Schwäbischer Batteriehersteller Batteriekonzern Varta und die E-Auto-Frage

Für den Batterienbauer Varta läuft es aktuell großartig. Mit einem neuen Höchstwert beim Varta-Umsatz 2021 wird zu rechnen sein. Quelle: dpa

Der Batteriekonzern Varta vermeldet einen Rekordumsatz, getrieben vor allem von der Nachfrage nach kabellosen Kopfhörern. Die große Frage lautet, ob und wann Varta auch Akkus für Elektroautos liefern wird.

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Wenn die USA am 18. Februar wieder den jährlichen „National Battery Day“ feiern, zu Ehren des italienischen Physikers und Batterie-Erfinders Alessandro Volta, der am 18. Februar 1745 geboren wurde, werden das wahrscheinlich wieder nur exzentrische Batterie-Fans zur Kenntnis nehmen. Von landesweiten Jubelparaden ist jedenfalls nichts bekannt.

Im schwäbischen Ellwangen jedoch sind an diesem Tag ebenfalls einige Einwohner in Feierlaune: Denn heute veröffentlichte Herbert Schein, Chef des hier ansässigen Batterieherstellers Varta, seine vorläufigen Zahlen für das vergangene Jahr. Und wenn Herbert Schein Geschäftszahlen veröffentlicht, war das in der jüngeren Vergangenheit stets ein Grund zur Freude für alle Beteiligten.

So auch dieses Mal: Im vergangenen Jahr ist Varta insgesamt um 140 Prozent gewachsen, setzte nach vorläufigen Zahlen rund 870 Millionen Euro um. Überraschend kam dieses Rekordergebnis aber nicht. Im August hatte der Varta-Chef die Jahresprognose mal wieder angehoben, denn im ersten halben Jahr 2020 hatten die Schwaben den Umsatz um gewaltige 158 Prozent auf fast 391 Millionen Euro steigern können – mehr als der gesamte Jahresumsatz 2019 (rund 363 Millionen Euro). Und im November, bei der Vorstellung der Zahlen für die ersten drei Quartale 2020, erfolgte, mit einer gewissen Automatik, die nächste Erhöhung der Jahresprognose: Nun stellte Herbert Schein einen Jahresumsatz im Korridor zwischen 840 und 860 Millionen Euro in Aussicht. Zu einem großen Teil ist diese Umsatzeskalation auch auf die Akquisition der Sparte Haushaltsbatterien zurückzuführen, die zum 2. Januar 2020 neu in die Varta AG integriert wurde. Jene Batterien, die man etwa für Fernbedienungen benutzt, hatte Varta dem US-Wettbewerber Energizer für 180 Millionen Euro abgekauft.

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Doch auch ohne diesen Zukauf vergrößert sich das Unternehmen: Die Varta AG profitiert in außergewöhnlichem Maße von einer kaum enden wollenden Nachfrage nach kabellosen Kopfhörern, allen voran jenen Airpods von Marktführer Apple. Varta baut die leistungsstärksten Knopfzellbatterien für diese Audio-Ohrstecker: Sie halten länger als die Batterien der Konkurrenz, Nutzer müssen die Kopfhörer seltener aufladen. Folglich beliefern die Schwaben nahezu alle großen Technikhersteller dieser Welt mit ihren Lithium-Ionen-Knopfzellen. Und diese verlangen nach immer mehr: Laut einer Prognose des Marktforschers Counterpoint wächst der weltweite Markt für kabellose Kopfhörer bis 2022 jährlich um 80 Prozent.

Ein neuer Markenauftritt

Mit einem neuen Höchstwert beim Varta-Umsatz war also zu rechnen. So weit, so gut. Darüber hinaus hatte Varta noch eine rätselhafte Ankündigung auf Twitter und Facebook gemacht: „This year, Independence Day is on 18th February.“ Über der weißen Schrift auf schwarzem Grund war bloß das gelbe, auf die Spitze gestellte Varta-Dreieck platziert. Vartas Unabhängigkeitstag? Was sollte das bedeuten? Mit den vorläufigen Jahreszahlen folgte nun auch die Auflösung: Mit einem neuen Markenauftritt unter dem Spruch „Empowering Independence“ wolle Varta künftig seine Rolle als Technologieunternehmen betonen, „das die Zukunft der Batterietechnologie für ein unabhängigeres Leben ermöglicht“, schreibt Varta.

Die Auflösung mag für viele Beobachter unspektakulär sein, schließlich gibt sie keinen Hinweis auf Beantwortung der großen Frage, welche die Batterieindustrie umtreibt: wie es um die längerfristigen Ambitionen des Varta-Mehrheitseigners und Aufsichtsratschefs Michael Tojner bestellt ist, das wohl größte Marktpotenzial für Batterien nicht zu besetzen. Nachdem die Firma Varta in den 1990er Jahren in drei verschiedene Firmen aufgespalten wurde (Auto-, Haushalts- und Hörgerätebatterien), übernahm der österreichische Milliardär Tojner 2007 die damals nicht gerade prosperierende Hörgerätesparte für vergleichsweise schmale 30 Millionen Euro und formte zeitgleich seine Industrieholding Montana Tech Components. Heute ist sein Varta-Anteil mehr als 4,5 Milliarden Euro wert. Und mit seinem obersten Angestellten Herbert Schein ist Tojner offenbar auch zufrieden: Im Oktober 2020 verlängerte der Varta-Aufsichtsrat den Arbeitsvertrag von Herbert Schein vorzeitig bis zum Jahr 2026.

