Schwierigkeiten in China Pechsträhne für Tesla

Ein Tesla-Modell baut in China einen Unfall – im Autopilot-Modus. Schon vorher hatte der E-Auto-Pionier auf dem wichtigen chinesischen Markt Probleme. Experten rechnen jetzt mit einer scharfen Kurskorrektur.

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Nach einem Unfall hat Tesla seine Verkäufer in China nachgeschult. Die Mitarbeiter sollen den Wagen vorher aggressiv als selbstfahrendes Auto angepriesen haben. Quelle: Reuters

San Francisco Versehen oder Absicht? Nach dem Unfall eines Tesla-Fahrers in China verschwand am Sonntag der Begriff „selbstfahrendes“ Auto von der chinesischen Webseite des E-Auto-Pioniers. Auch das Wort „Autopilot“ suchte man dort vergeblich, wie die Nachrichtenagenturen Reuters und Bloomberg berichteten. Stattdessen stand auf der Website nun „automatisch-assistiertes Fahren“.

Zuvor war es in Peking zu einem Unfall gekommen. Dabei hatte ein Tesla Model S im Autopilot-Modus einen parkenden Wagen gerammt, der leicht in die Fahrspur ragte. Es gab zwar nur einen Sachschaden, doch der chinesische Autofahrer beklagte sich im Internet. „Sie vermitteln bei Tesla jedem den Eindruck, es handele sich um ein selbstfahrendes Auto und nicht um ein Fahrerassistenz-System.“ Tesla weist solche Anschuldigungen zurück.

Mittlerweile steht das Wort „Autopilot“ auch wieder auf der Website, wie Reuters berichtet. Tesla erklärte der „Washington Times“ ohne nähere Angaben, das zwischenzeitliche Verschwinden des Begriffs sei ein Fehler gewesen.

Das kalifornische Unternehmen erklärte außerdem in einer Stellungnahme, man arbeite kontinuierlich an einer Verbesserung der Texte auf den landesspezifischen Webseiten. Das Timing habe nichts mit dem Unfall zu tun.

Zum Unfall erklärte Tesla, der Wagen habe sich zur fraglichen Zeit im Autopilot-Modus befunden. Dies habe eine Datenanalyse zum Unfallhergang ergeben. Doch habe der Fahrer offenbar nicht beide Hände am Steuer gehabt, wie es Chinas Gesetze vorschrieben.

Tesla hat bereits sämtliche Verkäufer in China nachgeschult, wie Reuters berichtete. Dabei seien sie ausdrücklich ermahnt worden, die Autopilot-Funktionen nur mit beiden Händen am Steuer vorzuführen. Von der Nachrichtenagentur befragte Kunden hätten gesagt, dass bei Testfahrten Verkäufer auch schon mal freihändig gefahren seien, um die Fähigkeiten des Systems zu demonstrieren.

Das Thema ist brisant, seit es zum ersten tödliche Unfall mit einem Tesla gekommen ist. Das Fahrzeug war Anfang Mai in Florida im Autopilot-Modus ungebremst unter einen Sattelzug gefahren.


Musk muss die Schlagzahl der Supermeldungen erhöhen

Tesla agierte in China bisher glücklos. Zunächst musste der Autobauer geringe Verkaufszahlen einräumen – und das in einem Land, in dem mehr Familien dem gehobenen Mittelstand angehören als Deutschland Einwohner hat. Dann hatte Tesla Probleme mit Ladestationen.

Laut „Nikkei Asian Review“ erklärte Musk auf einer asiatischen Automobilkonferenz, dass das ambitionierte und nie erreichte Verkaufsziel von 10.000 Fahrzeugen 2015 auf nur noch 5000 in diesem Jahr gesenkt worden sei. Zum Vergleich: Nikkei meldet alleine für den September 2015 mehr als 5000 verkaufte Elektroautos in China durch den einheimischen Tesla-Rivalen BYD.

Es ist nicht die einzige Vision von Elon Musk, die nicht aufgegangen ist. Das „Wall Street Journal“ hat einmal nachgerechnet und kommt zu dem Ergebnis, dass er in den vergangenen fünf Jahren 20 selbstgesetzte Ziele nicht erreicht habe, von finanziellen bis hin zu Produktionszielen. Zehn der von ihm gesetzten Ziele seien im Schnitt um ein Jahr verfehlt worden. Doch die Anleger lässt das bislang kalt. In den vergangenen fünf Jahren ist die Tesla-Aktie – trotz steigender Verluste des Unternehmens – um rund 760 Prozent gestiegen.

