Dass so wenig über die Verfahren bekannt wird, hat System. Die Sitzungen laufen sämtlich jenseits der Öffentlichkeit, die streitenden Parteien vergattern sich fast immer auf absolute Verschwiegenheit, selbst über den Ausgang des Streits. Lediglich Aktiengesellschaften, die zur Ad-hoc-Mitteilung wichtiger Ereignisse verpflichtet sind, müssen das Ergebnis des Verfahrens veröffentlichen.
Nicht nur dieser Vorteil macht Schiedsverfahren für Unternehmen so attraktiv, auch das Verfahren selbst hat für sie großen Reiz. Die Vollstreckbarkeit des Schiedsurteils ist gewährt, notfalls mithilfe eines Oberlandesgerichts. Die Parteien dürfen die Schiedsrichter, in der Regel drei, selbst bestimmen. Die Verfahren dauern in der Regel nur ein Jahr und sind viel kalkulierbarer als die üblichen Prozesse. Bereits nach der ersten Instanz fällt die endgültige Entscheidung, die nicht mehr angefochten werden kann. Vor öffentlichen Gerichten landet ein Schiedsgerichtsurteil nur bei Verfahrensfehlern. Doch das passiert nur in rund zehn Prozent der Fälle, von denen am Ende 90 Prozent abgewiesen werden.
„Als Richter wählen die Parteien international erfahrene Praktiker, renommiert auf dem relevanten Gebiet. Egal, ob es um notleidende Kredite nach Unternehmensverkäufen, Gesellschafterverträge im Mittelstand, Klauseln im Rückversicherungsgeschäft oder Energiepreise geht“, sagt der Düsseldorfer Anwalt und Rechtsprofessor Siegfried Elsing, der auch von der Weltbank als Schiedsrichter beauftragt wird.
Gerade die Globalisierung treibt immer mehr Unternehmen in die Hinterzimmer der Rechtsprechung. Geschäftspartner unterschiedlicher Nationalitäten können so einen Gerichtsort in einem dritten Staat vereinbaren, beispielsweise um die rigide Rechtsprechung in den USA zu umgehen. Rund 150 Staaten erkennen gemäß einem UN-Abkommen Schiedssprüche und ihre Vollstreckung an. Etwa 90 Prozent aller größeren internationalen Verträge enthalten solche Klauseln. „Bei uns laufen Fälle von 28 Euro bis zu Milliardenbeträgen auf“, sagt DIS-Geschäftsführer Jens Bredow, gut die Hälfte davon kommt von Mittelständlern.
Welche Details in einem Schiedsgerichtsverfahren auf den Tisch kommen, ist das große Geheimnis der Beteiligten. Das Prozedere wird von der Schiedsordnung bestimmt und sieht in etwa so aus:
- Laut DIS-Geschäftsführer Bredow dauern die Verfahren im Schnitt zwölf Monate. Am Schiedsgerichtshof der Internationalen Handelskammer (ICC) in Paris – der ältesten Institution zur privatwirtschaftlichen Streitschlichtung überhaupt – kalkulieren die Unternehmen mit rund 18 Monaten. Größere Schiedsverfahren dauern allerdings wesentlich länger.
- Zunächst gehen Schriftsätze zwischen den streitenden Parteien hin und her. Das eine Unternehmen legt seine Klageschrift vor, danach erhält das andere in der Regel drei bis sechs Monate Zeit zu erwidern.
- Sodann folgt ein mehrmonatiges Zwischenverfahren, in dem die Parteien wechselseitig voneinander Dokumente verlangen können. „Diese sogenannte Document Production wird häufig durchgeführt, wenn das Verfahren Bezüge zum anglo-amerikanischen Recht hat“, sagt Schiedsexperte Risse. Ein Ende findet das Hin und Her in einer letzten Runde, in der die Parteien sich abschließend schriftlich zum Sachverhalt äußern und auf die Argumente der Gegenseite eingehen.
- Zum Showdown kommt es in der mündlichen Verhandlung, die einige Tage bis mehrere Wochen dauern kann. Dazu mieten sich die Parteien und die Schiedsrichter in einem Konferenzhotel am Schlichtungsort ein. Dort werden die Zeugen in der Sache angehört und von der jeweiligen Gegenseite ins Kreuzverhör genommen.
- Scheitert das Schiedsgericht mit dem Versuch einer gütlichen Einigung, erhalten beide Seiten eine Frist von einigen Monaten, um zum Ergebnis der Beweisaufnahme und abschließend zur Rechtslage Stellung zu nehmen. Basierend auf diesen so- genannten „Post Hearing“-Schriftsätzen trifft sich das Schiedsgericht final zu Beratungen über den Schiedsspruch.
- Bis zum Urteil vergehen weitere Monaten. Liegt der Spruch vor, der im Extremfall mehrere Hundert Seiten umfassen kann, prüfen die Anwälte beider Seiten, ob sie dagegen vor öffentlichen Gerichten vorgehen können. „Das ist aber nur bei schweren Verfahrensfehlern oder Verstößen gegen grundlegende inländische Wertvorstellungen wie das Prinzip der groben Sittenwidrigkeit möglich“, sagt Anwalt Risse.