Russland Wie die Sanktionen deutsche Unternehmen treffen

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China steht als Ersatz parat

Doch aus diesem Winterschlaf müssen die europäisch-russischen Geschäftsbeziehungen irgendwann aufgeweckt werden, bevor das ganz böse Erwachen kommt: Wo die Europäer wegen der Sanktionen oder den politischen Spannungen nicht liefern können, stehen die Konkurrenten aus Asien parat. „Wir spüren das bei den Ausschreibungsrunden, wo früher deutsche Firmen klar gewünscht waren. Jetzt wird die Auftragsvergabe entweder stark verzögert, oder chinesische Unternehmen werden bevorzugt. Selbst wenn sie das technologische Niveau deutscher Unternehmen nicht erreichen“, berichtet zum Beispiel Wintershall-Chef Seele.

Auch der DIHK warnt vor der Konkurrenz aus Fernost. „Je länger die Sanktionen dauern, desto mehr Marktanteile verliert Deutschland in Russland“, warnt DIHK-Präsident Eric Schweitzer im Gespräch mit der WirtschaftsWoche. „Es besteht die Gefahr, dass Geschäftsbeziehungen in Richtung China verloren gehen.“

Putins Folterwerkzeuge im Sanktionskrieg

Diese Tendenz kann auch Cordes aus den Erfahrungen seiner regelmäßigen Treffen mit Managern und russischen Regierungsvertretern bestätigen. „Wir müssen aufpassen, dass diese schwierige Situation nicht allzu lange anhält. Denn dann wird das gegenseitige Vertrauen erodieren“, sagt Cordes. „Die persönlichen Beziehungen zwischen russischen Auftraggebern und deutschen Unternehmen sind immer noch gut. Aber was ganz klar sichtbar ist, dass die Konkurrenz der Chinesen und Koreaner deutlich stärker geworden ist.“

Der Schlüssel liegt in der Ukraine

Die Chinesen würden insbesondere bei Infrastrukturprojekten aktiver, wo sie dann häufig mit russischen staatlichen Unternehmen verhandeln. „Ich will das in keiner Weise dramatisieren. Aber ich sage: Achtung, hier können unsere Unternehmen abgehängt werden, wenn die Krise noch lange anhält“, so Cordes.

Der zunehmende Wettbewerb aus China, Südkorea und anderen asiatischen Ländern ist ein weltweites Phänomen, das auch vor Russland in den letzten Jahren nicht Halt machte. Auf dem russischen Maschinenbaumarkt liegt China mit einem Marktanteil von knapp zehn Prozent in etwa gleichauf, da Deutschland leicht an Marktanteilen verloren hat. „Nun wird angesichts der schwindenden Kaufkraft der russischen Kunden der Preis zum wichtigsten Einkaufskriterium“, sagt VDMA-Expertin Hollacher.

„Außerdem kann sich der russische Kunde sicher sein, dass Sanktionen bei den asiatischen Lieferanten keine Rolle spielen werden.“ Das bedeute, dass sich dieser Prozess wahrscheinlich beschleunigen werde und China schneller als ursprünglich angenommen Deutschland als größten Maschinenlieferanten Russlands ablösen könne.

Dieser Prozess liegt aber nur zum Teil in der Hand der Unternehmen. Vieles ist – wie unter anderem die Gazprom-Beispiele zeigen – der politischen Eiszeit zwischen West und Ost geschuldet. Für Rainer Seele liegt der Schlüssel für die Zukunft der deutsch-russischen Beziehungen in der Ukraine: „Nur wenn es uns gemeinsam gelingt, das Land zu befrieden und für wirtschaftliche Stabilität zu sorgen, können wir Schritt für Schritt das Vertrauen zwischen Russland und dem Westen wiederherstellen. So, wie ich es erlebe, wird es noch lange dauern, das Verhältnis zu normalisieren.“

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