Um die Aktionäre weiter bei Laune zu halten, muss Musk die Schlagzahl der Supermeldungen immer schneller erhöhen. Er will Ende 2020 eine Million Autos ausliefern, schafft aber nach zwei verpassten Auslieferungszielen nur knapp die Vorgabe für 2016 von 80.000 Einheiten.

Das preisgünstigere Model 3 werde am 1. Juli 2017 starten, erklärte er skeptischen Anlegern und Analysten noch im Mai. Doch nur einen Monat später antwortete er in einem Interview mit dem WSJ mit einem klaren „Nein“ auf die Frage, ob er glaube, dass die Produktion am 1. Juli aufgenommen werde.

Stattdessen stellte er zuletzt einen neuen Masterplan vor. Demnach soll die Modellpalette um Busse, Lastwagen und Pick-Up-Trucks erweitert werden. Die Ankündigung ließ nicht wenige Analysten ratlos zurück. Lastwagen, so Kommentare, seien wohl eher das letzte, worauf Tesla-Fans warteten.

Sie erinnern an die fast zwei Jahre verspätete Einführung des SUV Model X. Im April räumte Musk offen ein, dass ein ordentliches Maß an Selbstüberschätzung zu der Verzögerung geführt habe. Man wollte zu viel neue Technik auf einmal einbauen.


„Jeder kann bauen, was Tesla baut“

Niemand sieht Tesla so pessimistisch wie Marc Faber, Herausgeber des „Gloom, Boom and Doom“-Report. Während andere vor eine „Überbewertung“ warnen und eine Kurskorrektur vorhersagen, prognostiziert „Dr. Doom“ bei der Tesla-Aktie ein Kursrisiko von bis zu 0 Dollar. „Jeder kann bauen, was Tesla baut“, erklärte er vergangenen Montag dem TV-Sender CNBC.

Noch sei der Markt zu, doch sobald er interessant genug sei, werde Tesla starke Konkurrenz bekommen. Zuletzt hatte Mercedes Benz zwei Elektro-SUVs und zwei Elektro-Limousinen angekündigt. Auch BMW will sein Elektro-Engagement deutlich ausbauen.

Andere Investoren wie die bekannten „Short-Seller“ von Stanphyl Capital haben erst im April ihre Positionen, die auf fallende Kurse wetten, aufgestockt. Valuewalk.com zitiert aus dem April-Brief an die Investoren, in dem Tesla als „die wahrscheinlich größte einzelne Unternehmens-Blase“ bezeichnet wird.

Doch die Fans von Elon Musk stehen bislang zu ihm. Mit einem Kurs von 225 Dollar hält sich der Wert relativ stabil um den Kurs, zu dem die 2,6 Milliarden Dollar teure Akquisition des Ökostrom-Spezialisten Solarcity angekündigt wurde – ein verlustgeplagtes Unternehmen, an dem Musk selbst die meisten Anteile hält.

Alles hängt jetzt von zwei Faktoren ab. Das wichtigste sind die Auslieferungszahlen für Tesla-Autos im dritten Quartal. Hier muss es einen massiven Anstieg geben, damit das Ziel für 2016 tatsächlich noch erreicht werden kann.

Der zweite entscheidende Faktor sind die Kosten nach dem Zusammenschluss mit Solarcity. Davon – als auch von den massiven Investitionen in die Produktionsanlagen für das Model 3 und die Gigafactory – wird abhängen, wie schnell Elon Musk die Aktionäre wieder zur Kasse bitten muss.

Anfang August hatte Tesla mitgeteilt, im dritten Quartal zusätzlich 411 Millionen Dollar für Wandelanleihen aufbringen zu wollen. Die Anleihen werden 2018 fällig. Die Anleger können sich dabei aussuchen, ob sie später Geld oder Tesla-Aktien haben möchten.

In der Mitteilung an die Börsenaufsicht schließt Tesla weitere Maßnahmen nicht aus, um die Zahl ausstehender Wandelanleihen zu verringern, was „weitere Finanzmittel erfordern“ könnte. Zugleich wurde im Brief an die Börsenaufsicht vor Kostensteigerungen bei der Batteriefabrik in Nevada gewarnt.

Die Veröffentlichung der Ergebnisse für das dritte Quartal werden für Anfang November erwartet. Bis dahin sollte Musk mehr Erfolg in China haben.

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