Schlachtkonzern Tönnies Unappetitlicher Machtkampf der Wurstfabrikanten

Das Logo mit glücklichen Tieren auf einem Gebäude des Fleischkonzerns Tönnies: Robert Tönnies verlangt den Rücktritt des Beitratsvorsitzenden, weil dieser vor 45 Jahren für eine Forschungsarbeit Tiere gequält haben soll. Quelle: dpa

Während der Tönnies-Beirat dem Kauf von Zimbo im Nachhinein zustimmt, kommen im Streit um den Milliardenkonzern immer unappetitlichere und skurrilere Details auf den Tisch.

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Am heutigen Donnerstag stimmte der Beirat von Deutschlands größtem Schlachtunternehmen Tönnies in Rheda-Wiedenbrück nachträglich dem
Kauf von zwei Wurstfabriken der Bell-Gruppe mit der Marke Zimbo zu. Mitgesellschafter Robert Tönnies wollte das Vorhaben mit einer Einstweiligen Verfügung stoppen, hatte diese dann aber zurückgezogen. Die Kehrtwende begründete er damit, dass der Beirat nun doch an diesem Donnerstag über den Kauf berate.

Dazu teilt der Konzern heute mit, dass der siebenköpfige Beirat in einer außerordentlichen Sitzung erneut die Übernahme der zwei Bell-Standorte behandelt habe. „Das Gremium hat mehrheitlich festgestellt, dass für den Erwerb der beiden Standorte keine Zustimmungspflicht durch den Beirat besteht. Gleichzeitig wurde der Erwerb der beiden Standorte als sehr positiv bewertet und vom Beirat zustimmend zur Kenntnis genommen.“

Damit erlitt Robert Tönnies gleich zweimal Schiffbruch. Im Sinne von Clemens Tönnies stellte der Beirat nicht nur fest, dass eine Zustimmung zu der Übernahme in diesem Fall nicht nötig sei. Er stimmt anschließend sogar der Übernahme nochmal vorsorglich zu.

Sowohl Robert Tönnies als auch sein Onkel und Firmenchef Clemens Tönnies nahmen an der Sitzung teil. Robert Tönnies ließ mitteilen, er fühle sich vom Beiratsvorsitzenden Festge getäuscht. „Entgegen seiner Einladung zu dieser außerordentlichen Beiratssitzung und entgegen den Bestimmungen des Einigungsvertrages hat der Beirat sich in dieser Entscheidung für nicht zuständig erklärt. Es steht zu vermuten, dass hier Haftungsfragen, denen sich einzelne Beiratsmitglieder ausgesetzt fühlen, eine Rolle gespielt haben. Auch wenn die Transaktion nicht mehr rückgängig zu machen ist, behalte ich mir rechtliche Schritte gegen das Verhalten einzelner Beiratsmitglieder vor.“

Die Attacke gegen Mitglieder des Beirats, allen voran Beiratschef Reinhold Festge, hat jedoch einen weitaus brisanteren Hintergrund als die Zimbo-Übernahme. Festge soll im siebenköpfigen Gremium eigentlich den neutralen Part einnehmen. Während Robert und Clemens jeweils sich selbst und zwei eigene Fahrensmänner benannten, mussten sich Onkel und Neffe beim Beiratschef auf eine neutrale Person einigen. Die Wahl fiel auf Dr. Reinhold Festge, Gesellschafter des Maschinenbauers Haver & Böcker aus dem westfälischen Oelde und ehemaliger Präsident des Verbandes Deutscher Maschinenbauer (VDMA).

Was bisher nicht bekannt war: Am 23. Mai 2019 hatte Robert Tönnies in einem Schreiben Festge gebeten, von seinem Posten zurückzutreten. Grund: Festges Doktorarbeit im Fach Gerichtsmedizin aus dem Jahr 1974 über die Alkoholdiffusion bei Wasserleichen. In dem Schreiben heißt es „Auch wenn diese Arbeit nun schon einige Jahre zurückliegt, so ist die Grausamkeit der Inhalte erschreckend. Sicherlich, die von mir gewählte Umschreibung ist drastisch, die Inhalte Ihrer Doktorarbeit vermag sie allerdings immer noch nicht treffend zu beschreiben.“

Tönnies konfrontiert Festge damit, dass dieser Schweine über einen längeren Zeitraum Alkohol zugeführt und diese süchtig gemacht habe. Nachdem die alkoholkranken und betrunkenen Tiere in einem Stall zusammengehalten wurden, hätten sie geschubst und wild um sich gebissen. Im Kapitel „2.2.5 Töten und Lagern der Kadaver“ habe Festge selber geschildert, wie er die Schweine in Fässern bei 15 Grad kaltem Wasser eigenhändig und bei vollem Bewusstsein ertränkt habe. Dabei wurden die Tiere an den Hinterläufen festgehalten und kopfüber in die Fässer getaucht; der Ertrinkungsvorgang dauerte bis zu 12 Minuten.

„Dass Sie - als heutiger Beiratsvorsitzender der Tönnies-Gruppe - Tierexperimente in der zuvor beschriebenen Form durchgeführt haben, ist ganz besonders vor den in dem Einigungsvertrag festgelegten Unternehmensrichtlinien vollkommen untragbar. Wie Ihnen seit unseren Vorgesprächen zu Ihrer Bestellung bekannt ist, haben wir als Gesellschafter der Tönnies-Gruppe uns im Rahmen des Einigungsvertrages glasklar zum Tierschutz/Tierwohl bekannt.“

Tönnies räumt zwar ein, dass die „Experimente einige Zeit zurückliegen; drastischer hätten Ihre tierquälenden und grausamen Experimente an Schweinen jedoch kaum ausfallen können“. Er hätte erwartet, dass er als Gesellschafter vor seinem Antritt von Festge über die Inhalte seiner Doktorarbeit informiert worden wäre, damit er den Sachverhalt hätte würdigen können. Tönnies: „Ich jedenfalls hätte Ihrer Bestellung zum Beiratsvorsitzenden aufgrund der jetzt vorliegenden Erkenntnisse damals entschieden widersprochen. Vor diesem Hintergrund möchte ich Sie hiermit darum bitten, Ihr Amt als Beiratsvorsitzender niederzulegen.“

Festge wollte sich zu dem Schreiben und den Details nicht äußern. Personen aus dem Umfeld von Clemens Tönnies zeigten sich bestürzt darüber, dass Robert Tönnies derartige Sachverhalte öffentlich mache. Das sei der verzweifelte und gleichzeitig inakzeptable Versuch eine Person, die sich um das Unternehmen Tönnies sehr verdient gemacht hat, in Misskredit zu bringen, heißt es aus dem engen Umfeld von Clemens Tönnies. „Aber das wird bestimmt nicht gelingen.“

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