Russland Wie deutsche Firmen die Sanktionen umgehen

Deutsche Unternehmen umgehen immer öfter die Wirtschaftssanktionen gegen Russland, indem sie im Land produzieren und in Fabriken investieren.

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VW produziert in Kaluga für den russischen Markt. Quelle: dpa

Vor den Worten „Krise“ und „Sanktionen“ hat Jürgen König keine Angst. In Moskau, wo die Flaute in fast allen Branchen zu spüren ist, gehört der Russland-Chef des Pharmakonzerns Merck zu jenen, die trotz allem Optimismus verbreiten. „Russland ist mit seinen 140 Millionen Einwohnern ein riesiger Markt“, sagt König. „Wenn man die früheren GUS-Staaten hinzuzählt, ist das sogar ein Markt von 280 Millionen Einwohnern – ein großer Brocken.“ Merck weicht der Sanktionsproblematik aus, indem das Unternehmen mit den russischen Partnern Pharmstandard und Nanolek kooperiert und vor Ort produziert. Der Konzern investiert zudem in Schulungen und neue Technik.

Durch die Sanktionen und die schlechte Wirtschaftslage in Russland sanken die deutschen Exporte ins Putin-Reich 2015 um 8,5 Milliarden auf rund 21 Milliarden Euro, so die deutsch-russische Außenhandelskammer (AHK) in Moskau. Besonders betroffen sind Auto- und Maschinenbauer, der Energie- und Elektroniksektor sowie die Landwirtschaft. Rund 400 von 6000 auf dem russischen Markt aktiven deutschen Unternehmen haben bereits das Handtuch geworfen, so die AHK.

Doch 80 Prozent der deutschen Konzerne wollen an ihren Russland-Plänen festhalten, ergab eine Umfrage der Beratung EY. Wer bleibt, macht es wie Merck und startet oder weitet die Produktion vor Ort aus, beobachtet das Komitee für Lokalisierung der AHK. Beispiele sind die Kältetechnik-Sparte des Technologieunternehmens GEA, der Pharmaanbieter Bionorica, Siemens oder der Mähdrescherhersteller Claas.

Sie alle hoffen trotz Sanktionen auf gute Geschäfte: „Russland bietet deutschen Firmen den größten europäischen Binnenmarkt mit einem riesigen Modernisierungsbedarf und einer enormen Konsumlust der Bevölkerung“, sagt der stellvertretende AHK-Geschäftsführer Wladimir Nikitenko.

Unternehmen erwarten kaum Besserung

Deutsche Unternehmen wollen mit eigenen Produktionsstätten aber nicht nur die Sanktionen umgehen, sondern auch Kapazitäten für den russischen Binnenmarkt erweitern sowie Zoll- und Transportkostenvorteile erzielen. Zudem genießen bei Staats-Einkäufen in Russland hergestellte Waren Vorrang gegenüber ausländischen Produkten. Ausländische Investoren, die vor Ort produzieren, können Subventionen erhalten und Sonderinvestitionsverträge schließen. Diese können ein Unternehmen je nach Höhe der Investition ganz oder teilweise von Steuern befreien oder dem Unternehmen andere Vergünstigungen gewähren.

Wegen der Ukraine-Krise hatte die EU im Juli 2014 wirtschaftliche Sanktionen gegen Russland verhängt und diese im September 2014 verschärft. Im März 2015 hat der Europäische Rat die Dauer dieser Sanktionen von der vollständigen Umsetzung des Abkommens von Minsk abhängig gemacht, derzeit sind sie bis 31. Juli 2016 verlängert. Im Gegenzug hat Moskau Einfuhrverbote für westliche Agrarprodukte wie Obst, Milch und Fleisch bis Ende August 2016 verhängt. Laut AHK-Umfrage erwarten jedoch kaum deutsche Unternehmen, dass sich die Situation bald verbessert.

Ein Blick hinter die Tore einer russischen Autofabrik
GAZ Quelle: Sebastian Schaal
GAZ Quelle: Sebastian Schaal
Kleintransporter GAZelle Quelle: Sebastian Schaal
Logo von GAZ Quelle: Sebastian Schaal
Rote Sterne in Metallzäunen bei GAZ Quelle: Sebastian Schaal
Fabrik von GAZ von außen Quelle: Sebastian Schaal
GAZ Quelle: Sebastian Schaal

Deutsche Agrarunternehmen machen schon lange erfolgreich vor Ort Geschäfte, da der größte Teil ihres Importgeschäfts bereits 2012 von Russland verboten wurde. Von 2012 bis 2014 hat das Riesenreich Veterinärkommissionen nach Deutschland und in andere EU-Länder geschickt mit dem Auftrag, Hygienemängel oder Fehler bei der Veterinärkontrolle zu finden. So wurden nach und nach fast alle namhaften Milch- und Fleischproduktehersteller aus Deutschland für den Import nach Russland gesperrt.

Das Milchunternehmen Ehrmann produziert sogar schon seit 16 Jahren in der Nähe von Moskau. Seit einem Jahr stellt Ehrmann auch seine Frischeprodukte stärker aus russischen Rohstoffen her. Das Unternehmen ist Kummer gewohnt: „Seit Beginn unseres Engagements in Russland konnten wir schon oft Schwankungen bei der Nachfrage feststellen und meistern“, sagt Katrin Schmid, Vorstandsassistentin bei Ehrmann. Auch die Wettbewerber Hochland und Meggle sind nur teilweise von den russischen Gegensanktionen betroffen, da sie manche Rohwaren und Zutaten, die auf der Embargo-Liste stehen, durch russische ersetzen konnten.

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