Schleichende Auszehrung Deutsche Vorzeigebranchen akut bedroht

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Hohe Energiepreise

Andere Unternehmen geraten eher wegen Kostenerhöhungen unter Druck, auf die sie keinen Einfluss haben – zum Beispiel der Chemieriese BASF in Ludwigshafen. Noch läuft im Stammwerk, mit einer Größe von zehn Quadratkilometern das größte Chemie-Areal der Welt, alles rund. Neue Anlagen sind im Bau, etwa zur Herstellung von Kunststoff-Vorprodukten. Rund zehn Milliarden Euro investiert BASF zwischen 2010 und 2015 am Standort, 33 000 Mitarbeiter arbeiten hier, knapp 30 Prozent der Gesamtzahl.

Das könnte sich ändern. „In den nächsten fünf Jahren wird der Anteil Deutschlands an den weltweiten Investitionen von einem Drittel auf nur noch ein Viertel sinken“, kündigt BASF-Vorstandschef Kurt Bock an. Der „schleichende Auszehrungsprozess“ werde mittel- und langfristig nicht ohne Auswirkungen auf die Zahl der Arbeitsplätze in Deutschland bleiben.

Grund ist die teure Energie. Je nach Produkt macht sie bis zu 60 Prozent der gesamten Herstellkosten aus. Bock will darum vor allem in den USA investieren. Dank der billigen Schiefergasförderung ist Energie um etwa die Hälfte billiger. In Deutschland dagegen ist das sogenannte Fracking politisch umstritten. BASFs sogenannter Cracker zur Herstellung chemischer Grundstoffe im texanischen Port Arthur wurde bereits auf Gasbetrieb umgerüstet, am Golf von Mexiko will BASF eine Ammoniakanlage bauen – ebenfalls wegen der Energiepreise. Ludwigshafen dürfte das Nachsehen haben.

Politische Entscheidungen bestimmen häufig über die Existenz ganzer Standorte, im oberbayrischen Manching zum Beispiel. Sanfte Hügel, stille Seen: Die Idylle stört bisher nur der Lärm der Eurofighter, die Europas größter Luftfahrtkonzern Airbus hier baut und Probe fliegt.

Von 2017 an dürfte es ruhiger werden. Weil die europäischen Verteidigungsminister sparen wollen, ordern sie weniger Kampfflieger, und bei den verbleibenden Produkten drücken sie auf den Preis. Die Abrüstung hat Nebenwirkungen: Weil dann die Produktion des Kampffliegers ausläuft, verliert die 13 000-Einwohner-Gemeinde rund 1000 der gut 4000 High-Tech-Jobs. Ein ähnliches Schicksal droht anderen Gemeinden im Süden Bayerns und Baden-Württembergs. Ob Unterschleißheim, Ulm, Donauwörth, Immenstaad oder Friedrichshafen: Alle leben zu einem Großteil von der Militärluftfahrt und vor allem von Airbus.

In vielen Fabriken enden die paradiesischen Zustände: Die Bundeswehr zahlte nach dem Prinzip „Cost plus“. Die Anbieter durften berechnen, was sie der Bau von Panzern oder Fliegern kostet, obendrauf kam ein Gewinnzuschlag. Wurde es teurer, schoss der Bund nach. Das sorgte für üppige Strukturen. „Würden wir den Eurofighter rein wirtschaftlich bauen, wäre er wohl mindestens ein Viertel billiger“, gibt ein hochrangiger Airbus-Manager zu.

Künftig wollen die Wehrbeschaffer das nicht mehr akzeptieren. Die Folge: Airbus baut Jobs ab und verlagert andere ins französische Toulouse. Der Druck dürfte auch auf Zulieferer der zivilen Produktion abstrahlen. Die arbeiten laut einer Studie der Beratung Arthur D. Little zwar profitabler, weil sie dank ihrer oft hoch spezialisierten Produkte Airbus gegen den Rivalen Boeing ausspielen konnten. Doch das ist vorbei: „Zulieferer, die ihre Preise nicht senken, sind draußen“, sagt Boeing-Chef Jim McNerney. Airbus-Lenker Tom Enders sieht das nicht anders.

Die Bedrohung ist klein, flach und schwarz, und sie passt genau in Peter Larsens rechte Hand. Der Amazon-Manager stellte Anfang April die Streaming-Box Fire TV in New York vor. Das Teil, kaum dicker als eine CD-Hülle, beamt Filme und Serien aus dem Online-Angebot von Amazon auf den TV-Schirm. Auf Fire dabei sind zum Verkaufsstart in den USA auch Micky-Maus-Konzern Disney, die Online-Videothek Netflix und der Clip-Kanal YouTube.

Nicht nur Amazon macht etablierten Sendern den Platz auf der Glotze streitig. Apple bietet eine vergleichbare TV-Box an, Google verkauft seinen High-Tech-Stecker Chromecast jetzt ebenfalls in Deutschland, Yahoo plant eigene Online-Serien.

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