Risiko für die Nato Warum die Hightech-Waffen der Ukraine nichts bringen

Ein Flakpanzer vom Typ Gepard fährt auf einem Truppenübungsplatz Quelle: dpa

So sehr die Ukraine die Panzer brauchen kann: Die Lieferung ist überstürzt. Denn in der Ukraine ist etwa das Gepard-Flugabwehr-System von begrenztem Nutzen – aus mehreren Gründen. Ein Kommentar.

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Es ist auf den ersten Blick ein überfälliger Befreiungsschlag. Nachdem bereits viele Natoländer der Ukraine Kampfpanzer liefern wollen, öffnet nun endlich auch Deutschland seine Arsenale für die Freiheitskämpfer. Noch bevor sich der eigentlich zuständige Bundessicherheitsrat damit befasst, hat die Bundesregierung am Dienstagmorgen neben dem Schützenpanzer Marder die Weitergabe von bis zu 50 Gepard-Flugabwehrpanzern verkündet und will die Lieferung modernster Kanonen wie der Haubitze 2000 des Münchner Herstellers KMW aus Beständen der Niederlande unterstützen. Selbst weitere potentielle Angriffswaffen wie der Leopard-Panzer sind nun nicht länger tabu.

Politisch ist es sicher ein eindrucksvolles Signal, dass Deutschland nach Geld und Kleinwaffen nun endlich unbürokratisch mit modernem Gerät aushilft. Doch so sehr die Ukraine etwa die Marder oder andere Panzer wie den Fuchs brauchen kann: Die Lieferung vieler Hightechwaffen ist überstürzt, weil militärisch erstmal mehr oder weniger sinnlos. Denn sie können unter den gegenwärtigen Umständen die Erwartungen nicht erfüllen. Und der hastige Aktionismus ist auch ein Risiko für die Nato selbst.

Am deutlichsten zeigt das die Gepard-Flugabwehr. Die gilt zu Recht als Albtraum jedes Kampfpiloten. Sie baut vor jedem Angreifer quasi eine dichte Wolke von Schwermetallen auf, der kein Fluggerät entkommt. Darum schützt Qatar während der kommenden Fußball-WM seine Stadien mit Geparden vor Angriffen durch Tiefflieger oder Drohnen, ebenso wie zuvor etwa Brasilien seine Fußball-WM oder die Olympiade.

Doch in der Ukraine ist das System von begrenztem Nutzen. Zum einen fehlt die Munition. Wie mehrere Kenner der Materie berichten, gibt es wohl nur rund 30.000 Schuss Munition. Damit kämen die avisierten 50 Einheiten im Ernstfall genau 36 Sekunden aus. Denn die Zwillingskanone jedes Geparden verschießt pro Minute bis zu 1000 Patronen. Selbst wenn das System im Idealfall durchschnittlich nur 14 Schuss auf eine Salve verwendet, könnte jeder der 50 gut 40 Salven feuern – und dann wäre erstmal Schluss. Denn für den Nachschub im seltenen Kaliber 35 Millimeter gibt es wenig Hersteller.

Verteidigungsministerin Lambrecht trifft am Dienstag ihren US-Amtskollegen. Gleichzeitig eskaliert der Streit um die Lieferung schwerer Waffen – auf den Druck hin lenkt die Regierung nun ein und liefert Gepard-Panzer.
von Max Biederbeck, Rüdiger Kiani-Kreß

Leider ist die fehlende Munition nicht das einzige Problem. Damit die Salven auch treffen, braucht die Besatzung eine gründliche Ausbildung. Anders als beim reinen Fahren müssen Soldaten aus Sicht von Experten ein paar Wochen üben, bis sie das trotz seines Alters schon recht anspruchsvolle System beherrschen. Und damit das sitzt, braucht es wahrscheinlich für jede Crew auch ein paar Probeschüsse, was die ohnehin knappen Munitionsvorräte weiter dezimiert.

Lesen Sie auch: Die Regierung lenkt im Streit um Waffenlieferungen ein

Noch absurder ist die Lieferung der Panzerhaubitze 2000. Das Gerät ist zwar ideal, weil die Ukraine damit im flachen Ostteil des Landes Angreifer aus sicherer Entfernung ausschalten kann. Doch hier dauert die anspruchsvolle Ausbildung Monate. Dazu entfaltet die Haubitze ihre erschreckende Kraft nur richtig im Zusammenspiel mit anderen Systemen, die die Ukraine nicht oder noch nicht hat.

Und zu guter Letzt ist die Lieferung solcher Hightechwaffen nicht ohne Risiko. Militärexperten graut davor, dass etwa eine Panzerhaubitze 2000 in russische Hände fällt. Damit könnte das Land nicht nur ähnliches bauen. Es könnte auch die Schwachstellen finden und später im Einsatz nutzen, eventuell auch gegen Natostaaten. Darum sollten Bundesregierung und der Bundessicherheitsrat dem öffentlichen Druck auf schnelle Lieferungen nicht einfach nachgeben, sondern jede Lieferung genau prüfen. Denn bei aller Hilfsbereitschaft halten sich selbst die lieferfreudigen USA bei Dingen wie ihrem Top-Panzer Abrams oder den Patriot-Luftabwehrsystemen zurück.

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