Rüstung „Die 100 Milliarden sind nur eine Anschubfinanzierung“

Rheinmetall-Chef Armin Papperger Quelle: Marcus Simaitis für WirtschaftsWoche

Rheinmetall-Chef Armin Papperger hält die aktuell heftig kritisierten Anlaufprobleme des deutschen Rüstungsprogramms für überwindbar, kann die harte Kritik an der Bundeswehrbeschaffungsbehörde nicht verstehen und erwartet jede Menge neuer Aufträge.

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WirtschaftsWoche: Herr Papperger, als die Bundesregierung Ende Februar das 100 Milliarden-Programm für die Bundeswehr verkündete, versprach sie rasche Aufträge. Doch diese Woche wuchs die Kritik von Politikern wie der Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), dass sich in den fast acht Monaten fast nichts getan hat. Sind auch Sie enttäuscht?
Armin Papperger: Nein. Ganz und gar nicht. Natürlich sind seit der Rede des Bundeskanzlers zur Zeitenwende viele ungeduldig. Die Geschwindigkeit, die wir zu Anfang erwartet haben, konnte nicht erreicht werden. Doch tatsächlich ist der Fortschritt bei der Beschaffung für die Bundeswehr seit dem Beginn des Ukrainekriegs bemerkenswert und viel größer, als das jemand am Anfang des Jahres noch hoffen konnte. Die Regierung hat nicht nur Maßnahmen angekündigt. Sie setzt sie auch um – und das in Rekordzeit. Nicht nur das Geld ist nun verfügbar. Auch die Bürokratie kommt ins Rollen. Und ob eine Bestellung jetzt oder ein paar Monate später kommt, ist nicht so wichtig. Entscheidend ist, dass die Negativtendenz gebrochen ist, nach all den Jahren, wo sich ja wenig getan hat.

Warum sind dann so wenige Aufträge unterzeichnet?
Der Eindruck täuscht. Es gibt bereits viele Aufträge. Auch die bürokratischen Vorgaben der Beschaffung sind gelockert, wenn auch leider in einem deutlich geringeren Umfang als von vielen nach den Ankündigungen Ende Februar erwartet. Denn es ist trotz des guten Willens rein rechtlich offenbar doch nicht so einfach, wie wir alle dachten.

Also wirkt das Beschaffungsbeschleunigungsgesetz nicht, mit dem die Bundesregierung für schnellere Bestellungen sorgen wollte.
Doch, das wirkt – allerdings bislang eher bei den kleineren Aufträgen. Doch auch bei den großen Programmen geht es schneller. Die Voraussetzung ist aber eine straffe Führung und klare Kommunikation, vor allem durch das Ministerium. Was möglich ist, zeigt die Lösung der Probleme beim Schützenpanzer Puma, wo lange Zeit nur gut ein Drittel der Fahrzeuge einsatzbereit war. Hier hat das Amt ein Projekt zur Lösung straff durchgezogen und die Beteiligten aus dem Ministerium, der Industrie und der Dienstleister wie der Heeresinstandsetzungslogistik an einen Tisch geholt. Und prompt stieg die Verfügbarkeit des Puma von 35 auf mittlerweile 70 Prozent.

Zur Person

Trotzdem fordern viele, die BAAINBw genannte oberste Beschaffungsbehörde der Bundeswehr grundlegend zu reformieren oder am besten zu zerschlagen. Sie auch?
Ich glaube nicht, dass das im Augenblick hilft. Wer etwas zerschlägt, hat erstmal eine Lücke und muss auch hinterher etwas anderes aufbauen, das besser funktioniert. Und selbst wenn das die bessere Lösung wäre: Wollen wir in der jetzigen Situation wirklich zwei oder drei Jahre Stillstand?

Also sollte das BAAINBw so bleiben wie es ist?
Es gibt immer Dinge, die wir verbessern können. Doch aus meiner Erfahrung kann ich sagen: Das Amt macht in vielen Bereichen einen guten Job, vor allem wenn sich auch die Unternehmen gut vorbereitet haben. Das deutsche Beschaffungswesen hat Regeln und Prozesse, die das BAAINBw einhalten muss. Doch wenn die Führung entscheidet, diese vor allem bei Großprojekten flexibel und im Sinne der Bundesrepublik einzusetzen, gibt es gute und auch schnelle Ergebnisse. So haben wir Verträge innerhalb kürzester Zeit abgeschlossen. Doch der entscheidende Grund, warum die Beschaffung trotz aller Anpassungen etwas länger dauert, ist ein anderer.

