In der Praxis verlaufen Schiedsgerichte jedoch längst nicht immer reibungslos. Das lässt sich aus dem schließen, was aus manchem stillen Kämmerchen in London, Paris oder Genf nach draußen dringt.
Höchst geräuschvoll verläuft zum Beispiel der mehr als zweijährige Machtkampf zwischen der Führungsspitze des Düsseldorfer Handelskonzerns Metro und Erich Kellerhals, dem Mitbegründer der Konzerntochter Media Markt. Dem 73-Jährigen gehören zwar nur knapp 22 Prozent des Elektronikriesen, doch hatte er sich beim Einstieg von Metro umfangreiche Minderheitsrechte garantieren lassen. Die wollen die Düsseldorfer seit März 2011 durch die Installation eines Beirats aushebeln.
Worum sich Metro und Kellerhals streiten
Erich Kellerhals ist Gründer des Elektrofachmarkt-Kette Media Markt. Der erste Media Markt eröffnete 1979 in München. Ende der 80er wollte Kellerhals expandieren – das nötige Geld brachte Kaufhof mit.
Kaufhof beteiligte sich mit 54 Prozent an Media Markt. Kellerhals behielt seine Anteile von gut 21 Prozent. Im Vertrag von 1988 wurde außerdem festgelegt, dass Beschlüsse grundsätzlich mit einer Mehrheit von 80 Prozent gefasst werden müssen. Kellerhals hatte mit seinem Anteil also ein Mitsprachrecht für alle wichtigen Entscheidungen. Dieses Recht besteht bis heute. Kaufhof brachte außer Kapital noch seine Tochter Saturn Hansa ein. 1990 verschmolzen Media Markt und Saturn zur Media-Saturn-Holding.
1996 verschmolzen die Kaufhof Holding und die Metro AG. Kaufhof wurde zur Vertriebsmarke innerhalb des Metro-Konzerns. Metro wurde auf diese Weise Anteilseigner bei Media-Saturn. Heute hält Metro über diesen Weg 75,4 Prozent am Kapital der Media-Saturn-Holding.
Der Streit entzündet sich im März 2011. Metro wollte einen Beirat bei Media-Saturn einrichten. Kellerhals betrachtete dies als Versuch, sein seit 1988 bestehendes Vetorecht auszuhebeln. Denn in dem Beirat würde mit einfacher Mehrheit und nicht mit 80prozentiger entschieden. Tatsächlich könnte Metro Entscheidungen bei der Tochter schneller durchsetzen, wenn Kellerhals nicht zustimmen müsste.
Das Landgericht Ingolstadt hat die Einrichtung des Beirats im Herbst 2011 bei MediaSaturn zwar erlaubt, dessen Funktion muss allerdings eine beratende bleiben. Damit bestätigen die Richter das Vetorecht des Gründers Kellerhals. Weil Metro Rechtsmittel dagegen einlegte, landete der Fall vor dem Oberlandesgericht. Nachdem sich das Oberlandesgericht München nach vorläufiger Rechtsauffassung nicht zuständig sah, befasst sich nun auch das Schiedsgericht mit dem Fall. Es muss entscheiden, worüber der Beirat entscheiden kann und mit welcher Mehrheit.
Der Unternehmensgründer steht der Expansion mit Media-Märkten in China äußerst kritisch gegenüber. Kellerhals sagte, Metro habe ursprünglich 1000 Märkte innerhalb von fünf Jahren in China eröffnen wollen. „Wir haben bislang im Rest der Welt insgesamt 900 Märkte in 30 Jahren geschafft. Das wäre Harakiri, haben wir gesagt. Das können wir nicht mittragen.“ So habe man sich auf die bis Jahresende 2012 andauernde Testphase geeinigt.
Kellerhals hat kürzlich geäußert, dass er nicht daran glaube, dass OLG oder Schiedsgericht den Streit beenden können. In diesem Fall stellt er eine weitere Zusammenarbeit mit Metro in Frage: "Wenn der Streit nicht beigelegt werden kann, müssen wir vielleicht über neue Gesellschafter nachdenken." Er gab aber zu, dass sich dies aus finanziellen Gründen schwierig gestalten würde. "Aber eine Trennung von der Metro müsste - wenn wir sie denn wollten - erst mal finanziert werden." Er selbst wolle seine Anteile behalten.
Mehrfach tagte dazu ein Schiedsgericht in einem Besprechungszimmer des Münchner Luxushotels Bayerischer Hof. Im August 2012 fällte das Gremium schließlich eine Entscheidung, die Kellerhals’ Sonderrechte beschnitt. Gleichzeitig rief der Unterlegene das Oberlandesgericht (OLG) München an, das jedoch seine Klage zurückwies, weil die Causa tatsächlich Sache des Schiedsgerichts gewesen sei. Die Richter ließen eine Revision nicht zu. Kellerhals hat nun Beschwerde beim Bundesgerichtshof (BGH) eingelegt.
Dass ein Schiedsspruch im Nachhinein aufgehoben wird, ist selten. Noch seltener wird dies publik – wie im Fall des deutschen Anlagenbauers Gea. So verwarf der BGH im vergangenen Jahr eine Beschwerde des Düsseldorfer Unternehmens. Das hatte alles darangesetzt, einen zuvor vom OLG Frankfurt kassierten Schiedsspruch über eine Zahlung von 210 Millionen Euro an Gea wieder aufleben zu lassen. Der Schiedsspruch war zugunsten von Gea und zulasten des US-Automobilzulieferers Flex-n-Gate ergangen.
Beide Seiten hatten seit 2004 vor einem Schiedsgericht über den geplatzten Verkauf der Kunststoffsparte der Gea-Tochter Dynamit Nobel an Flex-n-Gate gestritten. 2010 erging der Schiedsspruch gegen Flex-n-Gate. Dagegen gingen die Amerikaner rechtlich vor und erreichten im Februar 2011 die Aufhebung. Das OLG Frankfurt befand, das Schiedsgericht habe sich nicht eng genug an einen zuvor von beiden Parteien festgelegten Ablauf des Verfahrens gehalten .
„Das Gea-Urteil hat innerhalb der Schiedsgerichtsszene Wellen geschlagen, weil viele der Auffassung sind, dass ein kleiner Verfahrensfehler, wie er von seiner Schwere her auch staatlichen Gerichten unterläuft, nicht für eine Aufhebung ausreichen sollte“, sagt Schiedsexperte Risse.
Trotz der negativen Erfahrung sieht Gea keine Alternative zu Schiedsklauseln in Verträgen. „Wir vertrauen den Entscheidungen von Schiedsgerichten weiterhin“, heißt es in der Konzernzentrale in Düsseldorf. Im konkreten Fall gegen Flex-n-Gate habe man zudem vor der DIS einen Antrag eingereicht, das Schiedsgerichtsverfahren neu aufzurollen.