RWE, ThyssenKrupp, Bayer & Co. Diese Konzerne kehren ihren Zentralen den Rücken

Großunternehmen sanieren und sparen. Vorstände denken an den Abschied von illustrer Hausmacht: Konzernzentralen sollen verlassen, verkauft oder vermietet werden.

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Die spektakulärsten Firmensitze
AdidasVon der Waschküche, in der Firmengründer Adi Dassler in den 1920ern seinen ersten Sportschuh entwarf, zu einem der spektakulärsten Unternehmenssitze der Welt. Adidas eröffnete 2011 im fränkischen Herzogenaurach sein neues Hauptquartier mit dem Namen „Laces“ (Schnürsenkel). Im Atrium verbinden Brücken die einzelnen Abteilungen, die wie Schnürsenkel das Gebäude zusammen schnüren. Überdacht ist das Atrium mit ETFE-Kissen, wie das auch bei der Münchener Allianz-Arena der Fall ist.Methode: Eine Jury aus Gebäudespezialisten von Emporis, Betreiber von Gebäude-Datenbanken, hat die spektakulärsten Unternehmenssitze der Welt zusammen getragen. Laut Unternehmen wurden dabei etwa „beispielloses Design, Wirkkraft und Funktionalität“ berücksichtigt. WirtschaftsWoche Online stellt zehn der ausgewählten Gebäude vor. Quelle: Adidas Group
BMWPünktlich zu den Olympischen Spielen 1972 wurde der BMW-Vierzylinder fertig – zumindest äußerlich. Eröffnet wurde der 99,5 Meter hohe BMW-Hauptsitz erst ein Jahr später. Es liegt am Münchener Olympiagelände und bildet damit ein herausragendes Beispiel moderner Architektur in der bayrischen Landeshauptstadt. In unmittelbarer Nachbarschaft eröffnete 2007 die BMW Welt, das Ausstellungszentrum des Konzerns mit seiner ebenfalls spektakulären, geschwungenen Architektur. Der BMW-Vierzylinder, die BMW Welt und die Adidas Laces sind die einzigen drei von der Jury hervorgehobenen Unternehmenssitze. Quelle: Abdul Rahman
Lloyd’s of LondonDer britische Traditionsversicherer Lloyd’s of London errichtete von 1976 bis 1986 eine Architektur-Ikone in der City of London. Mit Richard Rogers steht hinter dem 76 Meter hohen Gebäude der gleiche Architekt, der auch in Paris das Centre Pompidou entworfen hat. Der Clou bei beiden Gebäuden: Versorgungsleitungen, Treppenhäuser und Aufzüge befinden sich an der Außenwand und bilden die industriell anmutende Fassade des Gebäudes. Quelle: Lloyd's
Hearst CorporationEine Verbindung aus alt und neu ließ der New Yorker Medienkonzern Hearst von 1999 bis 2006 errichten. Die Fassade des flachen 1928 im Art-Déco-Stil errichteten Vorgänger-Gebäudes blieb bestehen. Dieses wurde entkernt und darauf der vom Architekten Norman Foster entworfene Glasturm gesetzt. Der Turm ist 182 Meter hoch und hat 46 Stockwerke. Quelle: Mathias Beinling
Aldar PropertiesDie Vereinigten Arabischen Emirate sind bekannt für ihren Hang zu extravaganter Architektur. In Al Raha Beach, einer Stadt am Rande Abu Dhabis, hat die Immobilien- und Investmentfirma Aldar Properties mit seinem Hauptsitz eine neue Sehenswürdigkeit errichtet. Das 2010 fertig gestellte Gebäude besticht durch seine Form eines aufgestellten Kreises. Quelle: Michael Merola
Bank of ChinaGanz eitel prangt ihr Firmensitz auf den von der Bank of China herausgegeben Banknoten des Hongkong-Dollars. Durchaus zu Recht: Der 1990 errichtete 367 Meter hohe Büroturm ist bis heute eines der Wahrzeichen Hongkongs. Er besteht aus vier dreieckigen Elementen unterschiedlicher Höhe, die in schrägen Flächen zusammen laufen. Derzeit ist der Bank of China Tower das vierthöchste Gebäude der Stadt. Quelle: Johannes Kaira
Petronas Die vom Mineralölkonzern Petronas erbauten Petronas Towers in Malaysias Hauptstadt Kuala Lumpur galten bis 2004 als höchste Bürogebäude der Welt. 1998 wurden die 452 Meter hohen Zwillingstürme fertig gestellt. Spektakulär ist die auf 172 Metern liegende Brücke, die beide Gebäudeteile miteinander verbindet. Quelle: Jon Bek