Die große Frage, die Beobachter der Batterieindustrie umtreibt, lautet, ob es einem ambitionsreichen Eigentümer wie Tojner auf lange Sicht genügt, Batterien für Kopfhörer und Hörgeräte herzustellen, oder ob man nicht höher hinaus will. Denn Varta produziert seine Batterien schließlich im Land der Autobauer. „Der Bedarf an Lithium-Ionen-Zellen in Europa steigt immer weiter“, sagt Christian Eckert, Chef des Batterie-Fachverbands beim ZVEI (Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie): „Der mit Abstand größte Treiber dieser Entwicklung ist natürlich das Elektroauto.“

Denn im Gegensatz zu Kopfhörer-Batterien stammen die meisten Lithium-Ionen-Batterien für Elektroautos überwiegend aus asiatischen Ländern. Zu den führenden Herstellern zählen etwa CATL und BYD aus China, LG und Samsung aus Südkorea sowie Panasonic aus Japan, auf dessen Batterietechnik etwa Tesla setzt. Dass die Zellproduktion in Europa noch längst nicht in vergleichbarem Umfang wie in Asien passiere, ist laut ZVEI-Experte Eckert „nicht sehr verwunderlich, denn die Produktion erfordert einen sehr hohen Kapitaleinsatz und viel Erfahrung für die hochautomatisierten Prozesse. Das geht nicht von heute auf morgen.“ Und Urban Windelen, Geschäftsführer des Bundesverbandes Energiespeichersysteme (BVES), befindet: „Bei der Batteriezelle hat Deutschland den Anschluss verpasst, obwohl die Ressourcen und die Kompetenzen dazu hier durchaus vorhanden sind.“

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Doch langsam tut sich auch hier etwas. So haben sich in der Vergangenheit hierzulande einige Batterie-Auto-Allianzen gebildet: Im Herbst 2019 verkündeten etwa das schwedische Batterieunternehmen Northvolt und Autobauer Volkswagen den Aufbau einer Lithium-Ionen-Batteriefabrik in Salzgitter. Und vergangenen September kamen der französische Batteriehersteller Saft und der französische Autokonzern PSA mit der deutschen Firma Opel überein, zwei Fabriken für die Produktion von Elektroautobatterien aufzubauen, in der nordfranzösischen Stadt Douvrin und in Kaiserslautern. Laut Branchenkenner Windelen sind diese Schritte überlebensnotwendig: „Das Expertenwissen für die Batterieentwicklung und -herstellung löst jenes für die Verbrenner-Technologie komplett ab. Das ist die neue Kernkompetenz.“

Und Varta? Die Schwaben sind Teil eines Firmenkonsortiums, das im Rahmen eines sogenannten „Important Project of Common European Interest“ (IPCEI) der Europäischen Kommission Fördergelder erhält: Bis zum Jahr 2024 erhält Varta vom Bundeswirtschaftsministerium sowie von den Bundesländern Baden-Württemberg und Bayern insgesamt 300 Millionen Euro. Wofür? Diese Subventionen sind gedacht „für die Weiterentwicklung seiner kleinformatigen Zellen basierend auf (…) Lithium-Ionen-Technologie und für die Übertragung dieser Technologie auf größere Formate“, die in Zukunft etwa auch „im Bereich der Mobilität eingesetzt werden“ könnten, schreibt der Konzern in seinem Halbjahresbericht 2020.

Konkret arbeitet Varta daran, seine Lithium-Ionen-Technologie von der kleinen Knopfzellenbatterie (genannt: Coinpower) auf größere Formate zu übertragen. Eines dieser Formate ist die sogenannte 21700-Zelle: Sie misst 2,1 Zentimeter im Durchmesser und 7 Zentimeter in der Höhe. Dies ist ein Standardformat, die Einsatzmöglichkeiten sind vielseitig. Varta baut derzeit eine Pilotlinie für die 21700 in Ellwangen. Bis Ende dieses Jahres soll sie fertig sein. Und wie konkret sind nun die angedeuteten Einsatzmöglichkeiten für die Mobilität, etwa in Elektroautos? Auf Anfrage der WirtschaftsWoche antwortet Varta-Chef Herbert Schein bloß: „Die Entwicklungen für die 21700 laufen hervorragend. Wir sind im Plan.“

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Für BVES-Geschäftsführer Windelen ist es ein Zeichen von Vartas Selbstbewusstsein, dass die Schwaben „ihre Batteriekompetenz nicht komplett an die Autoindustrie zu hängen.“ Ob sie zukünftig alleine auch Batterien für E-Autos produzieren werden? „Varta produziert ja auch stationäre Batteriespeicher“, sagt Windelen. „Sie haben die Kompetenz für die klassische Industriebatterie von klein bis groß, weitgehend beliebig skalierbar. Bei den Einsatzbereichen kann ich mir da von Varta durchaus noch einiges vorstellen.“

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