




„Ohne eine gewisse Unabhängigkeit bei der Wahl unserer militärischen Ausrüstung werden wir in Europa abhängig von Dritten", warnte der seit Januar amtierende Thales-Chef Jean-Bernard Lévy im Interview. Dies zeige sich in der Diskussion um Drohnen. „Die Frage der Drohnen zeigt, wo die Souveränität der EU an ihre Grenzen stößt. Bisher gibt es nur eine europäische Drohne für kürzere Reichweiten, aber keine für längere Einsätze. Würde Europa seine Verteidigungsetats bündeln, könnten wir helfen, sie zu bauen."
Dabei vermisst Lévy von Europas Regierungen ein klares Bekenntnis zu heimischen Rüstungsherstellern. „Ich hoffe, dass die Länder bald wieder europäische Auftragnehmer bevorzugen, so wie es die USA, China und Russland tun." Zuletzt kauften die Niederlande Kampfjets des Typs F-35 von dem US-Unternehmen Lockheed Martin. Das Nachsehen hatten der Eurofighter der EADS, die britisch-schwedische Gripen und die französische Rafale, an der auch Thales beteiligt ist.
Für sein Unternehmen erwartet Lévy unabhängig von höheren Etats ein steigendes Geschäft mit Rüstung in Europa. Vor allem in Bereichen wie der Raumfahrt und der Aufklärung seien die nötigen Budgets vorhanden. Dazu will der Manager in diesem Bereich das bisher geringe Geschäft mit Schwellenländern in Asien und Lateinamerika ankurbeln. "Nur so können wir eine Stagnation und womöglich sogar einen Umsatzrückgang in den gesättigten Märkten kompensieren", sagte er. Auch das bisher stark französisch orientierte Management solle internationaler aufgestellt werden, kündigte er an.





Steigende Umsätze erwartet Lévy auch in anderen Bereichen wie der Sicherheit von Datennetzen. „Viele Menschen, Unternehmen und vor allem Netzbetreiber sind besorgt, sowohl wegen der Furcht vor einer Überwachung sensibler Daten, aber auch durch die steigende Zahl von Hackerangriffen. Das stärkt unser Geschäft und macht Netzsicherheit zu einer unserer wichtigsten Sparten.“
Deutschland drittgrößter Standort des Konzerns
Im deutschen Schienenverkehr rechnet sich der französische Elektronikhersteller Thales trotz des starken deutschen Konkurrenten Siemens gute Chance aus bei der von der EU geforderten Erneuerung der Signalsysteme. „Diese Erneuerungen stehen in ganz Europa an, und bei vielen Ausschreibungen haben wir zumindest einen Teil der Aufträge bekommen. Wir sind für die Deutsche Bahn bereits ein wichtiger Lieferant", sagte der seit Januar amtierende Thales Chef Jean-Bernard Lévy im Interview. Er erwartet zudem, dass die deutsche Thales-Tochter im Exportgeschäft zulegt.
Mit 3000 Beschäftigten ist sie schon jetzt der drittgrößte Standort des Konzerns nach Frankreich und Großbritannien. Die deutsche Thales-Tochter exportiert bereits mehr als 50 Prozent der Produktion. So liefere Thales Deutschland etwa die Signaltechnik für einen langen Schienenabschnitt in Saudi Arabien sowie Radaranlagen und Telekommunikationssysteme in den Nahen Osten und nach Afrika.