Schöller-Eisfabrik Eiskalter Ausverkauf in Nürnberg

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Die Bilder verbleichen

Investiert wurde hier lange nicht mehr, vielleicht schon seit Gründer Theo Schöller sein Unternehmen 2002 an Nestlé verkauft hat. Der Nahrungsmittelkonzern hat das Werk aufgeteilt, in einem Teil fertigt er weiter Eis der Marke Mövenpick. Den anderen reichten die Schweizer bald an das Unternehmen Rosen weiter, von dort ging es an das Deutsche Milchkontor (DMK), Deutschlands größten Molkereikonzern, der hier Handelsmarken produzierte und jetzt schließt.

Wer in den vergangenen Jahren in diesen so offensichtlich in die Jahre gekommenen Räumen gearbeitet hat, muss gespürt haben, dass es bald zu Ende geht. Trotzdem war da offenbar so etwas wie Verbundenheit mit dem eigenen Arbeitsplatz, fast eine Art Zuneigung zu den Maschinen. Gleich am Eingang steht eine, mit der war die Mannschaft wohl besonders innig. Eine Eisabfüllanlage der Firma Hoyer ist das laut Katalog, Baujahr 1996, Leistung: 19 440 Stiele pro Stunde. Groß wie ein Zuchtbulle, Dutzende von ihnen passiert man noch auf dem Rundgang. Aber nur auf dieser steht: „17.12.17, Ruhe in Frieden.“ Ob sie hier noch mal richtig Abschied gefeiert haben, mitten im Advent, mit Glühwein und Tränen?

Die Leute, die an diesem Tag nach Nürnberg kommen, haben für solche Gedanken keinen Sinn. Ihnen geht es um Ankauf, Verkauf und Profit, die Gesetze der Marktwirtschaft in ihrer reinsten Form. Wer gewinnen will, muss schnell sein, darf sein Wissen nicht teilen – und muss immer so schauen, als interessiere ihn das alles nur ganz am Rande. So halten es die drei Geschäftsleute aus Rumänien, die Vierergruppe aus dem Schwäbischen. Nur über den Belgier hört man mehr. Er betreibe selbst eine Eisfabrik, kauft er vielleicht eine ganze Produktionsstraße?

Solche Fragen entscheiden am Ende über den Erfolg der Auktion. Über die sentimentale Seite der Firmenbeerdigung verraten sie nichts. Die zeigt sich in den kleinen Posten, die zum Schluss verkauft werden und das Gespräch unter Kühltankhändlern nicht lohnen. Es gibt Spinde, verschlossen und mit unbekanntem Inhalt. Eine Werkbank ist zu haben, auf die in Großbuchstaben „Meyer“, offenbar der Name des letzten Benutzers, gedruckt ist. Und dann sind da Schränke voller Schrauben, Kabel und Ersatzteile, die regalmeterweise zu erwerben sind, Einstiegspreis 10 Euro. Den Inhalt wird wohl irgendein Schrotthändler einschmelzen.

Alle Spuren verschwinden

Verloren geht auch, was hier eigentlich schlummert: das Vermächtnis ganzer Berufsleben, festgehalten mit der Etikettiermaschine auf farbigen Plastikboxen. „Tele Mop-Clip“ steht auf der einen, „Sicherungsgehäuse 137882“ auf der anderen, es sind die rätselhaften Codes einer Sprache, in der Menschen und Maschinen bei Schöller jahrzehntelang miteinander agiert haben. Die Schrottpresse setzt dem bald ein Ende.

Spuren der Arbeiter, die sich in den Werkstätten erhalten haben, werden bald verschwunden sein. Da, die Weltkarte über dem eisernen Schreibtisch in der fensterlosen Nische. Saß dort der Hüter der Codes und träumte vom Lebensabend unter Palmen? Dort, in einer Kühltruhe liegen zwei Stieleis mit dem Aufdruck einer Handelsmarke. Proben, die der Meister nach dem Anlassen der Produktion genommen hat? Diskretes Lager der Belegschaft für den kleinen Snack?

An der Schachtel-Verschließmaschine der Firma Bedo, 380 Volt, klebt gar noch ein Leitspruch, von dem hier tätigen Team offenbar eigenhändig ausgedruckt und eingeschweißt in Folie: „Qualität ist, wenn die Kunden zurückkommen, nicht die Produkte.“ Einstiegspreis für die Bedo: 500 Euro.

Die Auktion selbst läuft gut. Auf die Kühltanks gibt es mehrere Dutzend Gebote, am Ende wechseln noch die kleinsten Modelle für mehrere Hundert Euro den Besitzer. Für den „Hobart Turbomixer“ finden sich gar 76 Interessenten, bis der Mixer letztlich für 3400 Euro gekauft wird. Auch die „Lagerregale mit Inhalt“ bringen noch deutlich über 1000 Euro.

Für die Schachtel-Verschließmaschine mit der Widmung aber findet sich kein Interessent. Gefühle verkaufen sich eben nicht mehr so gut, wenn alles vorbei ist.

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