Rückschlag in den USA Welche Chancen hat Bayer jetzt noch im Glyphosat-Streit?

Das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat hat Bayer in den USA zahlreiche Klagen eingebracht. Quelle: imago images

Der US-Rechtsstreit um den Unkrautvernichter Glyphosat hat Bayer Milliarden gekostet. Der Konzern versucht den Befreiungsschlag am Obersten Gerichtshof – und muss nun einen schweren Rückschlag einstecken. Bayer will kämpfen, doch am Ende könnte es noch teurer werden.

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Es waren  gute Nachrichten in Sachen Glyphosat, die Bayer-Chef Werner Baumann am  Dienstag dieser Woche verkünden konnte. Zwischen Januar und März hat die Agrarsparte des Konzerns kräftig zugelegt – insbesondere der Unkrautvernichter Glyphosat, Markenname „Roundup“, war auf den Feldern stark gefragt. In all den Jahren zuvor hatte Glyphosat überwiegend für Negativ-Schlagzeilen gesorgt: Über hunderttausend  Amerikaner, die einen Zusammenhang zwischen dem Gebrauch von Roundup und ihrer Krebserkrankung sehen, hatten Bayer in juristische Bredouillen gebracht. Bayer bestreitet anhand zahlreicher Studien einen solchen Zusammenhang.  Der Konzern hat bereits Milliarden für Vergleiche aufgewendet, Zehntausende Klagen stehen aber  immer noch aus.          

Die Hiobsbotschaft erreichte Bayer dann in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch. Um endlich Klarheit über die Glyphosat-Klagen zu bekommen, hatte Bayer beim Obersten Gerichtshof der USA Berufung eingelegt  – beispielhaft für den Fall des Klägers Edwin Hardeman. Dass der Oberste Gerichtshof dazu eine Stellungnahme der USA-Regierung einholen wollte, werteten sie bei Bayer als gutes Zeichen – der Fall schien interessant zu sein. Nun kam die Stellungnahme  – und sie fiel nicht im Sinne von Bayer aus: Die US-Regierung riet dem Obersten Gericht davon ab, den Fall anzunehmen.

Die Entscheidung der Richter steht freilich noch aus. Bayer muss nun allerdings damit rechnen, vor dem Obersten Gerichtshof zu scheitern.  Für den Fall einer negativen Entscheidung des US-Gerichts hatte Bayer schon vor Monaten 4,5 Milliarden Dollar (3,8 Milliarden Euro) zurückgestellt. Die Aussicht, dass damit weiteres Geld aus dem Konzern abfließt, schreckte die Aktionäre: Am Mittwochvormittag verlor die Aktie über sechs Prozent ihres Wertes.

Welche Chancen hat Bayer jetzt noch? Es sieht nicht allzu gut aus.

Der Konzern kündigte an, eine weitere Stellungnahme zu der Causa einzureichen. Dafür hat Bayer nun zwei Wochen Zeit. Danach wird der Oberste Gerichtshof eine Entscheidung treffen, womöglich könnte das Anfang Juli der Fall sein. Das US-Gericht kann die Annahme des Falles dann entweder ablehnen oder weiterverfolgen.

Noch mehr Glyphosat-Fälle? 

Markus Manns, Portfoliomanager beim Bayer-Aktionär Union Investment sieht einen „herben Rückschlag für Bayer“. In 90 Prozent der Fälle folge der Oberste Gerichtshof den Empfehlungen der Regierung:  Bayer hat zwar erhebliche Rückstellungen für die noch offenen 30 000 Fälle und für zukünftige Fälle gebildet, dennoch ist die Unsicherheit deutlich gestiegen.“ Es sei  wahrscheinlich, „dass sich in den nächsten Jahren neue Fälle anhäufen und Investoren wieder mit negativem Newsflow wie Klagen, verlorenen Prozessen und Schadenersatzzahlungen konfrontiert werden.“ Der Kauf von Monsanto war trotz kommerzieller Logik ein Fehler, findet Manns: „Bayer hat die Risiken komplett unterschätzt. Bayer hätte das Geld aus den Rückstellungen gut für Akquisitionen im Pharmabereich  einsetzen können.“

Vor der US-Regierung scheint Bayer jedoch mit seinen Hauptargumenten nicht  durchgedrungen zu sein. Der Leverkusener Konzern hatte vor allem damit argumentiert, dass die US-Umweltbehörde EPA eine Krebswarnung auf Glyphosat-Produkten als unbegründet und unsachgemäß ansah. Die Entscheidung der Bundesbehörde erachtet Bayer als bindend. Beides zusammen gehe nicht, argumentierte der Konzern – sich gleichzeitig an Bundesrecht zu halten und die Forderung nach einer Krebswarnung zu erfüllen, die einzelne Bundesstaaten erhoben hatten.

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Das Argument hat die Generalstaatsanwältin Elizabeth Prelogar, die die Regierung vor dem Obersten Gerichtshof vertritt, allerdings nicht überzeugt.  Die Genehmigung des Unkrautvernichters durch die US-Umweltschutzbehörde EPA ohne Warnung vor bestimmten chronischen Risiken „hebt an sich nicht die Verpflichtung auf, solche Warnhinweise zu geben“, schreibt Prelogar in der Stellungnahme.   

Bayer hält weiterhin an seiner Rechtsposition fest: „Wir sind weiterhin überzeugt, dass es gute rechtliche Argumente für den Obersten Gerichtshof  gibt, den Fall Hardeman zu überprüfen und das Urteil zu korrigieren“, schreibt das Unternehmen. Dies bestätigen nach Ansicht von Bayer zahlreiche Stellungnahmen, die dazu eingereicht wurden:  „Die verantwortliche amerikanische Umweltschutzbehörde EPA hat mehrfach festgestellt, dass glyphosatbasierte Herbizide sicher genutzt werden können und nicht krebserregend sind. Daher wäre eine Krebswarnung auf diesen Produkten falsch und irreführend und wird durch das relevante Bundesgesetz  ausgeschlossen.“

Die wenigsten Fälle werden angenommen 

Die Hürden, dass  der Oberste Gerichtshof einen Fall annimmt, sind allerdings ohnehin hoch. Tausende Anträge gehen jedes Jahr im Gebäude an der 1st Street in Washington ein, angehört werden zwischen 100 und 150. Welche das sind,  entscheiden die Richter: Mindestens vier der neun Juristen müssen sich für einen Fall aussprechen. Hauptsächlich nimmt der Supreme Court Fälle an, die das ganze Land betreffen, nicht direkt betroffene Parteien. Das Oberste Gericht will rechtliche Streitfragen klären, die für so viele Menschen wie möglich bedeutsam sind.

Ob die möglichen Auswirkungen eines Produkts von Bayer für die breite, nationale US-Öffentlichkeit relevant sind, hatte der Rechtsprofessor Steven Todd Brown bereits kurz nach der Anrufung des Gerichts bezweifelt: „Die Chancen, dass der Bayer-Fall angenommen wird, liegt vermutlich bei weniger als 50 Prozent.“

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Doch selbst, wenn der Oberste Gerichtshof den Fall annimmt, ist das noch kein juristischer Sieg für Bayer. 2005 hatte sich das Gericht mit einem ähnlich gelagerten Fall befasst – und gegen die Unternehmensinteressen entschieden. Was Bayer allerdings helfen könnte: Der frühere US-Präsident Donald Trump hat mittlerweile dafür gesorgt, dass wirtschaftsfreundlichere Richter über die Fälle entscheiden. Das ist dann wenigstens ein kleiner Hoffnungsschimmer.  

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