Rohstoffe Öl oder Fisch? Norwegen streitet über Ölförderung

Seite 2/2

Negative Reaktionen der Fische

Das Öl hat Norwegen reich gemacht und ist ein Grund, warum das Land im Norden bei vielen internationalen Rankings immer ganz oben mitmischt. Die Ressourcen gehören dem Volk und die Gewinne wurden auch über einen mittlerweile billionenschweren Staatsfonds klug investiert: in Bildung, in Gesundheit, in Infrastruktur. Den Norwegern geht es überdurchschnittlich gut.

Entlang der gesamten Nordseeküste und in der Barentssee wird Öl gefördert. Die Region um Lofoten wurde bisher ausgespart - weil sie verletzlich ist. „Das ist das wichtigste Gebiet für die norwegische Fischerei“, sagt Wenche Cumming von der Bürgerinitiative „Ölfreies Lofoten“ in Svolvær. „70 Prozent der Fische, die entlang der norwegischen Küste gefangen werden, waren im Laufe ihres Lebens mindestens einmal in diesem Gebiet.“ Daher sei das Risiko, dass Öl austrete, zu groß. „Wir können innerhalb kurzer Zeit viel verlieren.“

Doch nicht nur mögliche Öllecks machen ihr Sorgen. „Was die Fischer am meisten fürchten, sind die seismischen Untersuchungen. Da werden Druckwellen in den Meeresboden geschossen, um das Öl zu lokalisieren.“ Dieses Geräusch verschrecke Fische und Wale.

Frode Vikebø vom Meeresforschungsinstitut in Bergen teilt die Befürchtungen. Frühere Untersuchungen hätten gezeigt, dass seismische Schallwellen Auswirkungen auf die Fangrate haben, sagt der Wissenschaftler. Man fürchte, dass Fische negativ auf diese Wellen reagieren. „Das kann Auswirkungen auf das Überleben von Eiern und Larven haben. Vor diesem Hintergrund empfiehlt das Meeresforschungsinstitut heute, innerhalb von 20 nautischen Meilen von wichtigen Laichgebieten keine seismischen Untersuchungen vorzunehmen“, so Vikebø.

Kjell Giæver vom Lobbyverband Petroarctic in Bodø, der eng mit den Ölgesellschaften und den regionalen Behörden und Unternehmen zusammenarbeitet, hat für die Sorgen Verständnis. „Wir dürfen keine Kompromisse eingehen. Wenn das Risiko zu groß sein sollte, dürfen wir das nicht machen.“ Trotzdem meint er, dass Norwegen weiter auf die Ölindustrie setzen sollte. „Öl und Gas wird über Hunderte Jahre hinaus ein wichtiger Teil des Energiemixes und des Produktionsmixes sein. Auch wenn man diskutieren kann, ob das viel oder wenig Öl sein soll, Norwegen wird auch in Zukunft eine Rolle dabei spielen.“

Fast die gesamte Produktion werde nach Europa exportiert und gerade deshalb falle Norwegen die Rolle zu, den grünen Wandel in anderen Ländern voranzutreiben. Von allen ölfördernden Ländern habe Norwegen die höchsten Sicherheitsstandards, meint Giæver. „Warum sollen ausgerechnet wir als erstes den Hahn zudrehen? Wir müssen der Welt zeigen, wie man sowas mit so einem möglichst geringen Risiko macht.“ Norwegen investiere einen großen Teil der Gewinne aus dem Ölgeschäft in die Entwicklung von Technologie zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes. „Das kann man nicht machen, wenn man kein Geld hat.“

Die Bewohner von Lofoten sehen das ganz große Bild nicht. Sie fürchten, dass ihre einzigartige Natur wirtschaftlichen Interessen geopfert werde. Für Aktivistin Wenche Cumming ist klar, dass ein Ja zur Evaluierung große Proteste provozieren würde. „Ich glaube, dass dann viele im Fjord und an Land Blockaden errichten, um das zu stoppen.“

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%