Russischer Impfstoff „Wir haben absolut keinen Bedarf an Sputnik V“

Der russische Impfstoff könnte schon ab Sommer in Bayern produziert werden. Quelle: imago images

Bayern wird nach Angaben von Ministerpräsident Markus Söder einen Vorvertrag für den Bezug des russischen Impfstoffs Sputnik V abschließen. Ab Sommer soll der russische Corona-Impfstoff im bayerischen Illertissen produziert werden. Die Begeisterung potenzieller Kunden hält sich allerdings in Grenzen.

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Der Standort existiert seit über 150 Jahren. Einst produzierten sie hier aus Bienengift ein Rheumamittel, später stellte der US-Konzern Pfizer auf dem Gelände Medikamente her. Seit einigen Jahren gehört das Werk in Illertissen bei Ulm nun zum russischen Unternehmen R-Pharm, das sich auf seiner deutschen Website als Auftragsfertiger für die Pharmabranche preist: Für andere Unternehmen übernimmt R-Pharm die Entwicklung, Produktion oder Abfüllung von Medikamenten.

Bald soll dort freilich ein ganz besonderes Mittel produziert werden – der russische Impfstoff Sputnik V. „Wir unternehmen alle Anstrengungen, damit es im Sommer losgehen kann“, sagte R-Pharm-Manager Alexander Bykow gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Innerhalb von drei, vier Monaten nach Zulassung können dort 100 Millionen Dosen für die EU hergestellt werden, hat der Chef des staatlichen russischen Direktinvestmentfonds RDIF, Kirill Dmitrijew, bereits durchblicken lassen. 100 Millionen Dosen würden bei zweifacher Impfung für 50 Millionen Menschen in der EU reichen.

Und Bayern wird nach Angaben von Ministerpräsident Markus Söder einen Vorvertrag mit der Firma für den Bezug des russischen Impfstoffs abschließen. „Sollte Sputnik zugelassen werden in Europa, dann wird der Freistaat Bayern über diese Firma zusätzliche Impfdosen – ich glaube, es sind 2,5 Millionen Impfdosen – wohl im Juli erhalten, um die Impf-Zusatzkapazitäten in Bayern zu erhöhen“, sagte der CSU-Politiker in München.

Weltweit ist Sputnik V in über 50 Ländern zugelassen. In Europa nutzen etwa Ungarn, die Slowakei, Tschechien und Italien das Angebot aus Russland – oder haben dies zumindest angekündigt. Die Wirksamkeit von Sputnik V liegt laut Studien bei über 90 Prozent.

Wie sich die Corona-Impfstoffe unterscheiden

Eine Zulassung in der EU wäre – gerade in den aktuellen politischen Turbulenzen – ein Gütesiegel für Russland. Doch soweit ist es noch nicht. Die europäische Arzneibehörde EMA prüft zwar, sichtet bereits Daten und inspiziert Anlagen. Noch gibt es kein klares Signal von der EMA, wann eine Zulassung erfolgen könnte. Die Behörde prüft parallel auch noch die Corona-Impfstoffe von Curevac aus Tübingen und dem US-Unternehmen Novavax. Immerhin möglich erscheint eine Zulassung im Juni – danach würde es allerdings noch drei bis vier Monate dauern, bis die Produktion hochgefahren ist.

Das Interesse an dem russischen Corona-Impfstoff ist in der EU allerdings nur mäßig ausgeprägt. Thierry Breton, der zuständige EU-Kommissar für Binnenmarkt und Dienstleistungen und Leiter der Impfstoff Task-Force der EU, erklärte am Sonntag gegenüber dem französischen Fernsehsender TF1: „Wir haben absolut keinen Bedarf an Sputnik V“. Allein mit den in Europa hergestellten Impfdosen, die er auf 300 bis 350 Millionen beziffert, könne schon bis zum 14. Juli eine „Herdenimmunität“ auf dem gesamten Kontinent erreicht werden. Aus Sicht von Breton sollte die EU europäischen Impfstoffen den  Vorrang geben. Einer Produktion des russischen Vakzins in Europa stehe er allerdings aufgeschlossen gegenüber.

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Die Reaktion der russischen Impfstoff-Hersteller ließ dann allerdings nicht lange auf sich warten. Via Twitter warfen der Russian Direct Investment Fund und das Gamaleya National Center, das den Impfstoff entwickelt hat, Breton Voreingenommenheit gegenüber Russland vor. Der russische Impfstoff sei „wirksamer und sicherer“ als einige der in der EU zugelassenen Impfstoffe. Europäer würden sich eine Auswahl an sicheren und effizienten Impfstoffen wünschen, die die EU bislang nicht liefern würde.

Mit Agenturmaterial

Mehr zum Thema: Ein Investment-Profi mit US-Erfahrung und ein alter Fuchs der sowjetischen Wissenschaft sind die beiden Gesichter von Sputnik V in Russland. Sie könnten unterschiedlicher kaum sein. Der russische Impfstoff krönt ihre bisherigen Karrieren.

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