Sanofi Ex-Deutschlandchef soll in Diabetessparte aufräumen

Die Dieabetessparte des Pharmakonzerns Sanofi schwächelt: Der neue Spartenchef, Stefan Oelrich, will mit neuen Medikamenten auf den Umsatzschwund reagieren – und mit einem US-Techriesen zusammenarbeiten.

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Der französische Pharma-Riese kämpft mit schwachen Umsätzen im Diabetes-Geschäft. Quelle: Reuters

Frankfurt Für viele Diabetes-Patienten könnte die Therapie in einigen Jahren vielleicht ganz anders aussehen als heute: Ihr Hausharzt wird sie nicht mehr an den Spezialisten überweisen, sondern an eine „virtuelle Diabetes-Klinik“, die mit Hilfe modernster Datentechnik und Analyse-Methoden Blutzucker-Kontrolle und Therapie aus der Ferne steuert. Das jedenfalls ist eine der Visionen, die man beim französischen Pharmakonzern Sanofi verfolgt.

Anfang des kommenden Jahres wollen Sanofi und der Internet-Riese Alphabet (Google) mit einem entsprechenden Pilotprogramm in den USA an den Start gehen. Es ist das erste konkrete Projekt des Gemeinschaftsunternehmens Onduo, das die beiden Konzerne im vergangenen Jahr etabliert haben. „Wir wollen weg vom klassischen Pharma-Ansatz hin zu einem eher ganzheitlichen Konzept“, beschreibt Sanofi-Manager Stefan Oelrich die Zielrichtung.

Aber natürlich geht es für den Pariser Pharmariesen auch darum, weg zu kommen vom derzeitigen Rückgang im Diabetesgeschäft. Die Allianz mit Alphabet und die virtuelle Diabetes-Klinik ist dabei nur eine von vielen Initiativen, die den Konzernbereich wieder auf Kurs bringen sollen.

Oelrich leitet die Diabetes-Sparte seit Juni 2016 und ist im Oktober 2017 als Leiter des Geschäftsbereichs Diabetes und Herzkreislauferkrankungen in den Konzernvorstand von Sanofi aufgerückt. Der 49-jährige, der von 2011 bis 2015 das Deutschland-Geschäft von Sanofi leitete, hat damit die derzeit wohl schwierigste Aufgabe bei dem französischen Konzern übernommen.

Denn ausgerechnet in diesem einstigen Wachstumssegment kämpft der Konzern derzeit mit einer ausgeprägten Schwächephase. Dabei waren Diabetes-Medikamente, darunter allen voran das aus der Forschung von Hoechst stammende Insulin Lantus, lange Zeit ein maßgeblicher Umsatztreiber für den französischen Pharmariesen. Zeitweise lieferten sie mehr als ein Fünftel der Konzernerlöse.

Doch inzwischen hat sich das Bild komplett gewandelt. Vor allem durch den Patentablauf bei Lantus und einen wachsenden Preisdruck im US-Markt ist das Geschäft ab 2016 zu einer Schwachstelle geworden, die den gesamten Konzern bremst.

Auch im nächsten Jahr dürfte es noch bergab gehen. Insgesamt rechnet Sanofi für die Zeit von 2015 bis 2018 mit einem durchschnittlichen Umsatzrückgang von sechs bis acht Prozent im Diabetesgeschäft. Gegenüber den Konkurrenten Eli Lilly und Boehringer, die derzeit zweistellig zulegen, aber auch gegenüber Novo Nordisk und Merck & Co verliert Sanofi damit an Marktanteilen.

Allein in den ersten neun Monaten schrumpften die Diabetes-Erlöse um knapp zehn Prozent auf 4,8 Milliarden Euro, während der Konzernumsatz von Sanofi dank der Übernahme der Selbstmedikationssparte von Boehringer insgesamt um knapp sechs Prozent auf 26 Milliarden Euro zulegte.

Die Sanierung der Diabetes-Sparte wird noch einige Geduld erfordern. Auch Oelrich nennt keinen festen Zeitplan für die angestrebte Wende. Nur so viel: „Unser Ziel ist es, das Diabetesgeschäft in den nächsten zehn Jahren wieder zu einer Wachstumsplattform zu machen.“

Der Konzern setzt dazu auf eine Kombination aus neue Konzepten und neuen Wirkstoffen. Große Hoffnungen ruhen vor allem auf einem Medikament, das gleichzeitig gegen Diabetes und Übergewicht wirken könnte. Dieses Produkt muss allerdings noch eine abschließende Phase-III-Studie überstehen und dürfte selbst im Erfolgsfall erst nach 2020 auf den Markt kommen.

Der Knick im Diabetes-Geschäft von Sanofi fiel heftiger aus als ursprünglich erwartet, vor allem weil US-Versicherer höhere Rabatte durchsetzen konnten als in der Vergangenheit. Zudem haben CVS und United Health Lantus komplett von der Erstattungsliste genommen.

Das Medikament, ein modifiziertes, länger wirkendes Insulin, erzielte 2014 noch einen Spitzenumsatz von mehr als 6,3 Milliarden Euro, dürfte 2017 aber nur noch etwa 4,7 Milliarden Euro verbuchen. Das Nachfolgeprodukt Toujeo verbucht zwar zweistellig Zuwächse, kann die Einbußen bei Lantus aber vorerst noch nicht kompensieren.

Oelrich zeigt sich überzeugt, dass die globale Nachfrage nach Diabetesmedikamenten weiter wachsen wird. Er verweist auf Schätzungen, wonach sich die Zahl von derzeit mehr als 200 Millionen Diabeteskranken in den nächsten Jahrzehnten noch verdoppeln wird. „Das lässt uns glauben, dass da weiterhin ein hoher ungedeckter Bedarf besteht.“

Abgesehen von dem schwierigen US-Markt bewertet Oelrich das Diabetesgeschäft auf globaler Ebene als solide. In Europa sei das Geschäft stabil, in den Schwellenmärkten wachse man zweistellig.

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