Sanktionen gegen Russland Die Autoindustrie leidet unter dem Putin-Faktor

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Hersteller müssen mehr investieren

Dirk Meyer, Managing Partner beim Forum Russland, das Betriebe der Automobilindustrie beim Gang nach Russland begleitet, erkennt darin die Folgen des jahrzehntelang nahezu geschlossenen Marktes, in dem die Zulieferer Teil staatlicher Großkonzerne waren. „Wo der Kunde gleichzeitig Besitzer seiner Lieferanten ist, entsteht kein Wettbewerb, wo Fahrzeuge nicht weiterentwickelt werden, keine Innovation.“ Die russischen Zulieferer seien chinesischen, brasilianischen oder indischen deutlich hinterher.

Die Hersteller entkommen unter den politischen Vorgaben der Zuliefererwüste nur, indem sie noch mehr investieren und selbst fertigen. Volkswagen nimmt 2015 sein Motorenwerk in Kaluga, Bosch eine neue Fabrik für Kraftfahrzeugtechnik in Samara im Süden des Landes in Betrieb. In zwei Jahren sollen dort 500 Russen arbeiten. Einziger Trost: Die Personalkosten sind so niedrig, dass die Lokalisierung die Fertigungskosten niedrig hält. In Moskau liegt das Einstiegsgehalt eines Bandarbeiters bei 1034 Euro, in Toljatti sogar nur bei 517 Euro. Umgekehrt treiben so niedrige Löhne die Lokalisierung an.

Inlandsfertigung der Autohersteller in Russland

Allerdings wird in Russland nicht allzu spitz gerechnet. „Produzenten können alle Kosten in der Produktion, die in Russland anfallen, als Lokalisierung zählen“, sagt Andrej Toptun, Chefanalyst der Beratung Autostat. So lässt sich auf dem Papier mehr Lokalisierung erzeugen, als da ist. Mit harten Konsequenzen muss, so Sergej Litwinenko, Experte für den russischen Automarkt beim Beratungshaus PwC, kaum ein Hersteller rechnen: „Der Staat hat derzeit viel Verständnis für ihre Probleme und ist bereit, entgegenzukommen.“

Für die westlichen Autokonzerne wie auch für Russland wäre es das Beste, es trauten sich ein paar deutsche mittelständische Zulieferer nach Russland. „Noch zu Beginn des Jahres hatten wir viele Interessenten“, sagt Edda Wolf von GTAI Germany Trade & Invest, einer Gesellschaft für Außenwirtschaft und Standortmarketing in Bonn. Doch mit Aufflammen der Konflikte in der Ostukraine sei das Interesse weitgehend erloschen.

Chinesen zaudern nicht

Vor allem Bosch bemüht sich, das Engagement in Russland zu versüßen. „Mit uns als Ankerkunden können die Unternehmen eine Grundauslastung erwarten. Zudem erhalten Lieferanten, die sich ansiedeln, um uns zu beliefern, von der Regionalverwaltung die gleichen Bedingungen wie wir.“ Pfeifer weiß, dass die meisten Mittelständler dennoch zögern, weil ihnen die Stückzahlen noch zu gering sind. „Erst ab 200 000 Einheiten ist eine Direktinvestition in Russland für einen mittelständischen Zulieferbetrieb interessant“, erklärt Wolf.

Die Mutlosigkeit könnte sich in ein paar Jahren rächen. Trotz aller politischer Turbulenzen – langfristig bleibt Russland einer der größten Wachstumsmärkte für die Autoindustrie weltweit. Aktuell besitzt nur jeder vierte Russe ein eigenes Auto.

Chinesische Hersteller zaudern deshalb nicht. Great Wall hat den Bau eines Werks in Tula angekündigt, Geely montiert bereits über 100 000 Fahrzeuge in Weißrussland. Und Dongfeng, beteiligt am französischen Autokonzern PSA, baut sein Vertriebsnetz aus – wer früh sät, erntet auch.

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