Rio Tinto Herrscher der Rohstoffwelt

Wie der angloaustralische Großkonzern Rio Tinto das Leben in der Einöde Australiens bestimmt - und die globalen Rohstoffpreise

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Rohstoffkonzerne an der Börse
Mine von Vale Quelle: Presse
Mine von Rio Tinto Quelle: rtr
Mine von BHP Billiton Quelle: Presse
Mine von Anglo American Quelle: rtr
Silberbarren von Glemncore Quelle: rtr
Chinesischer Minenarbeiter Quelle: rtr

Wer in Pannawonica ankommt, hat das Ende der Welt erreicht. Ein paar staubige Straßen, gesäumt von schlichten Holzhäusern. Die Hitze ist erdrückend. Nur das Brummen der Klimaanlagen und einige klappernde Fliegengitter durchdringen die Stille. Wenige Autostunden nordöstlich stößt man auf die Küste des Indischen Ozeans. Tausende Kilometer offene See. Nach Osten erstreckt sich die Region Pilbara. Tausende Kilometer karge australische Wildnis.

Aaron liebt die Stille. Ein Bär von einem Mann, Mitte fünfzig, mit einem von der Sonne vernarbten Gesicht und weißem Bart. Ein Einsiedlertyp, der mal bei der Polizei in Perth gearbeitet hat, bis ihm die Großstadt zu viel wurde. »Zu viele Menschen«, murmelt er. Jetzt hat er einen Job, bei dem er die meiste Zeit alleine ist. Wie die anderen 600 Seelen, die in Pannawonica leben, arbeitet Aaron für das Bergbauunternehmen Rio Tinto in der Mine Mesa J. Zwölf Stunden am Tag sitzt er in der gläsernen Kabine eines riesigen Muldenkippers und fährt Eisenerz von der Abbruchstelle zum Brecher, wo die großen roten Brocken zerkleinert werden. Es ist eine Arbeit, die sich mit der Gleichmäßigkeit eines Pendels wiederholt.

Rohstoffaktien

Eine der wichtigsten Regionen für die Wirtschaft

Der Betrieb läuft rund um die Uhr, an 365 Tagen im Jahr. Mit jeder Fuhre, die Aaron und seine Kumpel in den zehn anderen Muldenkippern machen, vergrößern sie einen flachen Krater, der mehrere Quadratkilometer groß im Outback klafft. Was der Brecher ausstößt, landet auf einem Fließband, das sich fast einen Kilometer durch diese karge Erde zieht. Es trägt die kostbaren roten Klumpen zu einem Haufen von mehreren Millionen Tonnen Erz zusammen, der sich wie eine Sandburg aus der Landschaft erhebt. Durch diesen Haufen führt ein Eisenbahntunnel, in dem Güterzüge die Ladung aufnehmen. Ist der Zug voll, gehen 3.800 Tonnen Eisenerz auf die Reise zur Küste. »Ist doch toll, mein großer Sandkasten, oder?«, fragt Aaron mit breitem Grinsen.

Jedes Jahr graben Aaron und seine Kollegen sieben Millionen Tonnen Eisenerz aus der Mine Mesa J. 24 weitere Minen in der Region produzieren ähnliche Mengen. Am Ende stammt jede dritte Tonne Eisenerz, die über die Weltmeere verschifft wird, aus der Pilbara-Wüste. Für die globale Wirtschaft ist diese Wildnis eine der wichtigsten Regionen.

Die Minenbesitzer verdienen am besten im Geschäft mit Eisen und Stahl

Rio Tinto-Niederlassung in Shanghai Quelle: REUTERS

Die Bergarbeiter und ihr Arbeitgeber, der Rohstoffkonzern Rio Tinto, stehen für den Aufstieg des Südens. Jahrhundertelang bestimmten die Industrienationen der Nordhalbkugel das wirtschaftliche Geschehen in den Entwicklungsländern des Südens, nun verschieben sich die Gewichte. Denn dort im Süden baggern sie nicht nur, sie bestimmen auch den Preis, machen die höchsten Gewinne in der Eisenerz-Stahl-Verwertungskette. So sehen die sich ändernden Machtverhältnisse in der Weltwirtschaft aus.

