Russland Wie die Sanktionen deutsche Unternehmen treffen

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Maschinenbau leidet besonders

Die Exportrückgänge sind aber nicht ausschließlich auf die von der EU verhängten Sanktionen zurückzuführen, sondern auch auf die schlechte Konjunkturentwicklung in Russland. „Die wirtschaftliche Dynamik in Russland nimmt bereits seit zwei bis drei Jahren deutlich ab“, sagt Cordes. „Oben drauf kommen nun noch die Sanktionen: Die treffen die russische Wirtschaft insbesondere im Finanzsektor. Die Möglichkeiten für russische Banken, sich am Markt zu finanzieren, haben sich deutlich verschlechtert.“

Die Tendenz in der Industrie hat sich bereits vor der politischen Krise abgezeichnet. Das lässt sich zum Beispiel an den Maschinenexporten beobachten, die mehr als ein Fünftel der deutsch-russischen Exportgeschäfte ausmachen. Laut Zahlen des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA) ging der Maschinenexport nach Russland des Jahres 2013 bereits um 3,5 Prozent zurück. „Im Januar und Februar 2014, also noch vor der Krimannexion, gab es Einbrüche von 19 Prozent“, sagt Monika Hollacher, Russland-Referentin beim VDMA. „Erst im zweiten Halbjahr 2014 verlangsamte sich dieser Abwärtstrend.“

Die wirtschaftliche Bedeutung der Ukraine

Die Maschinenbauer trifft die Krise im Russland-Geschäft besonders hart. Zwar war der Rückgang mit 17 Prozent im Gesamtjahr 2014 geringer als befürchtet, nominal hat die Branche aber Geschäfte im Volumen von 1,3 Milliarden Euro verloren. Immerhin: Laut Treier konnten einige Maschinenbauer die Verluste in Russland und den ebenfalls schwierigen Märkten Brasilien und Türkei durch Wachstum in den USA, Großbritannien und China ausgleichen.

Russland fünftgrößter Markt für deutsche Maschinenbauer

Dabei sind nicht alle Maschinenbau-Bereiche gleich stark betroffen. Der Rückgang bei Bau- und Baustoffmaschinen, Bergbaumaschinen oder der Landtechnik ist deutlich größer als etwa bei Lebensmittel- und Verpackungsmaschinen. „Das Minus bei den Bau- und Baustoffmaschinen hängt sicher mit dem konjunkturbedingten Rückgang der Bautätigkeit in Russland zusammen“, sagt Hollacher. „Andere Branchen wie Nahrungs- und Verpackungsmaschinen könnten die Bestrebungen der russischen Regierung nach mehr „local content“ zu Hilfe kommen. Wer einen Industriezweig aufbaut, muss in Maschinen investieren.“

Trotz der Rückgänge bei den Maschinenexporten ist Russland aber nach wie vor einer der Top-Märkte für den deutschen Maschinenbau. Lange Zeit war es der viertwichtigste Markt für die deutschen Maschinenexporteure und 2014 lag Russland immer noch auf Platz fünf. Wichtiger waren nur China, die USA, Frankreich und Großbritannien.

Insgesamt erwartet der VDMA, dass die Exporte nach Russland 2015 aufgrund schwacher Auftragseingänge in 2014 weiter zurückgehen werden. „Auch die Erwartungen für die Auftragseingänge im laufenden Jahr sind gering, so dass mit einem Aufschwung 2016 noch nicht zu rechnen ist“, so die Russland-Referentin. Im Mai will der Verband eine Umfrage unter den Mitgliedsfirmen zu ihrer aktuellen Situation, ihren mittelfristigen Zukunftsplänen und Aussichten auf dem russischen Markt veröffentlichen.

Wo deutsche Unternehmen in Russland aktiv sind
E.On-Fahnen Quelle: REUTERS
Dimitri Medwedew und Peter Löscher Quelle: dpa
Dem Autobauer bröckelt in Russland die Nachfrage weg. Noch geht es ihm besser als der Konkurrenz. Martin Winterkorn hat einige Klimmzüge machen müssen - aber theoretisch ist das Ziel erreicht: Volkswagen könnte in Russland 300.000 Autos lokal fertigen lassen. Den Großteil stellen die Wolfsburger in ihrem eigenen Werk her, das 170 Kilometer südwestlich von Moskau in Kaluga liegt. Vor gut einem Jahr startete zudem die Lohnfertigung in Nischni Nowgorod östlich Moskau, wo der einstige Wolga-Hersteller GAZ dem deutschen Autoriesen als Lohnfertiger zu Diensten steht. Somit erfüllt Volkswagen alle Forderungen der russischen Regierung: Die zwingt den Autobauer per Dekret dazu, im Inland Kapazitäten aufzubauen und einen Großteil der Zulieferteile aus russischen Werken zu beziehen. Andernfalls könnten die Behörden Zollvorteile auf jene teuren Teile streichen, die weiterhin importiert werden. Der Kreml will damit ausländische Hersteller zur Wertschöpfung vor Ort zwingen und nimmt sich so China zum Vorbild, das mit dieser Politik schon in den Achtzigerjahren begonnen hat. Die Sache hat nur einen Haken: Die Nachfrage in Russland bricht gerade weg - nicht im Traum kann Volkswagen die opulenten Kapazitäten auslasten. 2013 gingen die Verkäufe der Marke VW um etwa fünf Prozent auf 156.000 Fahrzeuge zurück. Wobei die Konkurrenz stärker im Minus war. Hinzu kommt jetzt die Sorge um die Entwicklungen auf der Krim. VW-Chef Martin Winterkorn sagte der WirtschaftsWoche: "Als großer Handelspartner blicekn wir mit Sorge in die Ukraine und nach Russland." Er verwies dabei nicht nur auf das VW-Werk in Kaluga, sondern auch auf die Nutzfahrzeugtochter MAN, die in St. Petersburg derzeit ein eigenes Werk hochfährt. Der Lkw-Markt ist von der Rezession betroffen, da die Baukonjunktur schwächelt. Quelle: dpa

Aus Sicht von Cordes sollten die Zukunftspläne nicht allzu pessimistisch ausfallen. „Niemand geht aus dem Land raus, weil im Grunde alle glauben, dass sich mittel- und langfristig die Situation stabilisiert. Allerdings treten die deutschen Investoren auf die Investitionsbremse“, sagt der Ost-Ausschuss-Vorsitzende. „Alle in Russland aktiven deutschen Unternehmen sagen mir, sie verfolgen jetzt eine Art Überwinterungsstrategie.“

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