Es war einmal: Zu einem glanzvollen Unternehmen gehört auch eine glanzvolle Fassade, ein repräsentativer Eingang, eine Vorstandsetage, die möglichst hoch über den Wolken schweben soll. Oder einen Blick über Wasser auf bevorzugter Sonnenseite nach Süden. Einst wurden diese Zentralen mit Pomp eingeweiht wie Kirchenschiffe, in denen eine frohe Botschaft verkündet werden sollte. Doch die Botschaften der Konzernführer sind nicht mehr so froh, sie sind auf Grundwasserniveau angekommen. Oder Investoren sind eingestiegen, die auf den Galerien in hohen Hallen eher vom Schwindel befallen werden. Es wird tiefer gestapelt. Vier Beispiele zeigen die Rückkehr zur Bodenständigkeit:

Der sogenannte RWE-Tower, Zentrale des Energiekonzerns in Essen. Quelle: dpa

1. Der RWE-Turm in Essen
Er wurde vom Architekt Ingenhoven gebaut, 24 Stockwerke hoch. Gläsern funkelt er unter dem Himmel von Essen, direkt am Hauptbahnhof. Der Turm sollte den Glanz der Energiewirtschaft symbolisieren. Schon der Altbau, wenige hundert Meter weiter, wurde von den Essenern „Wattikan“ genannt. Der gläserne Turm wurde nun zum Mahnmal der Energiewende. RWE kann mit diesem Zeichen der Prosperität nichts mehr anfangen, der Konzern schreibt knapp drei Milliarden Euro Verlust. Die konventionellen Kraftwerke laufen nicht mehr. RWE-Chef Peter Terium krempelt den Konzern um, dazu gehört auch eine bescheidenere Konzernzentrale. Das Rund des Turms ist „ungeeignet für eine Verwaltungszentrale“, heißt es bei RWE. Sogar die Büroschränke müssen sich dem Rund des Hauses anpassen. Innen gibt es fensterlose Freiflächen, Konferenzräume, die nie Tageslicht einlassen. RWE sucht sich in den kommenden Jahren eine neue Behausung.

Das Verlagsgebäude von Gruner+Jahr in Hamburg. Quelle: ZBSP

2. Das Gruner+Jahr-Verlagsgebäude in Hamburg
Einst ein Juwel redaktioneller Unterkunft. Verwinkelte Zimmer und viel Sprossen vor den Fenstern nehmen das Zitat von Denkerstuben auf. Innen überall Cafeterien, als ob hier nicht geschrieben, sondern gequasselt würde. WG-Atmosphäre an der Espressomaschine. Das Haus am Baumwall ist eine Fehlkonstruktion, weil die Räume nicht verschiebbar sind. Die Aussicht der Vorstände auf den Hamburger Hafen ist vermiest, weil Fenstersprossen direkt in Augenhöhe verlaufen, die wie Augenbinden den Blick auf das Funkeln des Hafens verschließen. Runde Fenster lassen wenig Licht in die Flure, weil der Münchner Architekt meinte, in Hamburg sind alle Fenster Bullaugen - ein Irrtum. Das Verlagshaus wirkt grau wie eine Lagerhalle, solche, die gerade im früheren Freihafen abgerissen wurden oder als Museumsfläche dienen. Gruner+Jahr denkt an den Verkauf des Verlagshauses. Vorbote eines Abschieds aus Hamburg in Richtung Berlin. Das Grundstück am Baumwall ist zig Millionen wert. Und G+J könnte durchaus Liquidität vertragen.

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