Die Warenkontrakte, die australische Bergbauriesen heute mit chinesischen Stahlwerken aushandeln, bestimmen auch den Preis eines Neuwagens in Chemnitz mit oder den von einem Karton Nägel bei Obi. Zwar gelangen die Klumpen aus der Region Pilbara nicht nach Europa, wo größtenteils Erz aus Kanada und Brasilien in den Stahlwerken verhüttet wird. Dennoch bestimmt Rio Tinto mit darüber, wie es Thyssen oder den Mannesmann-Stahlwerken in Salzgitter geht und zu welchen Kosten BMW und Volkswagen ihre Autos bauen. Gemeinsam mit dem angloaustralischen Konzern BHP Billiton und dem brasilianischen Rohstoffkonzern Vale kontrolliert Rio Tinto 75 Prozent des Exportmarktes für Eisenerz. An den Preisvorstellungen dieser drei orientieren sich alle anderen.

Sinnbild der Industrialisierung

Eisenerz, Kohle und Rohöl sind die drei wichtigsten Rohstoffe der Industrialisierung. Die Umwandlung von Erzen in Metalle ist so alt wie die Menschheit selbst. Die frühesten Spuren von Eisenverhüttung reichen bis ins Jahr 2000 vor Christus zurück. Die Römer schmiedeten ihr Reich aus Eisen, und im 15. Jahrhundert begannen die spanischen und portugiesischen Entdecker, die Welt zu erobern. Es war der Beginn von 500 Jahren europäischer Weltherrschaft. Der Harvard-Professor für Wirtschaftsgeschichte Niall Ferguson erklärt den Aufstieg Europas mit der Kombination aus einer einzigartigen Software, Ideen wie freier Wettbewerb im Handel und schließlich auch in der Politik sowie einer unschlagbaren Hardware. »Die technischen Entwicklungen, vom portugiesischen Schiffsbau bis zur englischen Industrialisierung, gaben Europa einen Vorsprung, der den kleinen Zipfel am äußersten Westen des eurasischen Kontinents in jeder Hinsicht überlegen machte.«

Für kaum ein Land sind Eisen und Stahl so zum Inbegriff seiner Geschichte geworden wie für Deutschland. Thyssen und Krupp wurden zum Sinnbild der Industrialisierung des Deutschen Reiches am Ende des 19. Jahrhunderts, und es war nicht zuletzt die Qualität der deutschen Industrieproduktion, die das Ende der beiden Weltkriege hinauszögerte. Die Gemeinschaft für Kohle und Stahl wurde zur Keimzelle des vereinten Europas, und heute ist die deutsche Auto- und Maschinenbauindustrie der kraftvollste Wachstumsmotor in der gesamten Euro-Zone. Wie kein anderer Rohstoff ist Eisenerz der Urstoff europäischer und deutscher Geschichte und Gegenwart.

Doch jetzt bestimmt die Arbeit von Aaron und seinen australischen Kollegen den Weltmarktpreis für den Rohstoff, und in der Pilbara liegt noch für viele Jahrzehnte genug Erz in der Erde, um die Nachfrage aus Südostasien und China zu befriedigen. Obwohl die Chinesen jedes Jahr 900 Millionen Tonnen Erz aus ihren eigenen Lagerstätten baggern und mit Abstand der größte Erzproduzent der Welt sind, importierten ihre Stahlhütten 2011 zusätzliche 600 Millionen Tonnen – fast nur aus der Pilbara.

Weltmarktanteil von knapp 20 Prozent

Rio Tinto leistet 56 Prozent der australischen Erzproduktion und hält einen Weltmarktanteil von knapp 20 Prozent. Quelle: REUTERS

Während seiner Mittagspause in der Kantine erzählt Wayne Pritchard, der Rohstoffanalyst der Commonwealth Bank in Perth, von einer Reise in die chinesische Provinz. »Hoch im Norden, in der Inneren Mongolei, liegt die Stadt Baotou. Fünf Millionen Menschen leben heute dort, dreimal so viele wie noch vor ein paar Jahren. Vom Flugzeug aus sieht man nichts als die Rohbauten von Wolkenkratzern. Stahlgerippe, so weit das Auge reicht. Chinas Metropolen wachsen buchstäblich aus australischer Erde.«

Kein Unternehmen profitiert davon mehr als der Bergbauriese Rio Tinto, der 56 Prozent der australischen Erzproduktion leistet und einen Weltmarktanteil von knapp 20 Prozent hält. Nahezu unberührt von dem globalen Abschwung der vergangenen Jahre, sind die Aktien der Bergbauunternehmen zu den edelsten Papieren an den internationalen Börsen geworden. Von den drei Rohstoffriesen ist BHP Billiton das wertvollste Unternehmen an der London Stock Exchange. Rio Tinto kommt gleich danach. Ihr addierter Marktwert belief sich zur Jahreswende auf 153 Milliarden Pfund (183 Milliarden Euro). Daimler, BMW und VW kommen zusammen auf 144 Milliarden Euro, ThyssenKrupp ist 9 Milliarden Euro wert.