Und welcher?
Die schiere Zahl der zusätzlichen Maßnahmen sorgt für einen Engpass. Das BAAINBw ist nicht nur von der Arbeitsweise, sondern auch von der Zahl der Mitarbeiter auf Friedenszeiten ausgelegt und hatte schon bisher begrenzte Ressourcen. Jetzt müssen alle neben den normalen Aufträgen zusätzlich noch das 100-Millliarden-Programm bearbeiten. Das ist eine Monsteraufgabe über Jahre, doch sie läuft gut an. Wir bei Rheinmetall verhandeln derzeit so viele Verträge wie noch nie.

Aber bestellt ist noch nicht viel.
Das täuscht. Denn vieles passiert eher im Hintergrund. Das beginnt mit der ganzen Serie von Ringtauschprojekten, wo Länder wie Tschechien oder Griechenland ihre Panzer in die Ukraine liefern und von uns Leopard 2 oder Marder bekommen. Da haben wir schon eine ganze Reihe gestartet und weitere werden folgen.

Die Milliardenhilfe für die Bundeswehr kommt nicht an – und selbst die Rüstungsindustrie ist unvorbereitet.
von Max Biederbeck, Rüdiger Kiani-Kreß

Und wann folgt endlich ein Großprojekt aus dem 100-Milliarden-Programm?
Bald. Noch ist zwar kein schlagzeilenträchtiges Großprojekt unterschrieben, aber dafür andere Dinge wie im Fall von Rheinmetall eine neue persönliche Schutzausstattung der Soldatinnen und Soldaten für fast 300 Millionen Euro. Und bis Ende des Jahres werden noch einige folgen. Es gibt etwa einen finalen Status beim F-35 und beim Schützenpanzer Puma, mit dem das Ministerium in den Haushaltsausschuss des Bundestages gehen kann. Wir als Rheinmetall sind nicht unzufrieden.

Welche Aufträge erwarten Sie konkret für Ihr Unternehmen?
Wir sind auf einem guten Weg beim Rahmenabkommen zum Thema Munition bis 2032 mit einem Wert von jährlich 500 bis 800 Millionen Euro. Ähnlich gut stehen wir bei den Logistikfahrzeugen mit einer ähnlichen Größenordnung. Das sind alles hohe Summen. Beim Puma nähern wir uns einem Abschluss bei gleich zwei Projekten. Da geht es bei den bisher ausgelieferten Fahrzeugen darum, sie zu digitalisieren und auf den Standard der schnellen Nato-Eingreiftruppe VTJF zu bringen. Gleichzeitig sprechen wir über das zweite Los Puma.

Wir hören, dass da nicht mal die Stückzahl feststeht.
Das stimmt. Doch das liegt nicht daran, dass der Auftrag in Frage stünde, sondern eher daran, dass die vorgesehene Menge nicht mehr ins bewilligte Budget passt. Aber ich gehe davon aus, dass wir bis Ende November eine Einigung haben. Klar ist auch, dass es einen neuen Radpanzer als Nachfolger des Transportpanzers Fuchs geben wird mit einem Budget von drei bis vier Milliarden Euro. Dazu kommt der Schwere Waffenträger Infanterie auf Basis des Radpanzers Boxer, der zusammen mit Australien realisiert wird. Und es gibt die Luftlandeplattform, eine Art geschützter Geländewagen, den wir zusammen mit Mercedes bauen. Und ich könnte noch einiges mehr aufzählen.

Ursprünglich war der Puma im 100-Milliarden-Programm kaum erwähnt, dafür aber ein Nachfolger des älteren Schützenpanzers Marder. Was ist der Unterschied?
Es geht um zweierlei: Neue Pumas und zusätzliche Radfahrzeuge wie den Boxer mit Turm als Waffenträger für die schweren und mittleren Kräfte des Heeres. Auch das wird kommen, ebenso wie die Soldatensysteme im Programm Infanterist der Zukunft, wo wir noch in diesem Jahr die ersten 14 Züge etwa mit Schutzwesten, Helmen und Funksystemen ausrüsten. Dies alles richtig über die Bühne zu bringen, ist gerade für die Amtsseite sehr anspruchsvoll.

Sie können also die harsche Kritik an der zögerlichen Vergabe nicht verstehen.
Unter dem Strich nicht. Warum sollte ich jammern, wenn das Ministerium über all diese Dinge mit uns spricht.

Ist Rheinmetall da nicht die große Ausnahme?
Das will ich nicht beurteilen. Aber es gibt sicher Unternehmen mit einem kleineren Produktportfolio.

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