Sensorstörung Boeing wusste seit 2017 von Problem bei 737 Max

737 Max: Boeing wusste seit 2017 von Problem bei Unglücksflieger Quelle: REUTERS

Wie lange war Boeing bereits über die Probleme der 737-Max-Maschine informiert? Das ist eine entscheidende Frage für viele. Der Luftfahrtkonzern räumt nun ein, dass Mitarbeiter schon vor zwei Jahren vom Problem wussten.

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Der US-Luftfahrtriese Boeing wusste bereits rund ein Jahr vor dem ersten Absturz einer 737-Max-Maschine von einem Softwareproblem der Modellreihe. Der Konzern räumte am Sonntag ein, bereits einige Monate nach Auslieferungsbeginn der 737 Max im Mai 2017 festgestellt zu haben, dass ein Warnsystem in den Cockpits nicht richtig funktionierte. Boeing habe daraufhin zunächst eine interne Untersuchung gestartet, die zu dem Schluss gekommen sei, dass keine Beeinträchtigung der Flugsicherheit vorliege.

Boeings obere Führungsebene sei in diese Untersuchung nicht involviert gewesen und erst nach dem ersten Absturz einer 737-Max-Maschine in Indonesien am 29. Oktober 2018 auf das Problem aufmerksam geworden. Auch die US-Luftfahrtbehörde FAA sei erst rund eine Woche nach diesem Unglück darüber informiert worden. Im Dezember sei eine weitere Untersuchung durchgeführt worden, die ebenfalls ergeben habe, dass das Problem kein Sicherheitsrisiko darstelle, heißt es in der Boeing-Mitteilung.

Der AOA-Alarm („angle of attack“) zum Anstellwinkel gibt Piloten Bescheid, wenn ein Sensor fehlerhafte Daten übermittelt. Er soll Piloten vor einer Sensorstörung wie derjenigen warnen, die bei dem Absturz in Indonesien und fünf Monate später bei einem Absturz in Äthiopien eintrat. In beiden Fällen stehen den vorläufigen Ermittlungsergebnissen zufolge fehlerhafte Sensormeldungen unter Verdacht, bei den Abstürzen eine Rolle gespielt zu haben. Der Alarm funktionierte in vorherigen Boeing-737-Maschinen, wurde bei der 737-Max jedoch abgeschaltet. Die Maschinen könnten auch ohne den Alarm sicher geflogen werden, bekräftigte Boeing am Sonntag. Er werde in den 737-Max-Maschinen jedoch wieder eingeschaltet, bevor sie wieder fliegen.

Am 10. März war es zu einem zweiten Absturz einer 737 Max in Äthiopien gekommen. Insgesamt starben bei den Unglücken 346 Menschen. Ein Fehler der einer MCAS genannten Steuerungssoftware, die eigens für Boeings Neuauflage der 737-Reihe entwickelt wurde, steht nach ersten Ermittlungsberichten als Unfallursache im Verdacht. Das Warnsystem, von dessen Problem Boeing seit 2017 wusste, steht im Zusammenhang mit dem MCAS-Programm. Ob und inwieweit es eine für die Abstürze entscheidende Rolle spielte, ist bislang aber unklar.

Boeing unter Druck

Dem Flugzeugbauer droht nach den Flugzeugabstürzen, bei denen insgesamt 346 Menschen starben, immenser rechtlicher Ärger. Boeing ist mit Schadenersatzklagen von Angehörigen der Todesopfer konfrontiert. Zudem wird ermittelt, ob bei der Zulassung der Unglücksflieger alles mit rechten Dingen zuging. Auch Anleger haben schon geklagt.

Für Boeing ist der Fall besonders brenzlig, weil eine Fehlfunktion bei einer eigens für die 737-Max-Maschinen entwickelten Steuerungssoftware nach ersten Untersuchungsberichten als womöglich entscheidende Ursache der Abstürze gehandelt wird. Bei einem Herstellerfehler stünde Boeing vor großen Haftungsrisiken.

Ende April versprach Boeing-Chef Dennis Muilenburg den Boeing-Aktionären bei der Hauptversammlung in Chicago „stetige Fortschritte“ bezüglich der Wiederzulassung der Baureihe 737 Max und versicherte, dass „Sicherheit die oberste Priorität“ für sein Unternehmen sei. Berichte, wonach Boeing Sicherheitsfragen vernachlässigt habe, um die neuen Flugzeuge möglichst schnell auf den Markt bringen zu können, wies er als „schlichtweg nicht wahr“ zurück.

Wann die 737 Max wieder abheben darf, ist allerdings noch vollkommen offen. Letztlich liegt die Entscheidung, wann die Krisenjets wieder abheben dürfen, bei der US-Luftfahrtbehörde FAA und anderen internationalen Regulierern. Die FAA hält sich zum Thema weitgehend bedeckt. Zuletzt hieß es, die Wiederzulassung könne sich noch Monate hinziehen. Für Boeing und die Airlines ist der Flugstopp eine starke Belastung, wie die Finanzberichte für das erste Quartal jüngst bereits zeigten.

Und die schlechten Nachrichten reißen für den Flugzeugbauer nicht ab. Nachdem die „New York Times“ vergangene Woche über angebliche Produktionsmängel beim Langstreckenjet 787 „Dreamliner“ berichtet hatte, gab die FAA vor Kurzem eine neue Direktive für diese Maschinen heraus, die ab 3. Juni gilt und zusätzliche Sicherheitschecks vorsieht. Dem Zeitungsbericht zufolge hat der Konzern in den vergangenen zehn Jahren wiederholt Hinweise auf Sicherheitsrisiken erhalten, diese jedoch teilweise ignoriert.

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