Fährt man von Pannawonica vier Stunden durch die raue Landschaft nach Norden, kommt man nach Dampier. Verwitterte Betonzweckbauten wie in den Kasernenstädten des Ostblocks. Flache Wohnblocks für die einfachen Arbeiter, Bungalows mit kleinen Gärten für das untere Management. Dazu zwei Einkaufsläden, ein Kindergarten und ein kleiner Park am Strand. All das ist ein Produkt des realen Kapitalismus. »Dampier wurde Anfang der siebziger Jahre von Rio Tinto als Arbeitersiedlung gebaut«, erklärt Rebecca Murphy. Die 36-Jährige arbeitet in der Presseabteilung, ihr Mann leitet Rio Tintos Zollabwicklung.

In den vergangenen zehn Jahren ist der Erzpreis um 700 Prozent gestiegen

Wer hier wohnt, arbeitet für Rio, geht jeden Morgen in der gleichen blau-gelben Arbeitsuniform aus dem Haus und fährt den gleichen robusten weißen Jeep. Rebecca Murphy ist erst vor wenigen Wochen mit ihren beiden kleinen Töchtern hierhergezogen. »Hier können wir es ein paar Jahre lang gut aushalten«, meint sie. Und nach einer kurzen Pause fügt sie hinzu: »Ein Leben lang würde ich hier aber nicht wohnen wollen.« Aushalten und Geld verdienen, darum geht es den Menschen, die hier leben. Jeder dort bekommt von Rio Tinto eine Sonderzulage von 25.000 australischen Dollar (18.700 Euro). Das größte Geschäft in der kümmerlichen Shopping-Mall im benachbarten Karratha verkauft Hanteln und Pulver für den Muskelaufbau. So fühlt sich diese Gegend an: testosterongeladen.

Organisiert wird die Operation vom Londoner Firmensitz neben dem Bahnhof Paddington im Westen der Stadt. Guy Elliott amüsiert sich über den Vergleich mit Muskelprotzen. »Na ja, lieblich ist die Pilbara nicht gerade«, sagt er und lehnt sich in seinem Sessel zurück. Guy Elliott ist der Finanzvorstand von Rio Tinto und in mancher Hinsicht ein ganz altmodischer Mann. Er hat in Oxford Geschichte studiert, spielt am Wochenende gerne Golf, und in seinem holzgetäfelten Büro hängen Ölbilder an der Wand. So, wie man es bei einem traditionsreichen Unternehmen erwartet, dessen Geschichte bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht. 1873 kaufte ein schottischer Industrieller gemeinsam mit der Deutschen Bank einige Gold-, Silber- und Kupferminen am Rio Tinto in Südspanien und baute sie aus. 1962 übernahm das Unternehmen eine australische Zinkmine, und seit 1995 ist es an den Börsen von London und Sydney notiert. Seither gehören Finanzinvestoren wie die amerikanischen Firmen Capital Group und BlackRock und die französische Versicherungsgruppe Axa zu den größten Aktionären. Für die hat Guy Elliott gute Arbeit geleistet. »Es stimmt schon«, sagt er, »wir haben in den letzten Jahren sehr viel Geld verdient, also verdienen unsere Mitarbeiter auch sehr gut.« In gewohnter Manager-Manier spricht Elliott dann von »den großen Herausforderungen« für das Unternehmen. Die Erzproduzenten seien nicht gut auf die Entwicklung in China vorbereitet gewesen. »Es hat einige Zeit gedauert, bis wir den Nachfrageschock aufgeholt haben.« Dafür investierte Rio Tinto allein im letzten Jahr 13 Milliarden US-Dollar in den Ausbau seiner Infrastruktur.

