Die Erfolge der Familienfremden seitdem gaben der alten Dame und ihren Töchtern recht, sich auf den Sachverstand erlesener Externer zu verlassen. Mit Robert Bauer etwa hievten die Experten im Aufsichtsrat 2000 einen promovierten Elektrotechnik-Ingenieur und Fachmann auf dem Gebiet der Halbleiter-Optoelektronik in den Vorstand und 2006 an die Unternehmensspitze.
Der heute 56-Jährige erwies sich als Glücksgriff. Er steigerte die Einnahmen in den vergangenen neun Jahren um fast 80 Prozent. Allein in den zurückliegenden fünf Jahren erhöhte er das Jahresergebnis um rund 75 Prozent auf knapp 91 Millionen Euro 2015. Davon schütteten sich die Eigentümer zum 70-jährigen Firmenjubiläum 1,40 Euro pro Aktie aus, rund 35 Millionen Euro, doppelt so viel wie in gewöhnlichen Jahren.
Ein vollständiges Eigenleben ohne die Eigentümer führen Vorstand und Aufsichtsrat bei Sick dennoch nicht. „Die Eigentümerrechte sind nicht verdünnt“, sagt Kontrolleur Horst Wildemann, Betriebswirtschaftsprofessor aus München und Spezialist für flexible Fertigung. An der Gründergattin sowie ihren Töchtern im Aufsichtsrat führe praktisch kein Weg vorbei.
Deren Einfluss sei durchaus stark, meint Hermann Spieß, IG Metaller und Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat. Dieser konzentriere sich allerdings nicht auf das Tagesgeschäft, sondern auf die Unternehmenskultur. Die zeichne sich durch ein außergewöhnliches Miteinander aus.
Um ins Unternehmen hineinzuwirken, gehen Mutter und Töchter verschiedene Wege. Erbin Sick-Thies etwa studiert gern bis ins Detail die Lebensläufe von Bewerbern. Einmal fiel ihr auf, dass ein Kandidat für einen Topjob unter anderem an der Entwicklung von Streubomben mitgearbeitet hatte. Daraufhin intervenierte sie beim Sick-Vorstand, weil ihr Vater nach dem Krieg jedwede Produktion für die Rüstung für immer ausgeschlossen hatte. Der Bewerber blieb außen vor.
Die Gattin des Gründers hat ihren Einfluss rechtlich abgesichert. Wer im Amtsgericht Freiburg Einblick nimmt in den Gesellschaftervertrag der Sick Holding, stößt auf einen interessanten Passus. Danach hat die Gründergattin 2009 für 25 Euro einen Sonderrechtsanteil an der Holding gezeichnet. Der erlaubt ihr, alles, was ihre ältere Tochter und deren Sohn als Mehrheitsaktionäre bei Sick durchdrücken könnten, mit einem Veto zu stoppen und das, bis dass der Tod sie scheidet.