Rio Tinto Herrscher der Rohstoffwelt

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Konzentrierte Marktmacht

Arbeiten in einer Rio Tinto-Mine Quelle: AP

In den vergangenen zehn Jahren ist der Erzpreis um 700 Prozent gestiegen, und so mögen die Minengesellschaften früher die dreckigen Zuarbeiter der Industriebarone gewesen sein, heute sind sie die Könige der Barone. In kaum einem anderen Sektor dieser Größenordnung konzentriert sich die Marktmacht heute auf so wenige Unternehmen. Das liegt daran, dass sich die Spielregeln in den vergangenen Jahren geändert haben, und zwar so radikal, dass selbst deutsche Autokäufer davon betroffen sind.

Vierzig Jahre lang wurde der Erzpreis per Handschlag festgelegt. Einmal im Jahr trafen sich die größten Stahlhersteller aus Europa, den USA und Japan mit den Erzlieferanten, diskutierten den Markt und einigten sich auf einen Basispreis. »Das war nicht nur gut für die Stahlindustrie, sondern auch für ihre Kunden«, sagt Gordon Moffat, der Chef des Dachverbandes der europäischen Eisen- und Stahlindustrie. »Die Preissicherheit wurde durch die ganze Wertschöpfungskette hindurch bis an den Konsumenten weitergereicht.« Thyssen und Krupp vertraten bei diesen Verhandlungen also nicht nur ihre eigenen Interessen, sondern die der deutschen Industrie und am Ende auch des Verbrauchers.

Verheerende Entwicklung für die Stahlindustrie

Heute wird der Basispreis quartalsweise neu verhandelt. In Singapur etabliert sich ein Spotmarkt für Eisenerz, und Broker in London, Tokio und New York entwickeln neue Spekulationspapiere. Zunächst klingt das so, als würde Eisenerz nun genauso gehandelt wie alle anderen Rohstoffe auch. Für die Stahlindustrie war diese Entwicklung jedoch verheerend. »Die Grubenbesitzer haben aus einem Markt der gleichberechtigten Handelspartner einen Verkäufermarkt gemacht und knebeln jetzt ihre Abnehmer«, sagt Gordon Moffat. Die meisten Stahlhändler hätten Jahreskontrakte mit ihren Kunden, erklärt er, und in den vergangenen zwei Jahren sei der Erzpreis derart explodiert, dass die Steigerung nicht sofort an die Automobil- und Maschinenbauindustrie weitergegeben werden konnte. Zu Beginn der Weltwirtschaftskrise 2009 etwa, als die Stahlbranche in Europa Absatzeinbußen von 50 Prozent erlebte, verdoppelte sich der Erzpreis binnen eines Quartals. »Für die Stahlindustrie bedeutete das enorme Verluste«, sagt Moffat.

Mittlerweile konnten die Stahlkocher diese Preisentwicklung auf ihre Kunden abwälzen und die wiederum auf den Endverbraucher. »Es hat einige Zeit gedauert, bis wir das aufholen konnten«, sagt Erwin Schneider von ThyssenKrupp. »Aber solche Entwicklungen machen sich durch die ganze Kette bemerkbar, und am Ende zahlt der Verbraucher.«

Indien, der zweite große Aufsteiger in die erste Liga der Industrienationen, hat auf die Entwicklung mit einer strategischen Entscheidung reagiert. Die Regierung in Delhi setzt auf Autarkie und hat den Export von Eisenerz in den vergangenen Jahren immer weiter eingeschränkt, um die heimische Nachfrage zu befriedigen. Auch Arcelor Mittal, mit Abstand der weltgrößte Stahlproduzent, der auch Werke in Deutschland betreibt, will mittelfristig 75 Prozent seines Bedarfs an Erz und Koks aus eigenen Minen beziehen.

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