Konzentrierte Marktmacht

Arbeiten in einer Rio Tinto-Mine Quelle: AP

In den vergangenen zehn Jahren ist der Erzpreis um 700 Prozent gestiegen, und so mögen die Minengesellschaften früher die dreckigen Zuarbeiter der Industriebarone gewesen sein, heute sind sie die Könige der Barone. In kaum einem anderen Sektor dieser Größenordnung konzentriert sich die Marktmacht heute auf so wenige Unternehmen. Das liegt daran, dass sich die Spielregeln in den vergangenen Jahren geändert haben, und zwar so radikal, dass selbst deutsche Autokäufer davon betroffen sind.

Vierzig Jahre lang wurde der Erzpreis per Handschlag festgelegt. Einmal im Jahr trafen sich die größten Stahlhersteller aus Europa, den USA und Japan mit den Erzlieferanten, diskutierten den Markt und einigten sich auf einen Basispreis. »Das war nicht nur gut für die Stahlindustrie, sondern auch für ihre Kunden«, sagt Gordon Moffat, der Chef des Dachverbandes der europäischen Eisen- und Stahlindustrie. »Die Preissicherheit wurde durch die ganze Wertschöpfungskette hindurch bis an den Konsumenten weitergereicht.« Thyssen und Krupp vertraten bei diesen Verhandlungen also nicht nur ihre eigenen Interessen, sondern die der deutschen Industrie und am Ende auch des Verbrauchers.

Verheerende Entwicklung für die Stahlindustrie

Heute wird der Basispreis quartalsweise neu verhandelt. In Singapur etabliert sich ein Spotmarkt für Eisenerz, und Broker in London, Tokio und New York entwickeln neue Spekulationspapiere. Zunächst klingt das so, als würde Eisenerz nun genauso gehandelt wie alle anderen Rohstoffe auch. Für die Stahlindustrie war diese Entwicklung jedoch verheerend. »Die Grubenbesitzer haben aus einem Markt der gleichberechtigten Handelspartner einen Verkäufermarkt gemacht und knebeln jetzt ihre Abnehmer«, sagt Gordon Moffat. Die meisten Stahlhändler hätten Jahreskontrakte mit ihren Kunden, erklärt er, und in den vergangenen zwei Jahren sei der Erzpreis derart explodiert, dass die Steigerung nicht sofort an die Automobil- und Maschinenbauindustrie weitergegeben werden konnte. Zu Beginn der Weltwirtschaftskrise 2009 etwa, als die Stahlbranche in Europa Absatzeinbußen von 50 Prozent erlebte, verdoppelte sich der Erzpreis binnen eines Quartals. »Für die Stahlindustrie bedeutete das enorme Verluste«, sagt Moffat.

Mittlerweile konnten die Stahlkocher diese Preisentwicklung auf ihre Kunden abwälzen und die wiederum auf den Endverbraucher. »Es hat einige Zeit gedauert, bis wir das aufholen konnten«, sagt Erwin Schneider von ThyssenKrupp. »Aber solche Entwicklungen machen sich durch die ganze Kette bemerkbar, und am Ende zahlt der Verbraucher.«

Indien, der zweite große Aufsteiger in die erste Liga der Industrienationen, hat auf die Entwicklung mit einer strategischen Entscheidung reagiert. Die Regierung in Delhi setzt auf Autarkie und hat den Export von Eisenerz in den vergangenen Jahren immer weiter eingeschränkt, um die heimische Nachfrage zu befriedigen. Auch Arcelor Mittal, mit Abstand der weltgrößte Stahlproduzent, der auch Werke in Deutschland betreibt, will mittelfristig 75 Prozent seines Bedarfs an Erz und Koks aus eigenen Minen beziehen.

Eigenschaften eines Kartells

Tom Albanese - CEO von Rio Tinto Quelle: REUTERS

In der Pilbara fährt Rebecca Murphy mit ihrem Rio-Tinto-Jeep in Richtung Hafen. Eisenzäune und Stacheldraht schließen das Gelände ein. Jeder, der rein oder raus will, wird an der Pförtnerloge kontrolliert. »Die Hafenanlage ist unser Prunkstück«, erklärt Murphy. Es sei die effizienteste Anlage in der gesamten Industrie weltweit. Hier werden Millionen Tonnen roher Erde bewegt, und doch sieht man kaum einen Menschen. Alles geschieht ferngesteuert aus dem Kontrollzentrum im 1.000 Kilometer entfernten Perth. Alle acht Stunden kommt hier ein Zug mit Aarons Fracht an. Nacheinander werden die Waggons zum Entladen hydraulisch auf den Kopf gestellt. Ein Gewirr von Fließbändern auf dünnen Stahlbeinen trägt das Erz wieder auf Halden – 500 Meter lang und 40 Meter hoch. Der Absetzer, ein stählernes Monstrum mit einem Schaufelrad, das wie ein grotesker Kopf an einem stählernen Hals hängt, gräbt sich in den Berg und hebt das Erz auf ein Förderband. Von hier geht das Erz direkt in den Rumpf der Massengutdampfer. Nach 20 Stunden ist einer voll. Draußen beim vorgelagerten Archipel wartet dann schon das nächste Schiff.

