Schwäbischer Batteriehersteller So will Varta dem Virus trotzen

Varta erwartet bis zu 38 Prozent Wachstum – auch dank Apple Quelle: dpa

Corona hin oder her: Der Batteriehersteller Varta aus dem schwäbischen Ellwangen profitiert weiterhin vom Boom kabelloser Kopfhörer. Das Wachstum soll im Pandemie-Jahr ungebremst weitergehen – auch dank Apple.

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Diese Zusammenarbeit hatte sich der Batteriehersteller Varta gewiss anders vorgestellt: Anfang Februar verkündete der MDax-Konzern aus dem schwäbischen Ellwangen überraschend eine Kooperation mit dem deutschen Fußball-Rekordmeister FC Bayern München. Die Kooperation beinhalte unter anderem „die gegenseitige Nutzung von Markenrechten für werbliche Zwecke, aber auch die gemeinsame Vermarktung von Varta-Produkten“, schrieb der Konzern und bebilderte die frohe Botschaft mit einem Foto von Varta-Vorstandschef Herbert Schein und FC-Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge in der Allianz-Arena. Bei Bayern-Heimspielen sollten vor der Münchener Spielstätte etwa Varta-Handyladestationen aufgebaut werden.

Doch dann kam Corona – und kaum vier Wochen nach jener Verkündung setzte die Fußball-Bundesliga erstmals in ihrer Geschichte den Spielbetrieb aus. Die Varta-FC-Bayern-Kooperation existiert derzeit bloß auf dem Papier.

Davon abgesehen aber hat Varta-Chef Herbert Schein einen Lauf, wie der am Dienstag präsentierte, geprüfte Jahresabschluss deutlich macht: Der Konzern konnte seinen Umsatz um 33,5 Prozent auf 362,7 Millionen Euro erhöhen. Der Konzerngewinn stieg gar um 96,3 Prozent auf 50,5 Millionen Euro – beinahe eine Verdopplung. Das klingt für sich genommen schon sehr gut – umso erstaunlicher aber wird das Ergebnis eingedenk der Tatsache, dass Schein im Lauf des vergangenen Jahres seine Jahresprognose gleich dreimal nach oben korrigiert hatte. Wie sich nun zeigt, war das immer noch zu defensiv.

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von Stephan Knieps

Treiber dieses erstaunlichen Wachstums sind die wiederaufladbaren Lithium-Ionen-Knopfzellen – Akkus, die vor allem in kabellosen Kopfhörern eingesetzt werden. Das betreffende Varta-Segment „Microbatteries“ legte im vergangenen Jahr um 38 Prozent zu. Vartas Knopfbatterien gelten in der Branche als Maßstab. Sie weisen eine höhere Energiedichte auf als Wettbewerberprodukte. Kopfhörer mit Varta-Batterie müssen demnach seltener aufgeladen werden – kein schlechtes Verkaufsargument. Und erst im Februar vermeldeten die Schwaben die nächste schlechte Nachricht für die Konkurrenz: Varta hat die Energiedichte seiner Lithium-Ionen-Zellen noch einmal um 30 Prozent erhöht.

Abnehmer der kleinen silberfarbenen Plättchen aus Ellwangen sind darum so gut wie alle namhaften und qualitätsbewussten Tech-Konzerne, von Sony über Samsung, Bose, Sennheiser, Bang&Olufsen sowie Ohrstöpsel-Weltmarktführer Apple – auch wenn Varta diesen besonderen Kunden aus Cupertino offiziell nicht nennen darf oder möchte. Der Markt für die kabellosen Kopfhörer wächst derzeit jährlich um 30 Prozent. Und die neueste Generation der Apple-Kopfhörer, die im Herbst vorgestellten Airpods Pro, dürfte die Nachfrage noch einmal beschleunigen.

Varta kündigt bereits an, den Gewinn komplett einbehalten und für Investitionen nutzen zu wollen. Die Pläne sind ehrgeizig: Bis zum Sommer soll die Produktion der Lithium-Ionen-Knopfzellen auf 100 Millionen Stück aufgestockt werden; und bis Ende 2021 will man gar 200 Millionen Stück jährlich produzieren können. Das kostet den Konzern viel Geld – ebenso die Anfang Januar vollzogene Rückholaktion der Varta-Haushaltsbatterien. Diese gehörten 17 Jahre lang nicht zur Varta AG, sondern zunächst der US-Firma Spectrum Brands und zuletzt dem US-Batteriehersteller Energizer; die Batterien wurden aber weiterhin unter dem Markennamen Varta im Einzelhandel verkauft. Nun sind die Mikro-Batterien für Kopfhörer sowie die Haushaltsbatterien für Taschenlampen und Fernbedienungen wieder vereint – zu einem Preis von rund 180 Millionen Euro, inklusive Schulden. Das neue Segment mit Standort in Dischingen, südlich von Ellwangen, erwirtschaftet rund 300 Millionen Euro. Varta-Chef Schein sagte gegenüber der WirtschaftsWoche, er erhoffe sich Synergien und einen „positiven Cashflow“.

Von Hoffnung beflügelt zeigten sich vergangenes Jahr auch Anleger, Fondsmanager und Investoren: Die Varta-Aktie hatte sich innerhalb von 19 Monaten verfünffacht, von rund 20 Euro (März 2018) auf 120 Euro (Dezember 2019). Zuletzt wurde die Aktie aber – nicht nur im Strudel der Coronakrise – nach unten gerissen: Im Januar musste Varta eingestehen, dass chinesische Batteriehersteller Vartas Innovationen nacheiferten und kopierten, Großkunden hätten teilweise auch chinesische Batterien bestellt. Die Schwaben stellen Varta-Patentverletzungen fest und leiteten „umgehend rechtliche Schritte“ ein, mahnten Hersteller und Händler ab. Offenbar kehrt der Glaube an Varta aber langsam wieder zurück: In den vergangenen Tagen orientierte sich der Kurs wieder deutlich nach oben.

Freuen wird sich darüber auch der österreichische Investor und Milliardär Michael Tojner, der 2007 über seinen Mischkonzern Montana Tech in den Besitz von Varta gelangte. Heute, zweieinhalb Jahre nach dem Börsengang, ist er mit rund 58 Prozent noch Mehrheitseigner sowie Aufsichtsratsvorsitzender. Sein erster Angestellter, Varta-Chef Schein, verkündet nun, er sehe „derzeit keine Beeinträchtigungen unseres Geschäfts infolge des Coronavirus“. Varta hat derzeit keinen bestätigten Corona-Fall, lediglich vereinzelte Mitarbeiter befinden sich in freiwilliger, häuslicher Quarantäne. Ungerührt von der grassierenden Pandemie stellt der Chef fest, werde er „durch die hohe Nachfrage nach unseren Lithium-Ionen-Batterien (…) die Produktionskapazitäten weiter massiv ausbauen und das dynamische Wachstum fortsetzen“. In Zahlen: Für das laufende Geschäftsjahr rechnet der Batterie-Boss mit einem Umsatz zwischen 780 und 800 Millionen Euro. Auch ohne den Sondereffekt der Varta-Haushaltsbatterien-Übernahme bedeutet das eine Steigerung zwischen 32 und 38 Prozent. Das klingt für Varta-Verhältnisse geradezu moderat.

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