landen. Es sieht so aus, als könnten alle Unternehmen, die mehr als zehn Prozent ihres Umsatzes mit Rüstung erzielen, als nicht nachhaltig oder – wie der Terminus lautet – als „sozial schädlich“ gelistet werden.

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Übertreiben Sie da nicht? Noch ist doch gar nicht absehbar, ob die Rüstungsindustrie überhaupt als schädlich eingestuft wird.
Es mag die Einstufung noch nicht ausdrücklich geben, doch die bisherigen Planungen und Vernehmlassungen deuten klar in diese Richtung. Allein die Möglichkeit, dass sie kommt, wirkt bereits bei den Banken und Versicherungen. Diese reagieren teils in vorauseilendem Gehorsam. In unserem Bundesverband der Sicherheits- und Verteidigungsbranche (BDSV) berichten fast alle Mitglieder, dass sie die nötigen Finanzierungen in der EU nur schwer oder zunehmend auch gar nicht mehr bekommen. Das trifft vor allem die kleineren und mittleren Unternehmen. Größere Unternehmen wie Rheinmetall können sich meist auch außerhalb Europas finanzieren. Ein Mittelständler kann das normalerweise nicht.

Also kennen Sie selbst die Finanzierungsprobleme nur vom Hörensagen?
Nein. Auch wir spüren das unmittelbar. So erklärte etwa die BayernLB, bei der wir viele Jahre Kunde waren, nicht mehr mit uns zusammenarbeiten zu wollen. Dies gilt auch für die LBBW. Dazu spüren wir den Einfluss im Umgang mit den Investoren, etwa weil viele Fonds deutlich weniger oder auch gar kein Geld mehr in unsere Branche stecken. Darum ist unser Börsenwert niedriger als er sein könnte.

Liegt das nicht auch an ihren Zahlen?
Nach dem was wir hören nicht. Denn von der Performance war 2021 unser Rekordjahr. Und 2022 wird beim Umsatz und dem operativen Ergebnis sehr wahrscheinlich noch besser. Wir schütten mehr Dividende aus denn je. Dafür sorgt auch unser Auftragsbestand. Der ist mit derzeit 24 Milliarden Euro bereits höher denn je und könnte in diesem Jahr nochmal um mehr als zehn Milliarden Euro steigen. Und trotzdem wollen oder dürfen viele Großanleger wegen der Nachhaltigkeitsregeln unsere Aktien nicht kaufen. Das ist absurd.

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Zur Sozialen Taxonomie will eine von der EU beauftragte Expertengruppe im Februar einen Bericht vorlegen, der auch Sie und Ihre Branche betreffen könnte. Was erwarten Sie da von der Bundesregierung?
Drei Dinge. Die Regierung sollte prüfen lassen, was genau in der EU entsteht mit dem bevorstehenden Bericht. Der zweite Punkt wäre zu klären, welchen Einfluss die Soziale Taxonomie auf die Sicherheits- und Verteidigungsbranche hat, mithin eine Industrie, die auch Berlin für strategisch hält. Und mit den Ergebnissen dieser Analyse sollte die Regierung für ihre Position in Brüssel werben. Die entscheidende Person im Kabinett ist Bundesfinanzminister Christian Lindner. Er ist der Triggerpunkt.

Was sollen er und Bundeskanzler Olaf Scholz in Brüssel tun? Um Unterstützung bei anderen rüstungsfreundlichen Ländern wie Frankreich oder Italien werben?
Das wäre ein guter Ansatz. Gegen eine Allianz der größten Staaten geht in der EU traditionell wenig. Aber es muss schnell gehen. Denn das Beispiel mit der Einstufung der Atomkraft als nachhaltig zeigt: Ist eine Branche mal klassifiziert, lässt sich das meist schwer wieder ändern.

Wird das nicht zu einem Koalitionskrach führen, weil die Grünen der Rüstungsbranche traditionell kritisch gegenüberstehen?
Ob das zu einem Konflikt in der Regierung führt, will ich nicht beurteilen. Aber nach meinen Gesprächen mit den drei Partnern der Ampelkoalition hatte ich den Eindruck: Alle haben eine vernünftige Einstellung zur Sicherheitsindustrie und wissen, dass wir viel investieren müssen. Auch die Grünen wollen eine gut ausgestattete Bundeswehr und sehen die strategischen Herausforderungen, vor denen Europa steht.


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