Die Hafenanlagen, die Rebecca Murphy das »Prunkstück« nennt, sollen in den nächsten Jahren ausgebaut werden. In den Nachbarhafen Camp Lambert werden sieben Milliarden US-Dollar investiert. »Wenn Sie Massengut verkaufen, ist die Infrastruktur fast wichtiger als das Produkt selbst«, sagt Guy Elliott. Die Hightech-Häfen, die 1.400 Kilometer Eisenbahnstrecke und die Hoheit über die Vorkommen – für Gordon Moffat ist das der Knebel, mit dem die drei großen Bergbaukonzerne den Marktpreis künstlich steuern. »An jeder kleinen Verzögerung bei der Exploration verdienen die noch mehr Geld.« Es sei ein Markt, der eindeutig die Eigenschaften eines Kartells zeige. Nicht zuletzt, weil Rio Tinto, BHP Biliton und Vale nicht nur das Eisenerzgeschäft dominieren, sondern auch den Markt für Koks, das für die Stahlherstellung benötigt wird.

Hinter vorgehaltener Hand vergleichen einige Londoner Analysten die Rolle der »drei Großen« auch mit der Monopolstellung der Opec. Im Ölgeschäft jedoch gebe es wenigstens »eine Form der politischen Kontrolle auf internationaler Regierungsebene«, sagt einer. »Im Erzsektor fehlt auch dieses Regulativ.« Rio Tintos Finanzvorstand Guy Elliott reagiert unwirsch auf solche Vorwürfe: »In allem, was wir tun, entsprechen wir den Regeln der Aufsichtsbehörden, und in diesem Rahmen betreiben wir einen harten Wettbewerb mit unseren Konkurrenten.«

Die Rohstoffkonzerne profitieren von der Verschiebung der globalen Märkte

Freilich werden auch die Minengesellschaften nicht von der nächsten Krise der Weltwirtschaft verschont bleiben. Die Analysten von JP Morgan rechnen damit, dass der Eisenerzpreis wegen der sinkenden Nachfrage aus China bis 2015 um bis zu 37 Prozent auf 105 Dollar pro Tonne fallen könnte. »Aber auch dieser zyklische Einbruch ändert nichts daran, dass die Rohstoffkonzerne von der Verschiebung der globalen Marktkräfte von Norden nach Süden langfristig erheblich profitieren werden«, sagt der Rohstoffanalyst Joe Malden. Beim nächsten Aufschwung werde die Nachfrage nach Erz aus den Schwellenländern in Asien und Südamerika weiter zunehmen.

Dann wird auch die Verflechtung des Südens mit dem Süden stärker werden, die Süd-Süd-Dynamik in der Weltwirtschaft noch weiter zunehmen. Auf der Suche nach Rohstoffsicherheit hatte der chinesische staatliche Aluminiumproduzent Chinalco vor zwei Jahren versucht, seinen Anteil von 9 Prozent an Rio zu verdoppeln. Am Ende gelang es dem Rio-Tinto-Vorstand Elliott, seinen Vorstandskollegen und die größten Investoren davon zu überzeugen, den Deal abzusagen. Noch heute spürt man seine Erleichterung.

Doch China und die Minengesellschaft stehen sich keineswegs unversöhnlich gegenüber. Im letzten Jahr haben Rio Tinto und Chinalco einen Vertrag für ein Joint Venture im westafrikanischen Guinea unterzeichnet. Die Erschließungskosten sind, wie immer in dieser Branche, immens. Gemeinsam werden die Partner nun 25 Milliarden US-Dollar investieren, bevor die erste Tonne Erz über eine 700 Kilometer lange neue Eisenbahnstrecke durch den Urwald in einem neu gebauten Hafen ankommt.

Aaron hat auch von dem Projekt gehört. »Das wär noch was«, sagt er grinsend. »Am Ende der Welt zu arbeiten macht ja nichts, aber in Afrika ist das Ende wenigstens grün.«

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