Siemens-Aufsichtsratschef Jim Hagemann Snabe plant, sich in zwei Jahren von dem Münchner Dax-Konzern zu verabschieden. Er wolle sich auf der Hauptversammlung Anfang 2025 nicht wieder zur Wahl stellen, sagte Snabe laut Konzerninsidern. Der Däne begründet dies Siemens-Kreisen zufolge damit, dass er dem Kontrollgremium dann zwölf Jahre angehöre und laut Corporate-Governance-Kodex für gute Unternehmensführung nicht mehr als unabhängig gelte. Der frühere SAP-Co-Chef zog 2013 in den Aufsichtsrat ein und übernahm Anfang 2018 dessen Vorsitz.
Eine Rolle spielt wohl auch, dass Snabe die Regularien des mitbestimmten Großkonzerns als einengend empfindet. Zuletzt verlegte er sich lieber auf internationale Wachstumsfirmen: Ende 2022 übernahm er den Verwaltungsratsvorsitz beim schwedischen Batterie-Start-up Northvolt und den Beiratsvorsitz beim Luxemburger Zahlungsverkehrsdienstleister Banking Circle, der mehrheitlich dem schwedischen Finanzinvestor EQT gehört. Zudem ist er Verwaltungsrat der US-Softwarefirma C3.ai.
Als potenzielle Nachfolger kämen aus dem Siemens-Aufsichtsrat der frühere Adidas-Chef Kasper Rorsted sowie Thyssenkrupp-CEO Martina Merz in Betracht, verlautet aus dem Umfeld des Gremiums. Beide müssten allerdings mit Widerstand wichtiger Aktionäre rechnen. Rorsteds Ruf bei Investoren scheint ruiniert, da er bei Adidas einen Sanierungsfall hinterließ. Neukontrolleurin Merz erhielt Anfang Februar bei ihrer Wahl 11,5 Prozent Nein-Stimmen, da sie als Chefin des kriselnden Essener Mischkonzerns nach Meinung mancher Fondsmanager zu wenig Zeit aufbringt.
Selbst wenn Merz bis 2025 bei Thyssenkrupp ausscheiden sollte, wäre ihre Wahl zur Siemens-Chefaufseherin laut Investorenkreisen kein Selbstläufer. Ihre Bilanz dort ist durchwachsen, einigen im Konzern gilt sie als überfordert.
Der 57-jährige Snabe war in den vergangenen Jahren einer der mächtigsten Aufsichtsräte Deutschlands. Bis Mai 2022 war er stellvertretender Aufsichtsratschef beim Münchner Versicherungsriesen Allianz. Damals stellte er sich nicht mehr zur Wahl mit der Begründung, er wolle sich auf seine „einzigartigen Aufgaben bei Siemens, C3.ai und beim World Economic Forum fokussieren“. Beim Weltwirtschaftsforum ist Snabe Mitglied des Stiftungsrats.
Bis vor einem Jahr füllte Snabe zudem in seinem Heimatland Dänemark die Position des Chairman bei der weltweit zweitgrößten Reederei AP Moeller Moersk aus, wurde dort aber entgegen seiner eigenen Erwartung nicht um eine Verlängerung gebeten.
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