Rio Tinto Herrscher der Rohstoffwelt

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Eigenschaften eines Kartells

Tom Albanese - CEO von Rio Tinto Quelle: REUTERS

In der Pilbara fährt Rebecca Murphy mit ihrem Rio-Tinto-Jeep in Richtung Hafen. Eisenzäune und Stacheldraht schließen das Gelände ein. Jeder, der rein oder raus will, wird an der Pförtnerloge kontrolliert. »Die Hafenanlage ist unser Prunkstück«, erklärt Murphy. Es sei die effizienteste Anlage in der gesamten Industrie weltweit. Hier werden Millionen Tonnen roher Erde bewegt, und doch sieht man kaum einen Menschen. Alles geschieht ferngesteuert aus dem Kontrollzentrum im 1.000 Kilometer entfernten Perth. Alle acht Stunden kommt hier ein Zug mit Aarons Fracht an. Nacheinander werden die Waggons zum Entladen hydraulisch auf den Kopf gestellt. Ein Gewirr von Fließbändern auf dünnen Stahlbeinen trägt das Erz wieder auf Halden – 500 Meter lang und 40 Meter hoch. Der Absetzer, ein stählernes Monstrum mit einem Schaufelrad, das wie ein grotesker Kopf an einem stählernen Hals hängt, gräbt sich in den Berg und hebt das Erz auf ein Förderband. Von hier geht das Erz direkt in den Rumpf der Massengutdampfer. Nach 20 Stunden ist einer voll. Draußen beim vorgelagerten Archipel wartet dann schon das nächste Schiff.

Die Hafenanlagen, die Rebecca Murphy das »Prunkstück« nennt, sollen in den nächsten Jahren ausgebaut werden. In den Nachbarhafen Camp Lambert werden sieben Milliarden US-Dollar investiert. »Wenn Sie Massengut verkaufen, ist die Infrastruktur fast wichtiger als das Produkt selbst«, sagt Guy Elliott. Die Hightech-Häfen, die 1.400 Kilometer Eisenbahnstrecke und die Hoheit über die Vorkommen – für Gordon Moffat ist das der Knebel, mit dem die drei großen Bergbaukonzerne den Marktpreis künstlich steuern. »An jeder kleinen Verzögerung bei der Exploration verdienen die noch mehr Geld.« Es sei ein Markt, der eindeutig die Eigenschaften eines Kartells zeige. Nicht zuletzt, weil Rio Tinto, BHP Biliton und Vale nicht nur das Eisenerzgeschäft dominieren, sondern auch den Markt für Koks, das für die Stahlherstellung benötigt wird.

Hinter vorgehaltener Hand vergleichen einige Londoner Analysten die Rolle der »drei Großen« auch mit der Monopolstellung der Opec. Im Ölgeschäft jedoch gebe es wenigstens »eine Form der politischen Kontrolle auf internationaler Regierungsebene«, sagt einer. »Im Erzsektor fehlt auch dieses Regulativ.« Rio Tintos Finanzvorstand Guy Elliott reagiert unwirsch auf solche Vorwürfe: »In allem, was wir tun, entsprechen wir den Regeln der Aufsichtsbehörden, und in diesem Rahmen betreiben wir einen harten Wettbewerb mit unseren Konkurrenten.«

Die Rohstoffkonzerne profitieren von der Verschiebung der globalen Märkte

Freilich werden auch die Minengesellschaften nicht von der nächsten Krise der Weltwirtschaft verschont bleiben. Die Analysten von JP Morgan rechnen damit, dass der Eisenerzpreis wegen der sinkenden Nachfrage aus China bis 2015 um bis zu 37 Prozent auf 105 Dollar pro Tonne fallen könnte. »Aber auch dieser zyklische Einbruch ändert nichts daran, dass die Rohstoffkonzerne von der Verschiebung der globalen Marktkräfte von Norden nach Süden langfristig erheblich profitieren werden«, sagt der Rohstoffanalyst Joe Malden. Beim nächsten Aufschwung werde die Nachfrage nach Erz aus den Schwellenländern in Asien und Südamerika weiter zunehmen.

Dann wird auch die Verflechtung des Südens mit dem Süden stärker werden, die Süd-Süd-Dynamik in der Weltwirtschaft noch weiter zunehmen. Auf der Suche nach Rohstoffsicherheit hatte der chinesische staatliche Aluminiumproduzent Chinalco vor zwei Jahren versucht, seinen Anteil von 9 Prozent an Rio zu verdoppeln. Am Ende gelang es dem Rio-Tinto-Vorstand Elliott, seinen Vorstandskollegen und die größten Investoren davon zu überzeugen, den Deal abzusagen. Noch heute spürt man seine Erleichterung.

Doch China und die Minengesellschaft stehen sich keineswegs unversöhnlich gegenüber. Im letzten Jahr haben Rio Tinto und Chinalco einen Vertrag für ein Joint Venture im westafrikanischen Guinea unterzeichnet. Die Erschließungskosten sind, wie immer in dieser Branche, immens. Gemeinsam werden die Partner nun 25 Milliarden US-Dollar investieren, bevor die erste Tonne Erz über eine 700 Kilometer lange neue Eisenbahnstrecke durch den Urwald in einem neu gebauten Hafen ankommt.

Aaron hat auch von dem Projekt gehört. »Das wär noch was«, sagt er grinsend. »Am Ende der Welt zu arbeiten macht ja nichts, aber in Afrika ist das Ende wenigstens grün.«

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