Rosskur gegen Corona? „Keine erhöhte Nachfrage“ nach Entwurmungsmittel Ivermectin

Quelle: AP

Wurmkuren mit dem fälschlicherweise als Covid-Kur propagierten Wirkstoff Ivermectin sind nicht vergriffen – weder in Deutschland noch in Österreich. Die Mechanismen des europäischen Gesundheitswesens halten der Fake-News-Welle von rechts stand.

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Die Schlagzeile schlug ein wie eine Bombe: „Ivermectin ist immer wieder ausverkauft, und das, obwohl es rezeptpflichtig ist“, wird der Präsident der oberösterreichischen Apothekerkammer, Thomas Veitschegger, zitiert. Kann es sein, dass die Menschen im Nachbarland von ihren Ärzten Wurmkuren gegen Corona verschrieben bekommen? Die österreichische Apothekenkammer in Wien winkt ab: „In Oberösterreich gab es kurzfristig wirklich einen Engpass, mittlerweile sind die Produkte in ganz Österreich lieferbar.“

Die für Menschen vorgesehenen Arzneimittel mit Ivermectin sind verschreibungspflichtig. In Oberösterreich war es kurzfristig zum Engpass gekommen, weil dort von ausländischen EU-Ärzten ausgestellte Rezepte über größere Menge eingelöst wurden. Dahinter können organisierte Ringe stehen, die das Mittel im Darknet weiterverkaufen wollen. Inzwischen aber hat die Kammer den Apotheken nahegelegt, „mit Augenmaß“ zu agieren, wenn Verschreibungen aus anderen EU-Mitgliedstaaten für nicht plausible Mengen eingereicht würden. Im Zweifel müsse die Apotheke Rücksprache mit dem verschreibenden Arzt halten. Eigentlich sind Apotheken verpflichtet, gegen formal gültige ärztliche Verschreibungen Medikamente abzugeben, auch bei Verschreibungen von Ärzten aus anderen EU-Mitgliedstaaten. „Allerdings gilt das nicht, wenn ein gesetzlicher „Ausgabeverweigerungsgrund vorliegt“, so Jan Theis, Pressesprecher der österreichischen Apothekenkammer.

Der vermeintliche Run auf die Wurmkuren in Österreich wurde ausgelöst, weil der Parteichef der rechten FPÖ, Herbert Kickl, es Anfang November als frühzeitige Behandlung gegen Covid-19 empfahl. Er stellte die Wurmkur als Alternative zur Impfung dar. Dabei haben großangelegte Studien erwiesen, dass das Mittel nicht wirkt.

Der Hersteller, das mittelständische Familienunternehmen Infectopharm aus Heppenheim bei Frankfurt, bestätigt, dass es keinerlei Engpässe gebe: „Wir stellen keine erhöhte Nachfrage im Zusammenhang mit der Corona-Epidemie fest“, sagt Geschäftsführer Markus Rudolph. „Die Medikamente Driponin sowie Ivermectin Pädia seien in allen Packungsgrößen erhältlich.“ Beiden Produkte mit dem Wirkstoff Ivermectin sind für die orale Einnahme gegen Parasitenbefall beim Menschen vorgesehen. In Österreich und Tschechien vertreibt Infectopharm das Medikament unter den Namen Scabioral und Loutol. Allenfalls gäbe es im Herbst und Winter einen erhöhten Bedarf im üblichen Rahmen, weil die Krätzefälle saisonal bedingt steigen. Er warnt, dass die Medikamente nicht zur Anwendung bei Sars-CoV-2-Infektionen zugelassen seien.

Auch die Datenbank des Bundesinstituts für Arzneimittel, die Lieferengpässe tagesaktuell anzeigt, verzeichnet keinerlei Unregelmäßigkeiten bei der Verfügbarkeit.

Gerade in rechten Kreisen in den USA werden Fake News über die Wirksamkeit von Ivermectin schon seit August verbreitet. In Reddit-Gruppen diskutieren Nutzer zum Beispiel darüber, dass die Pferdesalbe am besten auf salzigen Crackern herunterzubekommen sei. Auch aus deutschen Intensivstationen mehren sich Berichte, dass an Covid-19 erkrankte Menschen nach einer Behandlung mit Ivermectin verlangten.

2015 hatten zwei Forscher aus Japan und den USA den Nobelpreis der Medizin für das in den Siebzigerjahren entdeckte Mittel gegen Parasiten gewonnen. Gegen Würmer ist die Wirksamkeit des „Wundermittels“ belegt – keinesfalls aber gegen Viren.


In den USA berichtete die „New York Times“ über fünffach höhere Preise für Wurmkuren für Pferde – teils waren sie völlig vergriffen. Zugleich vergifteten sich mehrere Menschen, die die Kuren eingenommen hatten.

In Deutschland schiebt das Gesundheitswesen diesem Missbrauch eine Riegel vor: Wurmkuren für Pferde sind verschreibungspflichtig und werden nur gegen Rezepte von Tierärzten verkauft. Lediglich Wurmkuren für Kleintiere sind frei erhältlich, allerdings ist die Konzentration des Wirkstoffs darin sehr niedrig: „Die Regulierung schützt vor dem größten Unfug“, sagt Jörg Hannemann, Deutschlandchef von Virbac, einem französischen Pharmakonzern, der die Rosswurmkur Equimax vertreibt. Er hat keinerlei Unregelmäßigkeiten bei der Nachfrage gesehen. „Dass das Mittel gegen Covid-19 hilft, ist ein völliger Irrglaube“, so Hannemann. In Deutschland wird etwa die Hälfte der eine Million Pferde regelmäßig entwurmt. Zwei bis drei Unternehmen stellen Wurmkuren mit Ivermectin her.

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In dem unseriösen Hype um Ivermectin steckt ein kleiner Funken Wahrheit: In einem ersten Laborversuch hatte Ivermectin in hoher Dosierung gegen Coronaviren im Reagenzglas Wirkung gezeigt und deren Konzentration gesenkt. Eine so hohe Dosierung führt bei Menschen aber zu Vergiftungserscheinungen. Die Wirksamkeit an Menschen konnte nie belegt werden: Eine Metastudie des Universitätsklinikums Würzburg aus dem Juli, die 14 Studien mit rund 1700 Beteiligten auswertete, zeigte keinerlei Hinweise darauf, dass Ivermectin den Zustand der an Covid-19 erkrankten Patienten verbesserte oder die Zahl der Todesfälle reduzierte. Im Gegenteil: Ärzte warnen vor einer Selbstmedikation mit dem Medikament.

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